Der türkische Kulturmäzen ­Osman Kavala wurde zu lebenslanger Haft verurteilt

Erdoğans Attentat

Porträt Von Nicole Tomasek

<p>Nun also lebenslang. Am Montagabend hat ein Gericht in Istanbul den türkischen Kulturmäzen Osman Kavala zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt.</p>

Nun also lebenslang. Am Montagabend hat ein Gericht in Istanbul den türkischen Kulturmäzen Osman Kavala zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt. Das bedeutet für den 64jährigen Isolationshaft ohne Möglichkeit auf Bewährung. Ihm wird der versuchte Sturz der Regierung im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Weitere sieben Mitangeklagte, die wie der Geschäftsmann der Protestbewegung nahestanden, wurden am Montagabend wegen Beihilfe zum Umsturzversuch ebenfalls verurteilt, jeweils zu 18 Jahren Haft, und kamen direkt ins Gefängnis. Dort sitzt Kavala bereits seit seiner Festnahme am 18. Oktober 2017. In einem ersten Prozess war er im Februar 2020 zwar aus Mangel an Beweisen von dem Vorwurf, Drahtzieher der Gezi-Proteste von 2013 gewesen zu sein, freigesprochen worden, doch kurz darauf erging ein neuer Haftbefehl gegen ihn, dieses Mal wegen angeblicher Beteiligung am Putschversuch vom Juli 2016 und Spionage – Kavala blieb in Untersuchungshaft und wurde nun mit einer Begründung schuldig gesprochen, die einfach beide Vorwürfe kombiniert.

Kavalas Stiftung »Anadolu Kültür« unterstützt zivilgesellschaftliche Projekte und setzt sich für Minderheiten ein. Er hat die Vorwürfe gegen ihn stets bestritten und sieht seine juristische Verfolgung als politisch motiviert. Kurz vor seiner befürchteten Verurteilung bezeichnete Kavala diese als »ein politisches Attentat auf mich durch Präsident Erdoğan unter Benutzung der Justiz«. Auch dieses Mal gab es keinerlei Beweise für seine angeblichen Umsturzpläne. Als auf »Verschwörungstheo­rien und falschen Zeugenaussagen« beruhend hatte er die Anklageschrift bei der letzten Anhörung am Freitag vergangener Woche bezeichnet. Nach der Urteilsverkündung kam es zu Protesten. Beobachterinnen bezeichneten den Prozess unter anderem als Schauprozess. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Bereits im Dezember 2019 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Kavalas umgehende Freilassung gefordert und das Verfahren gegen ihn als politisch motiviert eingestuft. Im Dezember 2021 hat der Europarat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Wie dieses ausgeht, ist allerdings unklar.