Stig Claessons Roman »Das Denkmal des Schusters« vor

Alter Schwede

Platte Buch Von Gabriele Haefs

<p>Schweden, 1967. Aus einem Land mit Linksverkehr wird eines mit Rechtsverkehr. Deshalb will der Dorfschuster Gustafsson seinen Briefkasten am Straßenrand auf die andere Seite stellen.</p>

Schweden, 1967. Aus einem Land mit Linksverkehr wird eines mit Rechtsverkehr. Deshalb will der Dorfschuster Gustafsson seinen Briefkasten am Straßenrand auf die andere Seite stellen. Aber demnächst wird er seine Werkstatt ohnehin schließen, und kommt dann überhaupt noch Post? Die jungen Leute sind weggezogen, die Bauern geben nach und nach auf, der Bus ist längst eingestellt worden.

Gustafssons Schwester Elna, die ihren Bruder und die beiden im Dorf verbliebenen Junggesellen bekocht, sagt: »Wir sind ja nur noch Denkmäler.« Aus einer Laune heraus bringt der Schuster am Briefkasten ein Hinweisschild »Denkmal!« an. Als eines Tages Touristen vor seiner Tür stehen, die das Denkmal suchen, führt er sie zur heruntergebrannten Herdstätte inmitten der überwucherten Ruine eines alten Hauses, dessen unbeliebter Besitzer namens Yngve Frej längst verstorben ist. Der Schuster behauptet, es handele sich um ein Grab aus grauer Vorzeit. Die Besucher sind ergriffen. Yngve Frej – der nordische Gott der der Fruchtbarkeit! Hier ist die Geschichte zum Greifen nahe! Mit dem vermeintlichen Denkmal lassen sich also gute Geschäfte machen – aber will ich das eigentlich, fragt sich Gustafsson, soll man die Dörfer nicht lieber sich selbst überlassen, statt sie in Museen für eine Landidylle umzuwandeln, die es nie gegeben hat?

Stig Claesson (1928–2008) ist eine urkomische Satire auf Folklorismus und Schweden-Klischees gelungen, zugleich ist es eine zum Heulen rührende Geschichte über vier alte Menschen, die zusammenhalten, auch wenn sie die moderne Welt so wenig verstehen wie die moderne Welt sie versteht. Der Roman »Vem älskar Yngve Frej« (1968, Wer liebt Yngve Frej) wurde verfilmt und gehört in Schweden zum Unterrichtskanon. In deutscher Übersetzung ist er jetzt unter dem Titel »Das Denkmal des Schusters« wieder ­erschienen, die DDR-Ausgabe »Wer liebt Yngve Frej« von 1979 ist nur noch antiquarisch erhältlich.

Stig Claesson: Das Denkmal des Schusters. Aus dem Schwedischen von Maike Barth. Ihleo-Verlag, Husum 2021, 160 Seiten, 14,95 Euro