Sollte man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ver­teidigen?

Rechts gegen öffentlich

Die britische Regierung hat kürzlich angekündigt, sie werde 2027 die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt BBC einstellen. In Deutschland fordert die AfD, den Rundfunkbeitrag abzuschaffen, CDU-Politiker wollen das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender verringern.

Beitrag gegen autoritäre Rechte

Das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist zu einem Großteil fragwürdig. Dennoch gibt es gute Argumente für die Erhebung des Rundfunkbeitrags.

Von Bernhard Torsch

Man sollte für den Rundfunkbeitrag sein, denn Marktfetischisten und andere Totengräber der Zivilisation sind dagegen. ARD und Co. sollte man sozusagen aus Trotz ihre zwangsweise einkassierten Gelder gönnen, da einem außer Trotz wider das Schlimme und Schlimmste nicht mehr viel bleibt, und natürlich auch wegen der Kulturradiosender. Und weil man ein Herz für Menschen haben sollte, die bei anderen Unternehmen kaum Stellen fänden, die in Sachen Bezahlung und Arbeitsbedingungen mit denen mithalten könnten, die sie derzeit als Redakteurinnen, Redaktionsassistenten, Direktorinnen und Portiere beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben.

Privatfernsehen und soziale Medien eignen sich besser für rechte Demagogie als für linke Aufklärung.

Die Kritik am Rundfunkbeitrag ist so alt wie das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Runfunks selbst. Bereits René Goscinny ließ in »Asterix bei den Schweizern« einen römischen Steuereintreiber auftreten, der die Bevölkerung unter anderem für »das Recht, den öffentlichen Ausrufern zuzuhören«, eine Gebühr zu zahlen zwang.

Linke äußern selten Einwände gegen den Rundfunkbeitrag von derzeit 18,36 Euro pro Monat, obwohl es allerlei zu bemängeln gäbe. Ob die Regelung »ein Haushalt, eine Gebühr« fair für Singles ist, könnte man mit Fug in Frage stellen. Auch dass Menschen, deren Einkommen mehr als 18,36 Euro über dem Geldbetrag liegt, der ihnen zustünde, wenn sie Sozialleistungen bezögen, sich nicht vom Rundfunkbeitrag befreien lassen können, erscheint fragwürdig. Für sie sind 18,36 Euro ein Haufen Geld.

Zum Programm der Sender nur dies: Auch der Autor zahlt ungern eine Gebühr für ein zum Großteil boulevardeskes Verblödungsfernsehen, das in seinen Frühstückssendungen seit Jahrzehnten esoterischem Schwachsinn eine Bühne bietet, sich gegen die Öde seiner Kabarettsendungen nicht anders zu helfen weiß, als Judenwitz-Erzählerinnen auftreten zu lassen, und ansonsten gerne Krimis drehen lässt, deren Botschaft fast immer ist, dass »die da oben« reichlich verkommen, ja mörderisch kriminell seien.

Rechte Agitatoren sind hingegen schon lange gegen Rundfunkgebühren. Seit der Zulassung des Privatfernsehens ist rechte Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur lauter geworden, weil das im Interesse privater Medienkonzerne ist. Sie stößt auch nach wie vor auf Resonanz bei den geistig Armen, an die sie sich schon immer richtete. Wer sogar für »Tatort« und »Wirtshausmusikanten beim Hirzinger« zu blöd ist, stört sich nicht an ständigen Werbeunterbrechungen, solange er Skripted-Reality-Müll zu sehen bekommt.

Die heutige autoritäre Rechte will nicht mehr das sogenannte Staatsfernsehen unter ihre Kontrolle bringen, wahrscheinlich, weil sie weiß, dass am Gewinn orientierte Medien ohnehin viel stärker als öffentlich-rechtliche jene massenpsychologischen Defizite fördern, die den entsprechenden Parteien nützen. Lasse die Massen lange genug Real-Crime-Panikmache sehen, halte sie mit stumpfen Freak-Shows à la »Dschungelcamp« vom Denken ab und setze ihnen verächtliche Sozialpornos vor, und fertig ist ein Donald Trump als Präsident!

Das ist natürlich vereinfacht und lässt die Rolle der sogenannten sozialen Medien außen vor. Dennoch war und ist das erklärte Ziel rechtskonservativer und rechtsextremer Bewegungen, guten Journalismus, der ohne finanzielle Unabhängigkeit nicht zu haben ist, zurückzudrängen. Mit den sozialen Medien hat das insofern etwas zu tun, als diese, ähnlich wie private Fernsehsender, nur ihren Eigentümern und Aktionärinnen Rechenschaft schulden.

Privatfernsehen und soziale Medien eigenen sich besser für rechte Demagogie als für linke Aufklärung, denn es geht ihnen um Einschaltquoten und Klicks. Und was wird wohl von beidem mehr bringen: ein Fernsehdrama über transsexuelle Leuchtturmwärterinnen oder der zur einmaligen Heldentat hochgejazzte Fallschirmsprung aus der Stratosphäre? Privatfernsehen und soziale Medien machen Dumme dümmer, und das hilft autoritären rechten Politikern und deren Financiers. Im Idealfall von tagespolitischen Launen unabhängige Medien mit kompetenten Redaktionen, wie man sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk findet, haben hingegen wenigstens das Potential, neben unzensierten Nachrichten auch ein bisschen Bildung unter die Leute zu bringen.

 

Überschätzt und viel zu groß

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland sollte stark umgestaltet werden.

Von Stefan Laurin

Einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach dem Vorbild der britischen BBC aufzubauen, war nach dem Ende des Nationalsozialismus wichtiger Bestandteil der Reeducation-Politik der Westalliierten. Nicht nur die Verlage, Radiosender und Filmvertriebe des NS-Staats taugten nicht als Grundlage zum Aufbau demokratisch orientierter Medien; Ähnliches galt auch für die nach 1933 gleichgeschaltete privatwirtschaftlich betriebene Publizistik.

Doch all das ist lange her: Ob Print, online, Fernsehen oder Radio – alle großen und auch der mit Abstand größte Teil der kleinen Medien in Deutschland sind demokratisch orientiert, arbeiten journalistisch seriös und geben sich Mühe, ihrem Publikum ein gutes Angebot zu liefern.

Die öffentlich-rechtlichen Medien nutzen ihre finanziellen Vorteile kaum, um eigene, innovative Formate zu schaffen.

Die privaten Anbieter stehen, das unterscheidet sie vom öffentlich-­rechtlichen Rundfunk, nicht unter öffentlicher Kontrolle: Von Bild bis Zeit, von Jungle World bis Welt, von RTL über Flux FM bis Radio Bob – bei all diesen Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern haben Parteien, Kirchen und Verbände nichts zu sagen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wählen die von diesen Organisationen entsandten Rundfunkräte hingegen die Intendanten und bestimmen mit bei der Besetzung anderer wichtiger Posten.

Man könnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Bundesrepublik abschaffen oder privatisieren, ohne dass Vielfalt und Seriosität der Medien sich spürbar verringern würden. Aber die Diskussion darüber ist müßig, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat Verfassungsrang. Es geht also um eine Reform der öffentlich-rechtlichen Sender, und die sollte folgendes Ergebnis haben: Es sollte nur noch einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender geben, mit einem bundesweiten Fernsehprogramm, ergänzt durch Zeitfenster mit regionaler Berichterstattung, dazu noch ein Kinderprogramm, das wäre ausreichend. Ähnliches sollte für die öffentlich-rechtlichen Radiosender gelten: Anstelle Dutzender Schlager-, Jugend- und Wischiwaschisender sollte es in jeder Sparte nur ein bundesweites Angebot mit regionalen Fenstern geben. Das alles sollte natürlich auch online live und über Mediatheken ab­rufbar sein.

Es geht nicht nur darum, Geld zu sparen. Eine solche Reform würde auch dafür sorgen, dass private Anbieter nicht wirtschaftlich von Konkurrenten unter Druck gesetzt werden, die durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden – was man als unlauteren Wettbewerb bezeichnen könnte. Denn ihre finanziellen Vorteile nutzen die öffentlich-rechtlichen Anstalten kaum, um eigene, innovative Formate zu schaffen. Häufig kopieren sie bloß, was private, teils kleine, unabhängige Online-Anbieter, entwickelt haben, und drängen diese dann mit ihrer – nur durch die Gebührenfinanzierung ermöglichten – Marktmacht an den Rand.

Sicher, private Angebote kosten meist Geld. Nicht jeder kann sie sich leisten. Allen, die es nicht können, könnte der Staat zweckgebundene Gutscheine aushändigen. Dann hätte jeder die Möglichkeit, sich zu entscheiden, welche ­Medien er finanziell unterstützt: Netflix und die Jungle World oder lieber den Sport-Streamingdienst Dazn und ein lokaljournalistisches Blog?

Zu diesem Vorschlag passt, dass die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag schreibt: »Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus«, denn damit ist vermutlich gemeint, dass man die Gemeinnützigkeit nichtkommerzieller Medien im Steuerrecht festschreiben will. Das würde neue Möglichkeiten der Finanzierung kleiner, unabhängiger Medien eröffnen.

Ein möglichst vielfältiges Medienangebot ist der beste Schutz für die Demokratie. Die vor einigen Jahren von Jörg Schönenborn, dem damaligen Chefredakteur Fernsehen des WDR, aufgestellte Behauptung, der Rundfunkbeitrag sei eine Art »Demokratieabgabe«, ist nichts als PR. Mobilisierungserfolge von Pegida, gute Wahlergebnisse für die AfD, Großdemonstrationen von Impfgegnern und Telegram-Kanäle voller fake news konnten die öffentlich-rechtlichen Sender jedenfalls nicht verhindern.

Die wichtigste Frage der Medienpolitik ist nicht, wie die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestaltet wird. Die wichtigere Frage ist, wie sichergestellt werden kann, dass den Menschen eine große Auswahl an seriösen Medienangeboten zur Verfügung steht, und das möglichst unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten werden dabei eine Rolle spielen, aber man sollte diese nicht überschätzen.