Zwei ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete wollen wieder Recht sprechen

Rechts gerichtet

Zwei ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete sind Mitte März in ihre Richterämter in Berlin und Sachsen zurückgekehrt. Einem wurde bereits zehn Tage später die Führung der Amtsgeschäfte vorerst untersagt.

Der fünfte Platz auf der Berliner Landesliste der AfD hatte nicht gereicht. Bei der Wahl im September hatte Birgit Malsack-Winkemann nach vier Jahren im Bundestag ihr Mandat verloren. Am 14. März ist sie in ihren alten Beruf zurückgekehrt. Das Problem: Malsack-Winkemann ist Richterin am Berliner Landgericht.

Die Berliner Justizverwaltung verlautbarte, dass ihre Rückkehr ins Richteramt juristisch nicht zu verhindern gewesen sei, weil ein Recht auf Rückkehr in den Justizdienst bestehe. Für ein Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Dienst habe man nicht genügend schwere Verfehlungen gefunden.

Dabei tätigte Malsack-Winkemann während ihrer Zeit im Bundestag ­einige mehr als fragwürdige Äußerungen. In einer Bundestagsrede am 18. Mai 2018 warnte sie davor, dass das Gesundheitssystem wegen zu vieler analphabetischer Geflüchteter zu kollabieren drohe, weil diese keine Beipackzettel lesen könnten und häufig Krankenhausaufenthalte die Folge ­seien. Und am 14. September desselben Jahres forderte sie ebenfalls im Bundestag, kranke Migrantinnen und Migranten zum Schutz der »einheimischen Bevölkerung« unter Quarantäne zu stellen.

Der Fall des suspendierten Richters Maier ist relativ eindeutig, weil er selbst innerhalb der AfD am rechten Rand steht und vom Verfassungsschutz als »Rechts­extremist« eingestuft wird.

Allerdings könnten diese Äußerungen in einem Disziplinarverfahren wohl nicht berücksichtigt werden, denn Artikel 46 Absatz 1 des Grundgesetzes schließt jegliche »gerichtliche und dienstliche Verfolgung« von Abgeordneten wegen deren Aussagen im Bundestag aus, sofern sie keine »verleumderischen Beleidigungen« darstellen. Zudem ruhen die meisten Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines Beamten während der Zeit als Bundestagsabgeordneter, darunter auch das sogenannte Mäßigungsgebot. Nach diesem müssen sich Beamte jederzeit – auch außerhalb ihrer Arbeit – so verhalten, dass das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität ihrer Amtsführung nicht erschüttert wird.

Welche Pflichten trotzdem bestehen bleiben, ist rechtlich umstritten. Mehrheitlich gehen Juristen jedoch davon aus, dass zumindest die Treuepflicht von Beamten weiter gilt. Diese umfasst auch das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sollten also verfassungsfeindliche Äußerungen von Malsack-Winkemann bekannt werden, die sie nicht im Bundestag getätigt hat, wäre das möglicherweise ein Ausgangspunkt für ein Disziplinarverfahren. Derlei Verfehlungen sind bislang nicht öffentlich bekannt. Immerhin hat sich die Berliner Justizverwaltung die Möglichkeit vorbehalten, weitere Schritte gegen die Richterin einzuleiten. Dabei dürfte sie auch berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz die AfD nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln von Anfang März als rechtsextremen Verdachtsfall führen darf. Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, dürfte es den Rechtfertigungsdruck auf Beamte erhöhen, die AfD-Funktionäre waren und sind.

Malsack-Winkemann ist nicht die erste AfD-Politikerin, die in ein Richteramt zurückkehren möchte. Auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der sich selbst gerne als »kleiner Höcke« bezeichnet, war seit dem 14. März wieder als Amtsrichter im sächsischen Dippoldiswalde ­tätig, bevor ihm das Dienstgericht für Richter von Sachsen nur zehn Tage später vorläufig die Führung seiner Amtsgeschäfte untersagte. Der Fall Maier ist eindeutiger, weil er selbst innerhalb der AfD am rechten Rand steht und vom Verfassungsschutz als »Rechtsextremist« eingestuft wird. Maier war von 2019 bis zu dessen offizieller Auflösung im April 2020 Obmann des völkischen »Flügels« der AfD und fiel immer wieder durch einschlägige Kommentare auf. So beklagte er 2017 in einer Rede die »Herstellung von Mischvölkern«, die Auslöschung nationaler Identitäten und einen gegen Deutschland gerichteten »Schuldkult«. Auf einer Veranstaltung des extrem rechten Magazins Compact behauptete er der SPD-Parteizeitung Vorwärts zufolge, der norwegische Rechtsterrorist Anders Behring Breivik sei »aus Verzweiflung« über zu viel Einwanderung »zum Massenmörder geworden«.

Eine Vielzahl von mutmaßlich verfassungsfeindlichen Äußerungen – und damit Verstößen gegen die Treuepflicht von Beamten – könnten dazu führen, dass Maier am Ende des derzeit laufenden Disziplinarverfahrens dauerhaft aus dem Dienst entfernt wird. Für dessen Erfolgsaussichten spricht zudem, dass Maier auch Aussagen aus dem Bundestagswahlkampf 2017 vorgeworfen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand sein Dienstverhältnis noch, weshalb damals auch noch das Mäßigungsgebot für ihn galt. Über das Disziplinarverfahren hinaus hat das sächsische Justizministerium zudem einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gestellt.

Eine weitere Möglichkeit zur Entfernung aus dem Richteramt wird zurzeit mit der sogenannten Richteranklage diskutiert. Hierfür muss ein Parlament – im Fall Maier der sächsische Landtag – mit einer Zweidrittelmehrheit die Versetzung eines Richters in den Ruhestand beantragen, wenn dieser sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsrechtliche Ordnung gerichtet hat. Über den Antrag müsste dann das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Voraussetzungen sind also anspruchsvoll und nicht jedes Verhalten, das gegen die Grundsätze der Verfassung verstößt, genügt für eine erfolgreiche Richteranklage. Es gibt sie zudem nicht in allen Bundesländern. In Berlin ist sie beispielsweise derzeit nicht möglich, deshalb scheidet diese Option im Fall Malsack-Winkemann aus.

Entscheidend ist letztlich jedoch nicht, auf welchem Weg extrem Rechte vom Richterstuhl ferngehalten werden, sondern das Ziel, dass niemandes Schicksal vor Gericht von einem Richter abhängt, der den Wert eines Menschen an dessen Hautfarbe, Nationalität oder politischer Einstellung festmacht. Von niemandem kann man erwarten, auf die Neutralität von Richtern zu vertrauen, die jahrelang ihre extrem rechten Vorurteile öffentlichkeitswirksam zum Besten gegeben haben. Und Jens Maier und Birgit Malsack-Winkemann dürften nicht die letzten AfD-Abgeordneten sein, die nach Ablauf ihres Mandats wieder Amtsbefugnisse bekommen wollen.