Die »Demo für alle« sieht eine »Trans-Lobby« die Geschicke der Welt leiten

Die LGBTQI- Weltverschwörung

Kommentar Von Carla Riese

Deutsche Rechte begründen ihre Ablehnung des Selbstbe­stimmungsgesetzes mit der Sorge um das Wohlergehen von Kindern, Jugendlichen und Frauen. Das Thema bedient wahnhafte Vorstellungswelten.

»Familie entspringt einer immerwährenden, natürlichen Ordnung, sie gehört zum Wesen des Menschseins. Dieser Wahrheit fühlen wir uns verpflichtet«, stellt die Initiative »Demo für alle« ihre Mission auf ihrer Internetseite vor. Die Organisatorinnen sehen sich als Vorkämpfer einer »bundesweiten Renaissance der Bedeutung und Schönheit von Ehe und Familie«, die sich »den Umerziehungsversuchen gut organisierter Lobbygruppen und Ideologen entgegen« stellen.

Entstanden ist die Initiative nach dem Vorbild von »La Manif pour tous« aus Frankreich und gründete sich 2014 als Reaktion auf den »Bildungsplan 2015« in Baden-Württemberg, der die Förderung von Akzeptanz von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit im Schulunterricht vorsah. Zu den Initiatorinnen der »Demo für alle« zählten die AfD-Politikerin Beatrix von Storch sowie Hedwig von Beverfoerde (ehemals CDU), die nach wie vor als Sprecherin fungiert. Die »Demo für alle« vereint eine Reihe von reaktionären, christlich-fundamentalistischen, antifeministischen und LGBTQI-feindlichen Personen und Organisationen. Unter ihnen ist eine Teil­gruppe des Abtreibungsgegnervereins Kaleb und Birgit Kelle, Autorin antifeministischer Bücher wie »Gender Gaga« oder »Dann mach doch die Bluse zu: Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn«. Kelle bewegt sich im bürgerlich-konservativem bis neurechten Milieu. Sie wird als Referentin von der CDU eingeladen und ist als Autorin unter anderem für Die Welt und Focus tätig, publiziert auch Texte in der Jungen Freiheit und bei Achse des Guten, wo sie antifeministische und queerfeindliche Positionen vertritt. Der von Götz Kubitschek geleiteten Zeitschrift des neurechten Instituts für Staatspolitik, Sezession, stand sie für Interviews zur Verfügung. Für die Demonstrationen der »Demo für alle« werben aber auch die Identitäre Bewegung und »Der III. Weg«.

Wie auch für viele andere rechte Gruppen ist bei der »Demo für alle« das geplante Selbstbestimmungsgesetz ein zentrales Thema, das sie unter »Kindesmissbrauch« verschlagwortet. In ihrem Positionspapier greift die Initiative die Gefahren einer vorschnellen Entscheidung für eine medizinische und rechtliche Änderung des Geschlechts auf. Dabei benutzt sie die Berichte von Detransitionen, um geschlechtliche Vielfalt im Allgemeinen als schädlich darzustellen. Auch die Gefahr von sexuellen Übergriffen, die von biologischen Männern ausgehe, die sich durch eine rechtliche Geschlechtsänderung Zugang zu Frauenräumen schaffen könnten, schlachten sie alarmistisch aus.

Die vorgetragene Sorge um das Wohlergehen von Kindern, Jugendlichen und Frauen dient dazu, sich als moralisch einwandfrei zu präsentieren. Bei der »Demo für alle« sind diese angeblichen Sorgen Bestandteil eines völkischen, antifeministischen, homophoben und transfeindlichen sowie schließlich antisemitischen Weltbilds. Auf ihrer Internetseite warnt die Initiative in klassisch antisemi­tischer Verschwörungsmanier beispielsweise vor dem Weltwirtschaftsforum als »verlängertem Arm der LSBT-Lobby«, das die »Umsetzung ideologischer Gesellschaftsexperimente, ganz vorn dabei die LSBT-Ideologie«, zum Ziel habe.

Die Flexibilität von antisemitischen Verschwörungsmythen ist immer wieder beeindruckend. Neben Menschen auf der Flucht und Impfbefürworter:innen sind es nun Trans-Personen, die von einer jüdischen Elite instrumentalisiert würden, um »die Weißen« auszulöschen. Was in seiner Wahnhaftigkeit oft nur lächerlich erscheint, ist gefährlich für die Betroffenen. Sowohl die Zahl transfeindlicher als auch die antisemitisch motivierter Gewalt­taten erreichte im Jahr 2021 in Berlin einen neuen Hochstand ­(Jungle World 50/2022). Was mit der Äußerung einer vermeintlich harmlosen Sorge beginnt, kann im schlimmsten Fall in physischer Gewalt enden.