In der Regierungskoalition gibt es außenpolitische Differenzen, besonders wegen China

Die Ampel und China

In der neuen Regierungskoalition scheint man sich in manchen ­außenpolitischen Fragen noch nicht ganz einig zu sein.

Die erste Warnung erhielt die neue ­Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), als sie noch nicht mal offi­ziell im Amt war. »Manche Menschen« rückten mit Blick auf die chinesisch-deutschen Beziehungen Unterschiede und Differenzen immer stärker in den Vordergrund und sprächen von »Systemwettbewerb«, sagte kürzlich eine Sprecherin der chinesischen Botschaft in Berlin. In einem Interview mit der Taz hatte Baerbock Anfang Dezember von einer »wertegeleiteten Außenpolitik« gesprochen, die in einem »Zusammenspiel von Dialog und Härte« stattfinden solle. Sie stelle auch ein Importverbot für Produkte in Aussicht, die in der chinesischen Provinz Xinjiang hergestellt werden. Der chinesischen ­Regierung werden schwere Menschenrechtsverletzungen in der Region vorgeworfen.

Mittlerweile gibt sich Baerbock zwar zurückhaltender. Doch andere Grüne, zum Beispiel der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, fordern einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele, die Anfang Februar in China stattfinden sollen. Nachdem die frühere Bundesregierung unter Kanz­lerin Angela Merkel (CDU) nur sehr verhalten Kritik an der chinesischen Regierung geübt hat, könnte sich der Ton in Zukunft ändern.

Insbesondere deutsche Maschinen­hersteller und Autokonzerne sind stark vom chinesischen Markt abhängig. Für Daimler und BMW ist China der weltweit wichtigste Markt.

Christian Lindner, der FDP-Vorsitzende und neue Bundesfinanzminister, fordert seit längerem Änderungen im Verhältnis zu China. »Das Dauer-­Appeasement Deutschlands gegenüber einem Regime, das Minderheiten wie die Uiguren im eigenen Land brutal unterdrückt und die Sehnsucht junger Menschen in Hongkong nach mehr Freiheit niederknüppeln lässt, gefährdet letztendlich auch unsere eigene Freiheit«, sagte er anlässlich eines Besuchs des chinesischen Außenministers in Berlin. Das war allerdings vor einem Jahr, als die FDP noch in der Opposi­tion war. »Zusammenarbeit mit China ja, Unterordnung nein«, lautete damals Lindners Devise.

Zu einen möglichen diplomatischen Boykott der Winterspiele hat er sich noch nicht positioniert. Dafür meldete sich die FDP-Politikerin Nicola Beer, eine Vizepräsidentin des Europaparlaments, umso deutlicher zu Wort. Die Europäische Union sollte »nicht nur im Windschatten der USA bleiben, sondern sich selbst für die Einhaltung von Menschenrechten auf die Hinterbeine stellen und sich für einen gänzlichen Boykott der Winterspiele aussprechen«, sagte sie vergangene Woche.

Die neue Haltung zu China ist bemerkenswert, weil die wirtschaftlichen Beziehungen in der Vergangenheit stets Vorrang vor menschenrechtlichen Bedenken hatten. China ist nach den USA mittlerweile der wichtigste Handelspartner deutscher Unternehmen. Im vergangenen Jahr lieferten sie Waren im Wert von fast 96 Milliarden Euro in die Volksrepublik. Insbesondere deutsche Maschinenhersteller und Autokonzerne sind stark vom chinesischen Markt abhängig. Für Daimler und BMW ist China der weltweit wichtigste Markt.

Die Begeisterung über den chinesischen Wachstumsmarkt hat in der jüngsten Vergangenheit allerdings einige Dämpfer erhalten. Die jüngsten ­Beschlüsse der chinesischen Regierung zu Litauen dürften europäische Regierungen verstört haben. Seit das osteuropäische Land eine diplomatische Vertretung in der »abtrünnigen Provinz« Taiwan eröffnet hat, blockiert China alle Importe aus Litauen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wünscht sich jedenfalls einen »klareren und selbstbewussteren Kurs« gegenüber China, auch auf die Gefahr hin, dass es zu wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen kommt. »Wer in China Geschäfte macht, ist über­proportional hohen politischen Risiken ausgesetzt«, sagte BDI-Geschäftsführer Wolfgang Niedermark der FAZ. So hatten deutsche Wirtschaftsverbände im Sommer das geplante Investitions­abkommen zwischen der EU und China heftig kritisiert. Ein wichtiger Grund dafür war, dass sich die chinesische Regierung in dem Vertrag vorbehält, die Leitung der Büros von Nichtregierungs­organisationen in die Hände chinesischer Staatsbürger zu legen. Davon wären auch deutsche Wirtschaftsverbände betroffen gewesen. Die eigentlich weitgehend abgeschlossenen Verhandlungen über das Abkommen sind seitdem unterbrochen.

Dass die EU künftig selbst­bewusster auftreten will, zeigt sich unter anderem in ihrer im September ver­öffentlichten Indopazifik-Strategie. Darin kritisiert die EU-Kommission die chinesische Regierung und kündigt eine intensivere Zusammen­arbeit mit Australien, Japan und Südkorea an. »Demokratische Werte und Menschenrechte werden durch autoritäre Regime bedroht«, heißt es in dem Strategiepapier.

Die Zusammenarbeit mit Staaten aus dem indopazifischen Raum war auch eines der zentralen Anliegen Baerbocks auf dem G7-Treffen am Wochenende in Liverpool. Sie forderte, die G7-Staaten müssten ihre verschiedenen Initiativen besser verknüpfen und ein alternatives Angebot zur sogenannten Neuen Seidenstraße entwerfen, mit der China In­frastrukturprojekte finanziert und sich zugleich politischen Einfluss erkauft.

Ein solches Alternativprojekt hat die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang des Monats vorgestellt. Im Zuge der EU-Initiative »Global Gateway« sollen in den kommenden sechs Jahren bis zu 300 Milliarden Euro in die Infrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern investiert werden.

Auch wenn der Ton nicht mehr ganz so konziliant ausfällt, ist ein Zerwürfnis zwischen Deutschland und China unwahrscheinlich. Der chinesische Markt ist für die deutschen Unternehmen schlicht zu wichtig. Umgekehrt ist China mehr denn je auf deutsche Hochtechnologie angewiesen, seit die US-Regierung es amerikanischen ­Firmen verboten hat, mit wichtigen chinesischen Technologiefirmen ­zusammenzuarbeiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll der Wirtschaftswoche zufolge bereits Mitte Oktober über den EU-Ratspräsidenten Charles Michel an Xi Jinping ausgerichtet haben, dass sich unter seiner Führung an der deutschen China-Politik nicht viel ändern werde. Auf Nachfrage bestätigte Scholz dies nicht. Doch sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich in der vergangenen Woche im Deutschlandfunk, die deutsche Außenpolitik werde nicht allein von der grünen Außenministerin, sondern »insbesondere im Kanzleramt« gesteuert. Daraufhin kritisierte der Grünen-Abgeordnete Nouripour, »das Auswärtige Amt so herabzusetzen«, sei eine »überkommene ›Koch-Kellner-Logik‹«.

Neben China könnte auch Russland zu Konflikten in der Ampelkoalition führen. Als Spitzenkandidatin der Grünen hatte Annalena Baerbock die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 stets abgelehnt, die Erdgas von Russland nach Deutschland leiten soll. Scholz und die SPD waren dafür. Im Koalitionsvertrag wurde die Pipeline nicht erwähnt, dort findet sich lediglich der Satz, dass für Energieprojekte europäisches Energierecht gelte. Am Montag dieser Woche teilte Baerbock nun mit, dass die Pipeline derzeit nicht genehmigt werden könne. Einer der Gründe dafür sei eine Absprache zwischen den USA und der vorherigen Bundesregierung, der zufolge »bei weiteren Eskalationen diese Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte«. Damit ­bezog sich Baerbock wohl auf die angespannte Lage an der russisch-ukrainischen Grenze.