Über »Ich könnte du sein aber du niemals ich« von Mutter

Das Gegenteil von Heiterkeit

Platte Buch Von Luca Glenzer

<p>Mutter, die vielleicht unbekannteste aller bekannten Rockbands der Republik, haben jüngst mit »Ich könnte du sein aber du niemals ich« ein neues Album vorgelegt.</p>

Mutter, die vielleicht unbekannteste aller bekannten Rockbands der Republik, haben jüngst mit »Ich könnte du sein aber du niemals ich« ein neues Album vorgelegt. Seit jeher ist die Band bekannt dafür, die Extreme in alle akustischen Himmelsrichtungen zu verfolgen. So haben sie mit noisig-übersteuerten Alben wie »Komm« oder »Nazionali« die – im besten Sinne – wahrscheinlich ungenießbarsten Platten der neunziger Jahre veröffentlicht, zwischendrin mit »Hauptsache Musik« aber auch ein luftig-leichtes Folk-Album irgendwo zwischen Hildegard Knef und den Flower­pornoes rausgehauen.

Sänger Max Müller kokettiert in den wenigen Interviews, die er gibt, zwar immer noch mit musikalischem Ausverkauf und Major-Deals, die einzig am mangelndem Inter­esse der großen Konzerne scheitern würden; insgeheim weiß er aber ­natürlich, dass er sich auf der sicheren Seite befindet. Denn einer der­artig unberechenbare Band wie Mutter einen Plattendeal zu geben, käme für an Gewinnmaximierung interessierten Labels wohl ­einem kommerziellen Selbstmord gleich.

Dabei steckt auch in »Ich könnte du sein aber du niemals ich« viel Pop-Appeal, der aber durch ein glückliches Zusammenspiel aus (inszenierter) Schludrigkeit und mangelnder Beachtung der Harmonielehre am Ende doch seiner Radiotauglichkeit beraubt wird. So erinnert ein Song wie »Du niemals ich« mit seiner Mischung aus melancholischen Melodiebögen und dilettantisch-disharmonischen Gitarren an das Erbe des Antifolk, dessen Vertreter:innen in den neunziger und frühen nuller Jahren ­bereits wussten, dass wahre Schönheit nur in gebrochener Form zu ­haben ist.

Insgesamt fällt das neue Album im Vergleich Vorgänger »Der Traum vom Anderssein« von 2017 deutlich kompakter und unrockiger, aber auch heiterer aus, was angesichts der ­krisengebeutelten Entstehungszeit der letzten drei Jahre auf den ersten Blick verwundern mag. Doch Mutters musikalische Entwicklung verlief schon immer antizyklisch – ­weshalb sich Heiterkeit am Ende auch als ihr Gegenteil entpuppen kann.

Mutter: Ich könnte du sein aber du niemals ich (Mutter/Die Eigene Gesellschaft)