Im Winter dürfte sich rächen, dass nicht genug in die energetische Sanierung von Sport­anlagen investiert wurde

Wenn die Heizung aus bleibt

Die drohende Energiekrise dürfte auch den Breitensport hart treffen.

Es ist ein wunderbarer Sommer. Die Sonne scheint, die Freibäder sind voll, und wer kann, verbringt möglichst viel Zeit in Parks oder auf dem Balkon, einem Ort, an dem man ganz hervorragend auch Artikel für die Jungle World schreiben kann.

Doch die Erfahrung lehrt uns, dass auch der schönste Sommer irgendwann zu Ende geht, ihm erst der Herbst und dann der Winter folgt. Und dann wird es kalt und dunkel. Wer vorhat, sich im kommenden Winter durch sportliche Aktivitäten warmzuhalten, dem könnte das in der Praxis schwerfallen.

Wer vorhat, sich im kommenden Winter durch sportliche Aktivitäten warmzuhalten, dem könnte das in der Praxis schwerfallen.

Über sechs Monate hinweg, da soll man sich nichts vormachen, ist ein zivilisiertes öffentliches Leben in Deutschland nicht möglich. Die Temperaturen ebenso wie die immer länger werdenden Nächte lassen das einfach nicht zu. Während die Klügeren sich schon in der Spätantike dazu entschlossen, in den Süden zu ziehen, blieben am Ende nur noch die Verlierer der Völkerwanderung, um diese garstige Region zumindest rudimentär zu besiedeln.

Erst seit der Industrialisierung war wieder ein Leben in diesem Land möglich, dass sich von dem eines Wildschweinrudels unterschied: Die Häuser bekamen größere Fenster, das Beheizen wurde bequemer und irgendwann gab es sogar Strom, um sie ausreichend zu beleuchten. An der Fenstergröße wird sich auch im kommenden Winter wohl nichts ändern. Beim Heizen und Beleuchten könnte es eng werden. Die Kombination aus einer »Energiewende«, die das Wall Street Journal als die »dümmste Energiepolitik der Welt« bezeichnet, und den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, lässt die Energiepreise steigen und die Versorgungssicherheit sinken. Deutschland wird Kaltland, und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Das hat Auswirkungen auf das private Leben, die Wirtschaft, Kultur, Gastronomie und selbstverständlich auch auf den Sport. Während in klimatisch günstigeren Ländern als Deutschland sportliche Betätigungen fast jeder Art das ganz Jahr außerhäusig möglich sind, muss man hierzulande im Winter Sport in geschlossenen Räumen machen, wenn man nicht mit lächerlich aussehenden Schals und Mützen in der Öffentlichkeit gesehen werden will: Die hohen Energiepreise könnten dazu führen, dass in Sporthallen, Fitnessstudios und Schwimmbädern die Temperaturen gesenkt werden oder dass solche Einrichtungen gleich ganz geschlossen werden.

In Nürnberg kann man derzeit vielleicht einen Blick in die Zukunft werfen: Nürnbergbad, der kommunale Schwimmbadbetreiber, schloss am 16. Juli drei seiner vier Hallenbäder. Erst am 25. September sollen sie wieder öffnen. »Durch die Bäderschließung für 72 Tage macht Nürnbergbad Wärmeenergie für 383 Haushalte oder rund 1500 Menschen in Nürnberg frei; nämlich 755000 Kilowattstunden sowie Strom für 789 Haushalte oder 3100 Menschen, insgesamt 570000 Kilowattstunden. Auch die Freibäder laufen derzeit ohne zusätzliche Beckenbeheizung. Das ist eine Gesamtenergieeinsparung von 1,3 Gigawattstunden«, teilt die Stadt mit. Immerhin: Die Schwimmlernkurse von »Seepferdchen« finden weiterhin statt, die Freibäder haben ja noch geöffnet.

Dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zufolge sind die Energiepreissteigerungen nach den ­finanziell kritischen ersten beiden Pandemiejahren für viele Sportver­eine existenzbedrohend: »Sie treffen die Vereine bei vereinseigenen Sportstätten unmittelbar oder bei kommunalen Trägern über Umlagen«, sagt Felix Wolf vom DOSB im Gespräch mit der Jungle World. Die steigenden Strom-, Gas- und Öl­kosten führten zu immensen Mehrausgaben für Sportvereine.

In Deutschland existieren rund 230000 Sportstätten. Zwei Drittel davon sind in kommunaler Trägerschaft, rund ein Drittel der Sportanlagen sind in Vereinsbesitz. 30 Prozent dieser Sportstätten sind über 40 Jahre alt und somit energetisch stark sanierungsbedürftig. Wolf sagt: »Für Privatpersonen und Unternehmen gibt es ja Hilfen wegen der Energiekosten, so etwas brauchen die Sportvereine auch. Mit Beitragserhöhungen allein lässt sich das nicht auf­fangen, außerdem droht dann zusätzlich zu den Folgen der Pandemie weiterer Mitgliederschwund. Schließlich sind die Vereinsmitglieder auch privat massiv von den Preissteigerungen betroffen.«

Wie die Städte im Allgemeinen auf die Herausforderungen zu reagieren gedenken, die der Betrieb ihrer Sportstätten im Winter mit sich bringen wird, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Eine Anfrage der Jungle World an den Deutschen Städtetag wurde mit dem Hinweis auf die hohe Belastung der Pressestelle nicht beantwortet.

Die steigenden Energiepreise sind auch für die Fitnessbranche nach den ohnehin verheerenden Auswirkungen der Pandemie ein großes Problem. Die Unternehmen versuchen nun, Energie zu sparen. Ein Leitfaden des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) empfiehlt unter ­anderem, die Betriebszeiten der Saunen zu verkürzen, die Wassertemperatur in den Duschen zu senken und in der besucherschwachen Mittagszeit die Hälfte der Cardiogeräte in den Standby-Modus zu stellen.

Die Bundestagsabgeordnete Tina Winklmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist Mitglied im Sportausschuss des Bundestags und verweist als Antwort auf die Frage nach den Folgen der hohen Energiepreise für den Sport auf ein neues Programm der Bundesregierung: »Mit dem Programm ›Re-Start Sport‹ und dem geplanten Bewegungsgipfel zeigen wir, welchen Stellenwert Bewegung für uns hat. Wir unterstützen die Vereine, die Schulen, die Menschen mit verschiedenen Programmen, um die aktuelle Krise zu meistern. Natürlich kommen Einschränkungen auf uns zu, aber mit gezielten Mitteln setzen wir uns dafür ein, die Bewegung, den Sport am Laufen zu halten.« Mit dem Förderprogramm für Schwimmbäder und Sportstätten halte die Ampelkoalition die Orte der »Begegnung und Bewegung fit, um kostengünstig, nachhaltig und klimaneutral auch die Arbeit unserer Vereine und Schulen zu unterstützen«.

Den kommenden Winter sieht Winklmann vor allem unter dem Gesichtspunkt der Pandemie: »Mit dem aktuellen Infektionsschutzgesetz gehen wir einen wichtigen Schritt, um gut und gesund durch den Herbst und Winter zu kommen. Es ist mehr als zu begrüßen, dass die Sportstätten offen bleiben und dort gezielte Maßnahmen zum Schutz ergriffen werden.« Neue Impfstoffe würden helfen, die Menschen zu schützen, damit sie sich aktiv und mit Freude sportlichen Betätigungen widmen könnten.

Bleibt die drohende Energiekrise, die Sport in Vereinen und Studios mindestens erschweren könnte. Die gesundheitlichen Folgen sind unabsehbar, schließlich treiben viele Menschen nicht nur aus Spaß Sport, sondern sind aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen, dass beispielsweise Reha-Kurse und Präventionsangebote verlässlich stattfinden.

André Hahn, Bundestagsabgeordneter und Obmann der Linkspartei im Sportausschuss des Bundestags, zählt bei der Bewältigung der Krise auf die Expertise der Städte und Gemeinden. Im Gespräch mit der Jungle World sagt er: »Die Auswirkungen der absehbaren Energiekrise sind derzeit noch nicht konkret absehbar. Sie werden aber umso geringer sein, wenn es ab sofort gelingt, wirklich Energie zu sparen, allerdings ohne den Schul- und Breitensport maßgeblich zu beeinträchtigen. Welche Maßnahmen dabei am wirksamsten sind, kann vor Ort besser entschieden werden als durch aus der Ferne verordnete Verbote oder Schließungen von Sportstätten und Schwimmbädern.« Jetzt räche sich allerdings die viel zu geringe Förderung der energetischen Sanierung von Sportanlagen durch Bund, Länder und Kommunen in den vergangenen Jahren.