Die nepalesische Linke ist stark, geht aber gespalten in die Kommunalwahlen

Kommunisten und Kleptokraten

Auf das Ende der linken Einheitsregierung in Nepal folgten politische Turbulenzen. Bei der Kommunalwahl am 13. Mai werden sich die Auswirkungen zeigen.

Zuletzt war in den internationalen Medien wenig von Nepal zu hören. Noch im Frühjahr 2021 hatte das zwischen den beiden übermächtigen Nachbarn China im Norden und Indien im Süden gelegene Land mit seiner Bevölkerung von knapp 30 Millionen Menschen immer wieder für Nachrichten gesorgt, die auch im fernen Europa und in den USA die Runde machten.

Erst hatte der damalige Ministerpräsident Khadga Prasad Sharma Oli, zugleich Vorsitzender der 2018 entstandenen Fusionspartei Nepalesische Kommunistische Partei (NCP), kurz vor Weihnachten 2020 versucht, vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen. Der Oberste Gerichtshof hob diese verfassungsrechtlich bedenkliche Entscheidung auf, verkomplizierte aber wenig später seinerseits die Situation: In einem weiteren Urteil erklärte er die Gründung der NCP im April 2018 für nichtig. Somit existierten urplötzlich deren beide Vorläuferparteien wieder: die maoistische CPN-MC auf der einen und die eher reformistische CPN-UML (Vereinigte Marxisten-Leninisten) auf der an­deren Seite. Die Maoisten zogen sich aus der Regierung zurück, Oli hatte nun keine eigene Mehrheit mehr und verlor eine Vertrauensabstimmung. Sher Bahadur Deuba, der Vorsitzende der bis dahin oppositionellen sozialliberalen Partei Nepali Congress (NC), wurde zum Interimsministerpräsidenten ernannt, er stützt sich in erster Linie auf ein Bündnis mit den Maoisten. Deuba war bereits dreimal zu Zeiten der 2008 abgeschafften Monarchie und ein viertes Mal 2017/2018 Ministerpräsident.

Korruption und Misswirtschaft sind in Nepal nach wie vor verbreitet, daran hat auch die linke Regierung nicht viel geändert.

Auslöser für die mehrmonatigen Turbulenzen mit immer skurrileren Folgen war vor allem das persönliche Zerwürfnis zwischen den vorherigen Co-Parteivorsitzenden der NCP, Oli von der CPN-UML und Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda (sein Kampfname aus den Zeiten des Guerillakriegs 1996–2006) von den Maoisten. Das so hoffnungsvoll begonnene Projekt neuer Einheit nach Jahrzehnten immer stärkerer Aufsplitterung der an sich starken linken Bewegung im Land war bereits de facto gescheitert, da sich die Maoisten immer stärker benachteiligt sahen, bevor Oli mit seinem Vorstoß für Neuwahlen noch maximalen Nutzen aus der Lage zu ziehen trachtete.

Der bürgerliche NC profitierte als wichtigster Konkurrent des linken Lagers von dessen erneuter Spaltung. Der NC-Vorsitzende Deuba und seine Parteifreunde sind bestrebt, das nicht unbedingt einfache Bündnis mit Dahal und dessen CPN-MC, der CPN – Vereinigte Sozialisten (CPN-US) und der Janata Samajbadi Party Nepal (JSP-N) weiter aufrechtzuerhalten. Die CPN-UML wiederum hat sich temporär mit der konservativen Rastriya Prajatantra Party (RPP) verbündet. Beide Allianzen sind vornehmlich machtpolitisch motiviert und gelten als nicht sonderlich stabil.

Die Kommunalwahlen am 13. Mai sind auch ein Test dafür, wie groß der Einfluss der verschiedenen Parteien ist. In den Städten geht es um 586 Bürgermeister- und Stellvertreterposten, in den ländlichen Gebieten um die entsprechenden Mandate in 920 gewählten Gebietskörperschaften. Auch über 33 000 Mandate auf kommunaler Ebene sind zu vergeben.

Für die Hauptstadt Kathmandu, die mit Abstand einwohnerstärkste und bedeutendste Kommune, hat die CPN-UML mit Keshav Sthapit einen höchst umstrittenen Bürgermeisterkandidaten aufgestellt. Sthapit, der bereits zweimal Stadtoberhaupt war, wurden im Zuge der Me-Too-Kampagne 2018 von zwei Frauen, einer Journalistin und einer damaligen Beschäftigten der Stadtverwaltung, sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Nicht minder kontrovers ist der Kandidat, den die CPN-UML in der rund 200 Kilometer weiter westlich gelegenen Stadt Pokhara ins Rennen schickt: Krishna Bahadur Thapa wird kritisiert, weil er sich für die Freilassung jener aussprach, die wegen der Diskriminierung von Angehörigen niedriger Kasten beziehungsweise der Minderheit der Dalit in Untersuchungshaft sitzen.

Thapa ist bereits ­Ersatzmann – der zunächst vorgesehene Deepak Poudel war gleich nach Bekanntgabe seiner Kandidatur mit einem Video des Diebstahls von Gold aus einem Juwelierladen überführt worden.

Solche fragwürdigen lokalen Kandidaten stärken nicht gerade das Vertrauen der Einwohnerinnen und Einwohner in das politische System des Landes, das sich in den vergangenen Jahren mit der Abschaffung der Monarchie, einer progressiven Verfassung und der Föderalisierung reformiert hat. Korruption und Misswirtschaft sind jedoch nach wie vor verbreitet, daran hat auch die linke Regierung nicht viel geändert. Zwar gibt es als Kontrollinstanz die Commission for the Investigation of Abuse of Authority (CIAA), doch ist diese nicht sehr effektiv.

Es bestehe die Gefahr, dass viele der neugewählten Kommunalvertreter »Vorstöße unternehmen, um die Demokratie in eine Kleptokratie zu verwandeln«, warnte am 25. April die größte Tageszeitung des Landes, The Kathmandu Post, in einem Editorial. Die Föderalisierung hat zwar die Provinzen geschaffen und auch den Städten etwas mehr Befugnisse übertragen. Nepal ist aber weiterhin ein Staat mit einer starken Zentrale in Kathmandu. Das Leben in den einsamen Bergdörfern ist meist karg und hart, manche Ortschaften sind bis heute nicht ans Stromnetz angeschlossen, gesundheitliche Grundversorgung ist selten gewährleistet. Kliniken der ländlichen Regionen fehlt es an medizinischem Fachpersonal ebenso wie an Ausrüstung. Der Ausbau des Gesundheitssystems, etwa die Errichtung eines Distrikthospitals mit vier Gebäuden in Bajura, verzögert sich, obwohl ausreichend Geld zur Verfügung stand.

Die Wahlkommission (EC) betonte, alle Wahlvorbereitungen liefen nach Plan. Unter anderem mussten 19 Millionen Wahlscheine gedruckt und 10 756 Wahllokale mit fast 22 000 Wahlurnen eingerichtet werden. 168 000 Ordnungshüter sollen am Wahltag für Sicherheit sorgen. Neben der Armee (71 000), der Polizei (65 000) und der paramilitärischen Armed Police Force (32 000) sind auch Angehörige der Sonderstaatsanwaltschaft National Investigation Bureau involviert. The Himalayan Times, die zweite große Tageszeitung Nepals, erinnerte daran, dass landesweit mindestens 34 000 Schusswaffen im Umlauf sind. Die Behörden wollen gerüstet sein, um tödliche Eskalationen im Wahlkampf oder Unmut über einzelne Wahlergebnisse zu verhindern.

Zwar handelt es sich nur um Wahlen auf regionaler beziehungsweise kommunaler Ebene, doch stehen sie unter dem Eindruck der Debatten, wie das Land sich außenpolitisch orientieren soll. Traditionell ist die politische Führung in Kathmandu darum bemüht, das Verhältnis zu den großen Nachbarn Indien und China, die beide um Einfluss in Nepal ringen, möglichst geschickt aus­zutarieren. NC und CPN-UML tendieren etwas mehr nach Indien, die Maoisten geringfügig stärker Richtung China.

In diesem Frühjahr aber ging es um das Abkommen mit dem US-Entwicklungsfonds Millennium Challenge Corporation (MCC), welches dem Land 500 Millionen US-Dollar vor allem für Stromvernetzungs- und Verkehrsprojekte bringen soll. Die USA hatten Nepal zur Ratifizierung des schon 2017 unterzeichnetes Vertrags gedrängt. In beiden großen linken Parteien gab es große Vorbehalte gegen den künftig möglicherweise stärkeren Einfluss der USA im Land, auch weil neue militärische Bündnisse im asiatisch-pazifischen Raum wie der Quadrilateral Security Dialogue zwischen Indien, Australien, Japan und den USA entstanden sind.

Die CPN-MC als Koalitionspartner des NC, der das als weniger problematisch sieht, knickte am Ende aber ein, so dass am 27. Februar die Ratifizierung des ­Abkommens mit dem MCC im Parlament erfolgte. Diese Entscheidung stößt parteiübergreifend vielen Linken bis heute auf. Ob die Koalition bis zur für November geplanten regulären Parlamentswahl durchhält, ist ungewiss.