Die Rolle von Soldaten und Polizisten bei den Umsturzplänen Rechtsextremer

Uniformiert im Untergrund

In der mutmaßlichen Terrorzelle aus dem Reichsbürgermilieu spielten ehemalige sowie aktive Soldaten und Polizisten eine entscheidende Rolle. Sie sollen geplant haben, einen paramilitärischen Arm für den Umsturz aufzubauen. Es ist nur das neueste Glied in einer langen Kette rechtsextremer Vorfälle in deutschen Sicherheitsbehörden.

Soldaten, Polizisten, eine Richterin – zahlreiche der 54 in der vergangenen Woche der Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Gruppe beschuldigten Personen, von denen 25 festgenommen wurden, waren oder sind deutsche Beamte. Verhaftet wurde beispiels­weise der ehemalige Polizist Michael Fritsch, der bereits im Mai aus dem Po­lizeidienst entlassen worden war und in Hannover als Hauptkommissar zeitweise den Schutz jüdischer Institutionen mitverantwortet hatte (siehe Kommentar). Zu den Verdächtigen gehören außerdem eine mittlerweile vom Dienst suspendierte Polizistin aus Nordrhein-Westfalen sowie ein Beamter des Landeskriminalamts Niedersachsen, der in der Staatsschutzabteilung für die Bekämpfung des Rechtsextremismus verantwortlich war. Einer der Hauptverdächtigen ist ein 64jähriger ehemaliger Oberst der Bundeswehr, Maximilian Eder. Er war in den neunziger Jahren in Calw am Aufbau des Kommandos Spezialkräfte (KSK) beteiligt und fiel in den vergangenen Jahren als prominenter Aktivist der »Quer­denken«-Szene auf.

Die Personalie Eder ist nur eine von zahlreichen Verbindungen zwischen der mutmaßlichen Terrorgruppe und dem KSK sowie dessen Vorgängern. Der Bundesanwaltschaft zufolge soll die Gruppe geplant haben, die sogenannten »Heimatschutzkompanien« als paramilitärischen Arm aufzubauen. Die Führung dieser »in der Planung auch bewaffneten Verbände« soll der 69jährige ehemalige Bundeswehrof­fizier Rüdiger von Pescatore übernommen haben. Pescatore war von 1993 bis 1996 Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251 in Calw, das dann zu Teilen in das neu gegründete KSK überging. Im vergangenen Jahr war er in der »Querdenken«-Szene in Pforzheim ­aktiv – in unmittelbarer Nähe des KSK-Stützpunkts in Calw.

Der Bundesanwaltschaft zufolge soll die Gruppe geplant haben, die sogenannten »Heimatschutz­kompanien« als paramilitärischen Arm aufzubauen.

In der jetzt aufgeflogenen mutmaßlichen Terrorgruppe soll Pescatore einen »Führungsstab« für die »Heimatschutz­kompanien« aufgebaut haben. Dieser hätte sich »sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau ­einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, Schießübungen sowie Plänen für die Unterbringung und Verpflegung der ›Heimatschutzkompanien‹« befasst, so die Bundesanwaltschaft. Im November sei in Niedersachsen versucht worden, Polizisten für diese Truppe zu rekrutieren.

Insgesamt soll der Aufbau von 280 solcher »Heimatschutzkompanien« geplant gewesen sein, teilten Abgeord­nete des Bundestags nach einer Sondersitzung des Rechtsausschusses am Montag der Öffentlichkeit mit. Zwar scheint diese Zahl Ausdruck des Größenwahns der Verschwörer zu sein, doch das Ausschussmitglied Clara Bünger (Linkspartei) sagte nach der Sitzung, es gebe Hinweise auf erfolgreiche Rekrutierungen und »konkrete Aufbaumaßnahmen« in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg. Die Ermittler meldeten, eine dreistellige Zahl von »Verschwiegenheitserklärungen« gefunden zu haben, die Rekruten unterschrieben hätten. Auch Schießtrainings sollen stattgefunden haben.

Im Bereich des »Querdenken«-Mi­lieus aktiv war auch der frühere Fallschirmjäger Peter Wörner, der in den neunziger Jahren im selben Bataillon wie von Pescatore diente und sich zuletzt unter anderem als »Survival-Trainer« betätigte. Wörner hatte im Frühjahr die Aufmerksamkeit der Er­mit­tle­r:in­nen auf sich gezogen, weil er verdächtigt wurde, in Pläne verwickelt ­gewesen zu sein, Bundes­ges­und­heits­minister Karl Lauterbach (SPD) zu ­entführen.

Auch ein aktives Mitglied des KSK ist unter den Tatverdächtigen: Der 58jäh­rige Andreas M. soll bis zu seiner Verhaftung als Logistiker der Spezialeinheit tätig gewesen sein. Hinzu kommt der im »Querdenken«-Milieu aktive ehemalige KSK-Soldat Marco van H.

Bereits 2021 hatte der Militärische Abschirmdienst (MAD) von 50 rechtsex­tremen Verdachtsfällen seit 2017 im KSK berichtet. Die lange Liste der Skandale um Rechtsradikale im KSK reicht in die neunziger Jahre zurück. Bei ihrer Gründung entstand die Einheit aus verschiedenen Fallschirmjägerbataillonen. Diese hatten zuvor ihre eigenen Naziskandale, wie der Journalist und Autor Dirk Laabs in seinem Buch »Staatsfeinde in Uniform« nachzeichnete. Der damalige Kommandeur des KSK, Reinhard Günzel, wurde 2003 ohne die üblichen Ehrungen in den Ruhestand versetzt: Er war dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zur Seite gesprungen, als dieser für eine revisionistische und anti­semitische Rede heftig kritisiert wurde. Nach seiner Dienstzeit betätigte sich Günzel jahrelang mit Vorträgen im neurechten und rechtsextremen Milieu. Er bezeichnete unter anderem in einem 2005 gemeinsam mit dem Gründer der Grenzschutzgruppe (GSG) 9 der Bundespolizei und einem ehemaligen Wehrmachtoffizier veröffentlichten Buch die Wehrmacht-Division »Brandenburg« als Vorbild des KSK; diese Spezialeinheit beging bei der Partisanenbekämpfung in Jugoslawien schwere Kriegsverbrechen.

2020 sorgte der Fall des Kommandoausbilders Philipp Sch. für Aufsehen, der in seinem Garten ein illegales Waffenlager angelegt hatte. Er wurde 2021 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt (Jungle World 11/2021). Die Nachrichtendienste waren auf ihn aufmerksam geworden, weil Sch. mittelbare Ver­bindungen zum rechtsextremen Hannibal-Netzwerk hatte, in das auch andere KSK-Angehörige verstrickt waren und das von dem KSK-Soldaten André S. betrieben worden war. Zum Hannibal-Netzwerk gehörte auch das rechtsextreme Preppernetzwerk Nordkreuz, dem zahlreiche Polizisten und Bundeswehrsoldaten angehörten.

2020 hatte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) angekündigt, das KSK grundsätzlich zu reformieren. Doch die Fälle aus der Spezialeinheit bilden nur einen kleinen Teil des in den vergangenen Jahren öffentlich bekannt gewordenen Rechtsextremismus in Polizei und Bundeswehr. Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die bei den Razzien am Mittwoch vergangener Woche verhaftet wurde und am Landesgericht Berlin als Richterin tätig war, ist zudem ein Beispiel für Rechtsextremismus in der Justiz.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits vor den Razzien der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Bundesdisziplinargesetzes erarbeitet, der es ermöglichen soll, »Beamtinnen und Beamte, die sich mit ihrem Verhalten offen in Widerspruch zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie stellen«, schneller aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Unter anderem soll es Disziplinarbehörden ermöglicht werden, Beschuldigte ohne Bestätigung durch den Beschluss eines Verwaltungsgerichts aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Erst danach sollen die Betroffenen vor Gericht gegen ihre Entlassung klagen dürfen.

Ob sich, wie in der rechtsextremen Phantasterei, große Teile der Sicherheitsbehörden dem Putschversuch angeschlossen hätten, wird man freilich nie erfahren. Doch zumindest auf deren Verschwiegenheit konnte man zählen. »Zu den verblüffendsten Erkenntnissen der Ermittler zählt, dass die Aufrührer viele alte Weggefährten in der Polizei und der Bundeswehr zum Mitmachen aufgefordert haben. Manche haben sich angeschlossen, andere nicht. Aber niemand hat sich bei den Behörden gemeldet und gewarnt«, berichtet Zeit Online.