Small Talk mit Boryano Rickum über mutmaßlich rechten Vandalismus in einer Berliner Bibliothek

»Eine neue Qualität«

Small Talk Von Cyrille Hill

In der Zentralbibliothek des Berliner Bezirks Tempelhof-Schönefeld wurden mutwillig Bücher zerstört, die linke Strömungen behandeln oder sich kritisch mit rechten Tendenzen in der Gesellschaft befassen. Die »Jungle World« sprach mit Boryano Rickum, dem Leiter der Stadtbibliotheken im Bezirk Tempelhof-Schönefeld, der den Fall öffentlich gemacht hat. Er vermutet bei der Tat einen rechtsextremen Hintergrund; es wäre nicht der erste Vorfall dieser Art.

Können Sie den Vorfall rekonstruieren?

Es passierte vor zwei Wochen in der Zentralbibliothek, unserem größten Haus hier im Bezirk. Ein Auszubildender hat die insgesamt sieben zerschnittenen Bücher morgens bei Dienstbeginn in einem Korb gefunden, wie sie in der Bibliothek zum Transport von Büchern genutzt werden. Wir gehen davon aus, dass der Täter oder die Tätergruppe gezielt die Bücher ausgesucht hat, sich dann eine stille Ecke in den verwinkelten Räumlichkeiten oder im WC gesucht und dort wahllos ganze Abschnitte der Bücher zerschnitten hat. Die meisten der Titel lagen räumlich sehr nah beieinander, dennoch muss man durch die Regale gehen, da sich die Bücher in unterschiedlichen Sachgebieten befanden. Unter den zerstörten Büchern waren Kurzbiographien von Karl Marx und Clara Zetkin sowie Bücher zu rechten Tendenzen im Internet und in Ostdeutschland.

Gibt es Hinweise darauf, wer die Bücher zerstört hat?

Es gibt keine konkreten Hinweise. Dennoch sehe ich starke Indizien dafür, dass es eine rechtsmotivierte Tat war. Die Zerstörung der Bücher reiht sich in rechtsextreme Aktivitäten im Umfeld der Bibliothek ein. Es gab Schmierereien auf dem Vorplatz, an Außenwänden und in unseren WCs. Es werden immer wieder professionelle Broschüren und Flyer mit rechtspopulistischen Inhalten unbefugt in der Bibliothek ausgelegt oder kleine Zettelchen in Bücher eingelegt, die für einen kleinen Verlag werben, der rechtspopulistische Titel vertreibt. All das passierte ausschließlich an der Zentralbibliothek und an keiner anderen Bibliothek im Bezirk.

Welche Reaktionen gab es aus der Gesellschaft und Politik?

Was mich sehr freut, ist die Teilnahme und Unterstützung nach dem Vorfall. Der Kultursenator und zuständige Stadtrat haben sich zu Wort gemeldet, ebenso der deutsche Bibliotheksverband und die Amadeu-Antonio-Stiftung. Michael Kraske, der Autor eines der zerstörten Bücher über rechte Tendenzen in Ostdeutschland, hat uns ein neues Exemplar seines Werks zukommen lassen. Viele Menschen haben gefragt, was sie denn spenden oder wo sie uns unterstützen können. Der Sachschaden ist gering, wir haben natürlich die Mittel, die Bücher zu ersetzen, was auch passieren wird. Trotzdem freuen wir uns, dass es von Seiten der Nutzer und Nutzerinnen Anteilnahme gibt.

Was für Konsequenzen haben Sie gezogen?

Es ist klar, dass wir den Vorfall so nicht stehen lassen wollen. Wir müssen uns fragen, wie wir mit den Mitteln der bibliothekarischen Arbeit darauf reagieren, also beispielsweise mit Veranstaltungsarbeit in Form von Sonderpräsentationen. Ob und wie wir mit den zerschnittenen Büchern noch in irgendeiner Form arbeiten können, entscheiden wir in Ruhe, und da werden wir möglicherweise auch das Bezirksmuseum hinzuziehen, um gemeinsam herauszufinden, wie man das entsprechend kuratieren kann.