Small Talk mit Jörg Finken­berger über die »Pseudo-Linke«

»Es gibt den gemeinsamen Willen, sich zu verteidigen«

Small Talk Von Johannes Simon

In seiner Textreihe »Neues von den Pseudo-Linken« kritisierte Jörg Finkenberger, der Betreiber des Blogs »Das Grosse Thier«, Fehlentwicklungen in der heutigen Linken. Am 11. Dezember war er im »Conne Island« in Leipzig zu Gast, um diese Texte zu diskutieren. Zuvor hatten verschiedene Gruppen, darunter die Linksjugend Leipzig Ost, zu Protesten gegen die Veranstaltung aufgerufen.

Am Abend der Veranstaltung gab es eine kleine Gegendemonstration, Teilnehmende sollen herein- und herausgehende Menschen bedrängt, beschimpft und mit Schneebällen beworfen haben. Die Jungle World sprach mit Finkenberger über die Vorfälle und das Thema ­seines Vortrags.

Worum ging es in dem Vortrag und was sind für Sie »Pseudo-Linke«?
Der Begriff ist nicht gut definierbar, außer dass offenbar sofort verstanden wird, was man damit meint; auch von denen, die man damit meint. Diese Sorte Leute, die sehr gerne aussehen würden, als wären sie die Vorkämpfer der Unterdrückten; die aber genau darauf achten, dass sie selbst festlegen, wer die Unterdrückten sind. Dazu gehört dieser hohle und scheinheilige Aktivismus, den wir überall sehen. Ich rede dabei gar nicht zuerst von den Aktivisten. Ich rede von der gesellschaftlichen Autorität, die sie deckt oder protegiert – Schröders Kinder, das rot-grüne Bürgertum, wie immer man sie nennen will.

Das heißt genauer: Leute, die ihre eigene gesellschaftliche Position dadurch absichern, dass sie diktieren, wer reden darf und wer schweigen muss; und zwar von einer Position der Macht aus. Im Moment bestimmt das das Bild der Linken, weil die Linke selbst sich dagegen nicht gewehrt hat. Es gibt ja auch nicht eine authentische Linke, die man nur freilegen müsste; die Linke hat ihre eigne Verstrickung in die Ideologie dieser Gesellschaft. Meine Absicht ist, ihr das an einem extremen Beispiel aufzuzeigen, so dass sie auch gezwungen ist, von sich selbst einen klareren Begriff zu bekommen.

Wie haben Sie den Abend in Leipzig erlebt?
Abgesehen von den Angriffen: sehr gut. Eine nachdenkliche Diskussion unter 120 Leuten über die Zukunft der Linken. Die Diskussion war sicher etwas ziel- und strukturlos, aber wer rechnet damit, dass das meiste gar nicht kontrovers ist unter so vielen Leuten? Das Thema ist ja auch nur drängend und nicht komplex.

Fühlen Sie sich durch die Vorfälle bestätigt?
Bestätigt, na ja. Wenn man gegen einen Vortrag über die »Pseudo-Linke« mobilisiert, muss man sich nicht wundern, wenn die Bezeichnung kleben bleibt. Wenn wir sagen, die freie Rede unter Linken ist in Gefahr, und man reagiert damit, dass man diese Diskussion verhindern will; oder wenn wir sagen, das ist Frauenhass, der da unterwegs ist, und es wird darauf geantwortet mit Gewalt gegen Frauen, dann ist das schon auch ein erstaunlich klares Statement.

Was sagen sie zur Kritik der Demonstranten? Gibt es da sachliche Argumente, auf die man eingehen kann?
Mein Aufhänger war ja der Skandal, wie mit Sisters e. V. in Berlin umgegangen worden ist (gegen eine prostitutionskritische Veranstaltung dieses Vereins hatte es Protest einer Gruppe namens Sex Worker Action Group gegeben, Jungle World 37/2022, Anm. d. Red.). Wie Leute zum Schweigen gebracht werden sollen, die die Prostitution als rassistisches Ausbeutungssystem erfahren haben und beschreiben. Darum ging es. Also Argumente wofür und wogegen? Das einzige Argument gegen die freie Rede dieser Leute wäre, dass diese Leute nicht zählen.

Wie waren bislang die Reaktionen auf Ihre Texte zu den Pseudo-Linken? Hat sich das nach dem Vorfall in Leipzig noch mal ­geändert?
Ich habe meistens Gutes gehört, bei Linken auch von eher unerwarteten Seite. Es scheint sich herumzusprechen, dass das alles letztlich jede Lebensäußerung der Linken bedroht; und nach dem, was ich seither höre, ist der gemeinsame Wille da, sich zu verteidigen.