Die G20 geben nur vage Klimaziele aus

Vage gegen den Klimawandel

Kommentar Von Anton Landgraf

Der US-Senator Joe Manchin hat indirekt, aber maßgeblich dazu beigetragen, dass der G20-Gipfel in Rom kläglich endete.

Senator Joe Manchin aus dem US-Bundesstaat West Virginia ist ein wahrer Alptraum für US-Präsident Joe Biden – und vermutlich auch für die restliche Welt. Der konservative Demokrat hat zumindest indirekt viel dazu beitragen, dass der G20-Gipfel in Rom kläglich endete.

Dabei ist Biden mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, die Vorhaben umzusetzen, an denen zuletzt der demokratische Präsident Barack Obama gescheitert war. Mit seinem Clean Electricity Performance Program (CEPP) wollte Biden Unternehmen dazu bewegen, auf fossile Energieträger zu verzichten: Wer schnell auf erneuerbare Energie umsteigt, wird belohnt, wer zögert, muss finanzielle Strafen fürchten, so das Konzept. Bis 2030 sollten damit 80 Prozent der Elektrizität durch erneuerbare Energie gewonnen und Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduziert werden.

Diese Vorgaben betreffen vor allem die Gas- und Kohleförderung, die wichtigsten Industriezweige in West Virginia. Senator Manchin, der mit Spenden aus der fossilen Brennstoffindustrie geradezu hofiert wird, will dem Programm denn auch nicht zustimmen. Er stellt sich gegen das Kernstück des Pakets, die Umstellung der Elektrizitätsproduktion und -versorgung, das rund 150 Milliarden US-Dollar kosten soll. Manchins Ansicht nach sind die meisten Unternehmen bereits dabei, ihre Energieversorgung umzustellen. Manchins Widerstand sorgte dafür, dass Biden Überwachung und Durchführung in die Kompetenz der einzelnen Bundesstaaten ­legen will; statt drohender Strafzahlungen ist nun die Rede von Steuererleichterungen für Solaranlagen.

Auf diese Weise wird es Studien zufolge aber mindestens doppelt so lange dauern, bis die Unternehmen die Klimaziele erreichen und ihre Emissionen halbieren. Zeit, über die weder Biden noch die Welt verfügt.
Die ursprünglich geplanten Ausgaben von 600 Milliarden US-Dollar für das Klimainvestitionsprogramm hat Biden zwar nur geringfügig reduziert, auf 555 Milliarden US-Dollar. Das Maßnahmenbündel wäre, einmal verabschiedet, immer noch die größte Investition in den Klimaschutz in der US-Geschichte. Doch auch dafür hat Biden keine Mehrheit, zumal neben Manchin auch die demokratische Abgeordnete Kyrsten Sinema aus Arizona bislang nicht zustimmen will.

Die US-Demokraten überlegen nun schon fast verzweifelt, wie sie ihre Vorhaben noch erreichen können, denn ohne Manchin können sie die Zustimmung des Senats nicht erreichen. So wäre es denkbar, eine CO2-Steuer einzuführen: Wer für hohe Emissionen sorgt, muss dafür mehr Steuern zahlen. Eine Klimasteuer fordern progressive Abgeordnete in den USA allerdings schon seit langem erfolglos. Biden würde es nicht anders ergehen: Manchin hat bereits signalisiert, dass er von dieser Idee nicht viel hält. Der US-Präsident reiste daher in Rom als jemand an, der viel verspricht, aber wenig realisieren kann, weil es ihm nicht gelingt, sich gegen einen Senator aus einem Bundesstaat durchzusetzen, in dem weniger Menschen leben als in Hamburg, der aber die Gas- und Kohleindustrie vertritt.

Ähnlich vage wie die Zukunft von Bidens Klimaprogramm gestalten sich die Beschlüsse von Rom. Dort einigten sich die G20-Staaten darauf, dass die Klimaneutralität »bis oder um die Mitte des Jahrhunderts« erreicht werden soll – also irgendwann zwischen 2050, wie die Europäische Union verspricht, und 2070, wie der indische Umweltminister für sein Land ankündigte. Das G20-Treffen in Rom ­lieferte schlechte Voraussetzungen für die UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow, die am Sonntag begonnen hat.