In Leipzig wurden linke Demonstrationen verboten

Demonstrationsverbot in Leipzig

Für manche Linke war es nur eine fragwürdige Entscheidung zweier Behörden, für andere schon Anzeichen eines nahenden Faschismus: Das Verbot mehrerer Antifa-Demonstrationen in Leipzig hatte sowohl in den sozialen Medien als auch auf der Straße spürbare Konsequenzen.

Fast grenzt es an Ironie, dass am Wochenende in Leipzig drei Demonstrationen verboten wurden, die sich unter anderem gegen staatliche Repression richteten. Eigentlich sollten die Demonstrationen unter dem Motto »Alle zusammen – autonom, widerständig, unversöhnlich!« am Samstag stattfinden. Die Startpunkte lagen im Osten, im Westen und im Zentrum der Stadt. Im südlichen Stadtteil Connewitz sollten sich die Aufzüge vereinen. Dem Aufruf zufolge richteten sich die Demonstrationen gegen Gentrifizierung, Repression und Faschismus. Als konkreten Anlass nannte man unter anderem den Prozess gegen Lina E., die gemeinsam mit weiteren Angeklagten eine kriminelle linksextreme Vereinigung gegründet und schwere Straftaten begangen haben soll.

Damit sich das Wochenende in Leipzig im Sinne der Polizei entwickeln würde, schickte diese nach eigenen Angaben mehr als 2 000 Beamte in den Einsatz.

Doch fünf Tage vor den geplanten Demonstrationen verbot das Ordnungsamt der Stadt Leipzig sämtliche Versammlungen. Grund dafür sei »die Tatsache, dass nach den derzeit erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlungen unmittelbar gefährdet ist«, hieß es in einer Pressemitteilung. Zudem würden »alleinig Versammlungsverbote als geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines unfriedlichen Versammlungsverlaufs gesehen«. Grundlage für die Entscheidung seien eigene Recherchen, die Lageeinschätzung des sächsischen Landesamtes für Ver­fassungsschutz und eine Gefahrenprognose der Polizeidirektion Leipzig gewesen.

Letztere erklärte, dass die bundesweite Mobilisierung »von Militanz und einer deutlichen Aggressivität« gekennzeichnet sei. »Erfahrungen in Leipzig« zeigten, dass bei der erwarteten Teilnehmerzahl im vierstelligen Bereich mit Straftaten zu rechnen sei. Leipzigs Polizeipräsident René Demmler wies darauf hin, dass es für seine Beamten in solchen Fällen »unabhängig von der Anzahl der Einsatzkräfte faktisch unmöglich« sei, Ausschreitungen zu verhindern. Zusätzlich richtete die Polizei für 32 Stunden einen Kontrollbereich rund um das Gebiet der geplanten Demonstrationsrouten. Gegen das Verbot zogen die Veranstalter vor das Leipziger Verwaltungsgericht – jedoch erfolglos. Auf eine Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht verzichtete man und betonte, dass es nun nicht mehr an den Organisatoren liege, »wie sich das Wochenende weiterhin entwickelt«.

Damit sich das Wochenende im Sinne der Polizei entwickeln würde, schickte diese nach eigenen Angaben mehr als 2 000 Beamte in den Einsatz. Doch auch diese starke Polizeipräsenz konnte nicht verhindern, dass sich bereits am Samstagvormittag eine kleine Spontandemonstration bildete. Auf einer Straße, die nördlich an den Kontrollbereich grenzt, zündeten einige Dutzend Personen Pyrotechnik. Zudem bewarfen Teilnehmende das Büro einer Immobilienfirma und eine Bankfiliale mit Farbe und Steinen.

Am späten Nachmittag folgte im Kontrollbereich eine zuvor angemeldete, aber nur mit Einschränkungen erlaubte Kundgebung der Gruppe »Rassismus tötet«. Diese sollte eigentlich um 17.30 Uhr beginnen, wurde aber nach Angaben der Veranstalter von den Behörden um zwei Stunden vorverlegt und auf 100 Teilnehmende begrenzt. An Ort und Stelle waren es dennoch knapp 200 Personen, die den Redebeiträgen folgten. Offizieller Anlass für die Kundgebung war das Gedenken an Achmed B., der auf den Tag genau vor 25 Jahren aus rassistischen Motiven von einem Nazi ermordet worden war.

Bis zum späten Abend blieb es ruhig in Leipzig. Gebäude wie das Amtsgericht, eine Filiale der Bundesbank und die Polizeidirektion im Stadtzentrum wurden mit Absperrgittern geschützt. Nach Einbruch der Dunkelheit kreisten zudem zwei Polizeihubschrauber über der Stadt. In den sozialen Medien äußerten viele Menschen ihren Unmut über den starken Polizeieinsatz und zahlreiche Personenkontrollen. Häufig war von einem »Polizeistaat«, manchmal auch von »Faschismus« die Rede. Auch linke Politikerinnen und Politiker kritisierten Demoverbote und Polizeipräsenz als unverhältnismäßig.

Im Laufe des Abends folgte eine weitere Spontandemonstration mit wenigen Teilnehmenden, die ebenfalls nur einige Minuten dauerte. Zudem brannten der Polizei zufolge in der Nacht auf Sonntag mindestens zwölf Fahrzeuge. In Connewitz wurden Polizisten, die brennende Gegenstände löschen wollten, mit Flaschen und Steinen beworfen. Verletzt wurde dabei offenbar niemand. Außerdem wurde mindestens eine weitere Bankfiliale beschädigt.

Anders als nach der Demonstration »Wir sind alle LinX« im September scheint es diesmal zunächst wenige Wortmeldungen außerhalb der linken Szene zu geben – weder zum in dieser Stadt seit 1990 wohl einmaligen Eingriff in die Grundrechte noch zu den Sachbeschädigungen, obwohl diese deutlich größer ausgefallen sein dürften als im September.