Ein-, Aus- und Rücktritte bei AfD und CDU

Hauptsache treten

Kommentar Von Markus Liske

Mit einer aufsehenerregenden Reihe von Ein-, Aus- und Rücktritten zeigten CDU und AfD in der vorigen Woche, dass ihr Beziehungsstatus kompliziert bleibt.

Es war schon großes Theater, was das schwarz-braun-blaue Grenzgängerensemble bei CDU und AfD in der vergangenen Woche zur Aufführung brachte, wenn auch zunächst etwas verwirrend. Erst nominierte die AfD den Vorsitzenden der rechtskonservativen Werteunion, Max Otte (CDU), für die Bundespräsidentenwahl. Dieser nahm dankend an, woraufhin der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn einleiten ließ. Dann trat der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen (CDU) – dessen eigener Parteiausschluss gerade erst von der Jungen Union gefordert worden war – aus der Werteunion aus, und schließlich Jörg Meuthen aus der AfD, deren Co-Vorsitzender er bis dato gewesen war. Das wiederum nahm die 2017 aus der CDU ausgetretene frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und derzeitige Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, zum Anlass, in die AfD einzutreten. Und schließlich trat noch Max Otte vom Vorsitz der Werteunion zurück. Mitglied will er allerdings bleiben, auch in der CDU.

Damit nicht genug der mäandernden Handlungsstränge des Stücks: Vorsitzender des Kuratoriums der Desiderius-Erasmus-Stiftung war nämlich drei Jahre lang – genau: Max Otte. Zuvor war er 2017 kurz nach Steinbachs Austritt aus der CDU in den parteinahen Verein Werteunion eingetreten und hatte 2021 dann dessen Vorsitz übernommen, als sein Vorgänger Alexander Mitsch hinwarf. Selbiger Mitsch wiederum, der seit ihrer Gründung 2017 Vorsitzender der Werteunion gewesen war, hatte ein Jahr zuvor, im Februar 2020, die Skandalwahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum thüringischen ­Ministerpräsidenten, bei der die CDU gemeinsam mit der AfD abstimmte, ausdrücklich begrüßt. Öffentlich lehnte Mitsch zwar eine Zusammenarbeit von Werteunion und AfD stets ab, zugleich aber hatte er eine Annäherung des Vereins an die AfD betrieben, wegen der im Herbst 2020 gleich mehrere Mitglieder des Bundesvorstands austraten. Im Sommer 2021 war es dann an Mitsch, auszutreten. ­Offizieller Grund: die Forderung von Nachfolger Otte, Friedrich Merz, den die Werteunion bis dahin unterstützt hatte, wegen seiner Lobbytätigkeiten kein Staatsamt mehr ausüben zu lassen.

Möglicherweise war dies Ottes Versuch gewesen, die Werteunion künftig noch stärker auf Gemeinsamkeiten mit der AfD auszurichten – ein Kurs, der CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen eigentlich hätte gefallen können. Bereits als Präsident des Bundesverfassungsschutzes hatte der ja gern die Nähe zur AfD gesucht. Ihm wird sogar vorgeworfen, die Partei darüber beraten zu haben, wie sie einer Beobachtung durch seine Institution entgehen könne. Aber da Maaßen damals innerparteilichen Widerspruch gegen seine Bundestagskandidatur in Thüringen erntete und ausgerechnet Merz ihm beisprang, sah er sich nach Ottes Wahl zum Vorsitzenden wohl gezwungen, seine Mitgliedschaft in der Werteunion »ruhen zu lassen«. Anfang des Jahres wurde die Kritik in der CDU noch heftiger, als Maaßen eine impfgegnerische Botschaft des Mikrobiologen Sucharit Bhakdi geteilt hatte, gegen den wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Die Junge Union forderte daraufhin seinen Parteiausschluss, und erneut sprach sich Merz dagegen aus. Wohl auch deshalb brach Maaßen nun ganz mit der Werteunion.

Bis hierhin lässt sich der vertrackte Plot noch gut auf einen Punkt bringen: Wie schon mit der Wahl Kemmerichs ist es der AfD auch mit der Nominierung Ottes gelungen, die CDU vorzuführen, um an ihrem rechten Rand zu fischen – wäre da nicht Meuthens Parteiaustritt, ausgerechnet im Augenblick des Triumphs. Denn auch wenn dessen Behauptung, er verlasse die Partei wegen ihres »immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmteren« Kurses, barer Unfug ist, der nur kaschieren soll, dass ihm inzwischen einfach die Machtbasis für eine Wiederwahl fehlt, überschattet sein Abgang doch den schönen Erfolg. Zumal sich so manches bürgerliche Medium nicht zu schade ist, Meuthens bloße Selbstschutzlegende mit Schlagzeilen wie »Ein gescheiterter Reformer tritt ab« (Die Zeit) zu stützen. Der AfD-Bundessprecher Stefan Brandner bringt es da eher auf den Punkt, wenn er an Meuthens Vorgänger Bernd Lucke und Frauke Petry erinnert: »Das haben wir schon dutzendfach erlebt, dass Leute, die Karriere in der AfD gemacht haben, dass die plötzlich nicht mehr weiterkommen (…) und dann kommt immer dieses Rechts-Gedöns.«

Bleibt die Frage, wem dieses ganze Rück-, Ein- und Austreten letztlich eigentlich genutzt hat. Die Antwort: wahrscheinlich allen. Der blasse Ökonom Otte darf ein bisschen ins Rampenlicht. Merz kann sich als Fels der »bürgerlichen Mitte« in der CDU inszenieren und muss dafür nicht mal mit Maaßen brechen. Meuthen hängt gutdotiert noch ein wenig im EU-Parlament ab, während er seine Rückkehr als Uni-Dozent vorbereitet, und Björn Höcke kann wohl einen treueren Gefolgsmann an seine Stelle setzen. Ein schwarz-braun-blaues Happy End, das sogar ein bisschen was fürs Gemüt bietet. Ein neues Zuhause nämlich für die ewig heimatvertriebene Erika Steinbach. Lied der Deutschen, erste Strophe. Vorhang.