Das Album »Warm Chris« von Aldous Harding

Neue Leichtigkeit

Platte Buch Von Louisa Zimmer

<p>Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, die Songs auf Aldous Hardings viertem Album »Warm Chris« seien jeweils von unterschiedlichen Interpretinnen eingesungen worden.</p>

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, die Songs auf Aldous Hardings viertem Album »Warm Chris« seien jeweils von unterschiedlichen Interpretinnen eingesungen worden. So vielfältig setzt die neuseeländische Sängerin ihre Stimme auf den zehn Tracks ein. In einem Interview mit dem Musik­magazin Pitchfork beschrieb sie jüngst, dass sie ihre Stimme wie ein Instrument benutze. Dabei sieht sie sich als »Song-Schauspielerin«, eine klassische Bandbesetzung sei für sie wenig interessant. Tatsächlich fällt die Instrumentation auf »Warm Chris« spärlich aus, einziges Melodieinstrument ist das Piano, Gesang und Text beherrschen das Album.

Harding intoniert ihre vertrackten Songtexte über Beziehungen mit Leichtigkeit und enormem Stimmumfang. Auf »Lawn« klingt sie mit überzogenem Falsett eher unbeschwert, auf ­»Fever« dank ihres warmen Tim­bres wie eine gestandene Folkchanteuse. Besonders bemerkenswert ist, wie sie innerhalb weniger Intervalle konträre Personae kreiert. Auf »Leathery Whip«, dem letzten Titel des Albums, changiert sie zwischen verschiedensten Intonationen. ­Anfangs singt sie in betörend tiefer Stimmlage, anschließend wechselt sie in eine Art kindlicher Kopfstimme. Im Refrain des Songs überlagern sich sowohl die Stimmlagen als auch die jeweilige Instrumentation. Fast schon hypnotisierend wiederholen die unterschiedlichen Stimmen Hardings stets dieselbe Zeile: »Here comes life with his leathery whip«. Nach diesem Finale stellt man sich die Frage: Wie klingt die ursprüngliche Gesangsstimme Hardings? In dem Pitchfork-Interview offenbarte die Sängerin, dass sie das selbst nicht mehr wisse. Macht nichts, schließlich ist »Warm Chris« ein ausgeklügeltes Gesangsspektakel, das zudem beweist, wie imposant moderner Folk mit nur wenigen Mitteln klingen kann. Das Label »Folk Gothic«-Sängerin dürfte Harding mit »Warm Chris« ablegen. An Tiefe mangelt es dem Album nicht, trotzdem geht der neue Sound mit einer gewitzten Leichtigkeit einher. Dabei wird Harding auch ihrem Anspruch als »Song-Schauspielerin« gerecht. Immerhin präsentiert sie auf »Warm Chris« ihren ganz eigenen Entwurf einer exzentrischen Folk-Diva.

Aldous Harding: Warm Chris (4AD)