Viele große deutsche Industrie­unternehmen sind in der Provinz Xinjiang aktiv

Absatzmarkt und Konkurrent

Kommentar Von Tomasz Konicz

China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, und auch in der Region Xinjiang sind zahlreiche deutsche Konzerne aktiv. Gleichzeitig wird China immer mehr als Rivale erachtet.

Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind von Konkurrenz und Kooperation zugleich geprägt. Noch kurz vor dem Amtsantritt Joe ­Bidens hatte die Regierung von Angela Merkel beispielsweise zum Verdruss der US-Regierung den Abschluss von EU-Verhandlungen mit China über ein Investitionsabkommen durchgesetzt, um sich den Zugang zu einem der wichtigsten Absatzmärkte der deutschen Exportindustrie dauerhaft zu sichern. Doch nachdem die EU vier chinesische Staatsfunktionäre wegen der Unterdrückung der Uiguren mit Sanktionen belegt hatte, konterte China im Mai vergangenen Jahres mit eigenen Sanktionen unter anderem gegen ­EU-Parlamentsmitglieder. Die Ratifizierung des Investitionsabkommens durch das EU-Parlament steht derzeit nicht mehr auf dem Programm.

China war mit einem Handelsvolumen von mehr als 213 Milliarden Euro im Jahr 2020 zum fünften Mal in Folge der wichtigste Handelspartner Deutschlands, wobei das deutsche Handelsdefizit 25,1 Milliarden Euro betrug. Chinas Bestrebungen, die Unabhängigkeit des eigenen Wirtschaftsraums zu steigern und seine Unternehmen dabei zu unterstützen, in den Wertschöpfungsketten aufzusteigen, sich also vom Auftragsfertiger zum Produktkonkurrenten zu entwickeln, sorgt bei deutschen Industrieunternehmen seit Jahren für Ängste, sie könnten ihren technologischen Vorsprung vor der chinesischen Konkurrenz verlieren. Derzeit ist es die Null-­Covid-Strategie Chinas, die Unmut in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hervorruft. Sie störe Lieferketten und sei »Sand im ­Getriebe des Welthandels«, kritisierte kürzlich Stefan Kooths, der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Seit Jahren wollen die USA den Westen im Konflikt mit China klarer auf ihre Seite bringen, auch unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden. In der neuen Bundesregierung setzen sich vor allem die Grünen dafür ein, sich bei dieser Auseinandersetzung eindeutiger an die Seite der USA zu stellen als bisher. Die schärfer werdende Kritik an deutschen Konzernen wie Adidas, BASF, Bosch, Siemens und Volkswagen, die in Xinjiang produzieren, ist Teil dieser Debatte. Zahlreiche internationale Unternehmen besitzen Medienberichten zufolge Fabriken, die sich in der Nähe von Internierungslagern befinden, oder verarbeiten Produkte von Zulieferern, die Zwangsarbeiter beschäftigen. Das ab 2023 in Kraft tretende deutsche Lieferkettengesetz, bei dessen parlamentarischer Beratung die Bundestagsfraktion der Grünen im vergangenen Jahr ein Gutachten zu den Aktivitäten deutscher Industriebetriebe in Xinjiang anfertigen ließ, nimmt große Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschutzverstöße bei ihren Zulieferern in Verantwortung. Faktisch hat das – ebenso wie die EU-Pläne für Klimazölle – die Folge, dass es für internationaler Konzerne schwieriger wird, in bestimmten Ländern zu produzieren, und Investitionen langfristig in anderen Länder getätigt werden könnten. So fügt sich die Kampagne gegen die Zwangsarbeit in Chinas Industriegefängnissen in die Maßnahmen zur Schwächung der chinesischen Wirtschaft.