Der Verfassungsschutz warnt vor Reisen in den Iran

Kein Urlaub im Iran

Kommentar Von Ulrike Becker

Der Verfassungsschutz warnt vor Reisen in den Iran. Doch der iranische Geheimdienst operiert schon lange im Ausland. Das Auswärtige Amt bleibt indes zögerlich.

Zum Jahreswechsel warnte der Verfassungsschutz vor Reisen in den Iran. Vor allem Menschen, die an Protesten teilgenommen und Fotos und Videos von sich im Netz geteilt hätten, seien in Gefahr. Bereits Anfang November hatte das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgegeben. Die Gefahr ist real. Seit Beginn der Proteste im September wurden der Human Rights Activists News Agency zufolge mindestens 519 Menschen bei Protesten getötet, darunter 70 Minderjährige. Vier Regimegegner wurden hingerichtet, mehr als 19 000 Menschen wurden verhaftet.

Bei Reisen sind insbesondere Personen mit doppelter Staats­angehörigkeit in Gefahr, derzeit ist eine mittlere einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger im Iran in Haft. Diese Menschen dienen als Geiseln, sie wurden willkürlich festgenommen und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Das Regime nutzt sie unter anderem, um in Europa verhaftete Agenten freizupressen. Besonders gefährlich ist die Lage von Jamshid Sharmahd. Der deutsche Staatsbürger wurde bereits 2020 bei einem Zwischenstopp in Dubai in den Iran entführt. Ihm droht die Todesstrafe wegen »Korruption auf Erden«; der Iran gehört zu den Ländern, die ihre Bürger prinzipiell nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen.

Der Fall Jamshid Sharmahd zeigt erneut, dass der Terror des Regimes gegen Andersdenkende nicht an den Grenzen des Iran endet. Das in den USA ansässige Abdorrahman Boroumand Center für Menschenrechte im Iran zählt seit der Gründung der Islamischen Republik 540 Fälle, in denen Oppositionelle außerhalb des Iran entführt oder ermordet wurden. Angerechnet werden diese ­Taten dem iranischen Regime. In Berlin wurden 1992 vier kurdisch-iranische Politiker im Berliner Restaurant »Mykonos« von iranischen Agenten ermordet. Der iranische Geheimdienst MOIS späht Menschenrechtsaktivist:innen in Deutschland aus.

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag ergab kürzlich, dass seit 2018 neun strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen 24 mutmaßliche iranische Agenten in Deutschland eingeleitet wurden. Die Gefahr für Oppositionelle geht insbesondere von Botschaften und Konsulaten aus, aber auch vom Islamischen Zentrum Hamburg (IZH). Dies zeigt der Fall des iranischen Agenten Assadollah Assadi. Als Botschaftsfunktionär getarnt plante er 2018 ein Bombenattentat ­gegen eine Versammlung der oppositionellen Volksmujaheddin. Das Attentat konnte vereitelt werden. Ein belgisches Gericht ver­urteilte Assadi 2021 zu einer 20jährigen Haftstrafe. Der Gerichtsprozess brachte zutage, dass Assadi im Hamburger IZH verkehrte und viele Kontakte in Deutschland hatte.

Die Schließung solcher Einrichtungen gehört deshalb zu den zentralen Forderungen iranischer Oppositioneller an die deutsche Politik. Die Schließung des IZH zu prüfen, forderte im November auch eine Mehrheit im Bundestag. Ergebnisse dieser Prüfung gibt es bisher noch nicht. Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes zufolge pflegt der stellvertretende Leiter des IZH, Seyed Mousavifar, Kontakte zur Hizbollah. Wohl um seiner Abschiebung zuvorzukommen, hat der ausgewiesene Mousavifar Deutschland auch wirklich verlassen. Der Leiter selbst, der als Stellvertreter des iranischen Staatschefs Khamenei in Deutschland gilt, ist indes noch an Ort und Stelle.

Zögerliches Agieren ist charakteristisch für die deutsche Reaktion auf die revolutionäre Bewegung im Iran. Zwar hat das Auswärtige Amt eine Kehrtwende in der Iran-Politik angekündigt, die jahrzehntelang auf Dialog basierte. Die bisher beschlossenen Sanktionen haben aber vor allem symbolischen Charakter. Bislang sind lediglich Einzelpersonen von Sanktionen betroffen. Die Revolutionsgarden stehen nicht als solche auf der EU-Terrorliste. Am Montag kündigte Annalena Baerbock hierzu an, dass es eine ­Terrorlistung der Revolutionsgarden als Ganzes auch weiterhin vorläufig nicht geben werde. Sollte es dabei bleiben, dass die Sanktionen nur Einzelne treffen, Vermögen nicht eingefroren, diplomatische Beziehungen nicht heruntergestuft, Atomgespräche nicht ­beendet und nicht alle Agenten ausgewiesen werden – wird also das Regime nicht wirklich isoliert –, bleibt es auch in Zukunft bei Symbolpolitik.

Verstünde sich die Bundesregierung wirklich an der Seite der Revolution im Iran, würden sich Appelle an das Regime, bitte keine Todesurteile mehr zu vollstrecken, wie Olaf Scholz dies am Montag auf Twitter tat, verbieten. Stattdessen müssten endlich ernsthaft offizielle Kontakte zur iranischen Diaspora im Exil aufgebaut werden. Diese scheint derzeit konkrete Pläne einer einheitlichen Organisation zu entwickeln. Bislang hatte die Protestbewegung im Exil weder klare Strukturen noch eine gemeinsame Führung. Kurz vor Beginn des neuen Jahres kündigten nun einige der bekanntesten iranischen Regimekritiker:innen die Gründung eines neuen Oppositionsbündnisses an. Das Ziel: die Abschaffung der ­Islamischen Republik.