Die U.S. Space Force soll den Weltraum sichern

Die Wächter und der Schrott

Auch unter Joe Biden strebt die US-Regierung eine »verteidigungsfähige Architektur« im Weltraum an. Es geht vor allem um den Schutz der Satellitennetzwerke.

Der General blickt ernst in die Kamera: »Der Weltraum hat sich verändert.« Ehemals friedlich, sei er nun »eine Domäne des Kriegs«, verantwortlich dafür seien »die Aktivitäten unserer Gegner oder Herausforderer, oder wie auch immer man sie nennen möchte«. Man konzentriere sich deshalb auf die Entwicklung einer »verteidigungsfähigen Architektur« im Weltraum, die es nicht nur im Orbit aufzubauen gelte – auch auf anderen Himmelskörpern müssten US-Raumfahrtaktivitäten ­geschützt werden können.

Was sich wie ein wenig originelles Filmskript liest, ist bizarre Realität. General John W. Raymond ist der militä­rische Befehlshaber der seit Dezember 2019 bestehenden Space Force, der Weltraumstreitkräfte der USA. Über die Bilanz und die zukünftigen Pläne sprach Raymond Mitte Januar in einem Forum des Center for Strategic and International Studies (CSIS). Die Space Force zähle derzeit schon mehr als 13 500 Mitglieder – die guardians genannt werden – und es gebe lange Wartelisten.

Die Streitkräfte stellen bewusst Bezüge zur Science-Fiction her, um ihren Hegemoniebestrebungen Glanz zu verleihen.

Die Militarisierung des Weltraums findet derzeit wenig Beachtung. Das liegt sicherlich daran, dass Kriege und Kriegsgefahren auf der Erde bedrohlicher erscheinen, aber wohl auch an dem von Alvin Toffler und Adelaide Farrell schon 1970 konstatierten future shock – gemeint ist die desorientierende Wirkung allzu rasch erfolgender Veränderungen. Dass Streitkräfte bewusst Bezüge zur Science-Fiction herstellen, um ihren Hegemoniebestrebungen Glanz zu verleihen, kann hingegen als sicher gelten.

Die Bezeichnung guardians erinnert an die »Guardians of the Galaxy« von Marvel, die Uniformen der Space Force sind an »Battlestar Galactica« angelehnt, das Logo ist dem von »Star Trek« nachempfunden. Bereits im ersten Jahr ihres Bestehens wurde die neue Streitkraft durch eine gleichnamige Netflix-Serie parodiert. Dass der damalige US-Präsident Donald Trump das Projekt protegiert hat, um sein ultranationalistisches »America First«-Programm auch im Weltraum zu forcieren, hatte schon vor der Gründung der Space Force zu zahlreichen Memes angeregt. Doch die Militarisierung des Weltraums ist kein Hirngespinst Trumps und auch kein ausschließlich US-ame­rikanisches Bestreben. Auf absehbare Zeit dürfte diese Militarisierung aber ­allein im erdnahen Orbit stattfinden.

Erklärtes Ziel des neuen Wettrüstens sind Kontrolle und Schutz der Satellitennetzwerke. Diese übertragen mittlerweile für militärische und zivile Zwecke unentbehrliche Daten, von GPS- und Wetterinformationen bis hin zu den Transaktionsdaten von Geldautomaten. Derzeit sind dem Outer Space Institute zufolge über 7 600 inaktive und aktive Satelliten um die Erde unterwegs, doch diese Zahl dürfte bald erheblich steigen. Allein das Projekt »Starlink« des Unternehmens SpaceX sieht mehr als 40 000 Satelliten vor, durch Amazons »Projekt Kuiper« und das chinesische »Starnet« würden mindestens 15 000 weitere dazukommen. Doch die Satellitennetze sind verwundbar.

Neben den USA sind es vor allem Russland und China, die ihre offensiven Kapazitäten in diesem Bereich ­ausbauen. Russland experimentiert jetzt schon in Kriegsgebieten erfolgreich mit Technologien, die unter anderem die GPS-Datenübertragung stören können. Im November mussten Astronautinnen der International Space ­Station kurzzeitig wegen der Folgen eines russischen Tests in ihre Rettungskapseln steigen. Nachdem eine Langstreckenrakete einen staatseigenen ­Satelliten im Testlauf zerstört hatte, drohten dessen Fragmente mit der Raumstation zu kollidieren.

Nationale Konkurrenz im Weltraum ist nichts grundsätzlich Neues, die ersten Satelliten dienten überwiegend militärischen Zwecken. Erst durch die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien stieg die Zahl ziviler Satelliten rasant an – doch der Schutz der mit ihnen betriebenen Systeme gilt nun als Frage der nationalen Sicherheit. Dass militärische und privatwirtschaftliche Interessen in den USA immer weniger getrennt werden, hat auch damit zu tun, dass derzeit vornehmlich Privatunternehmen Raketen entwickeln und bauen. Die Space Force will »den kommerziellen Sektor nutzen«, sagt General Raymond. Ausrüstung der US-Streitkräfte soll zukünftig von den Raketen von US-Konzernen transportiert werden. SpaceX und Jeff Bezos’ Blue Origin haben bereits Zusagen für Verträge über 100 Millionen US-Dollar für militärlogistische Aufgaben bekommen.

Auch wenn etwa die Hälfte der guardians Soldaten sind, trainieren diese vermutlich nicht für den Kampf im Weltraum. Dieser wäre technisch sehr aufwendig und zudem überflüssig, da Satelliten vom Boden aus wesentlich einfacher zerstört werden können – nicht mit futuristischen Waffen, sondern durch ein kinetisches Projektil nach Art herkömmlicher panzerbrechender Waffen, wie China in einem Test bereits 2007 bewies. Damit geht jedoch ein ­anderes Problem einher, vor dem der Nasa-Forscher Donald Kessler bereits 1978 warnte: Weltraumschrott.

Das nach ihm benannte Kessler-Syndrom beschreibt den Zerfall von kaputten Satelliten und anderem Abfall in eine immer größer werdende Wolke von Kleinteilen. Diese könnte irgendwann so dicht werden, dass sie die bemannte und unbemannte Raumfahrt im Orbit unmöglich macht. Dass dieser Zustand auch aufgrund internationaler Zusammenarbeit noch nicht eingetreten sei, lobte Kessler 2009, er warnte jedoch vor »aggressiven Weltraumaktivitäten ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen«.

Wegen der unberechenbaren Streuwirkung stellen jedoch Kollisionen auch bei privaten Satellitennetzen eine besonders große Gefahr dar. Raymond erwähnte auch dieses Problem und versprach, US-Astronauten davor zu schützen. Schrottsammler für den Einsatz im Orbit bildet die Space Force ­allerdings derzeit nicht aus.