Homestory

Homestory #15/23

Homestory Von Jungle World

<p>Zu den Ärgernissen bei der Produktion einer Wochenzeitung gehört, dass das Weltgeschehen oftmals keine Rücksicht auf unseren Redaktionsschluss nimmt.</p>

Zu den Ärgernissen bei der Produktion einer Wochenzeitung gehört, dass das Weltgeschehen oftmals keine Rücksicht auf unseren Redaktionsschluss nimmt. Nun kann man verstehen, dass aufgebrachte Demonstrant:innen vor dem Sturm auf den Präsidentenpalast nicht innehalten und sagen: »Ach je, heute ist ja Dienstag! Lassen wir ihm noch einen Tag, dann kommen wir auch aufs Jungle-Titelbild.«

Da gibt es halt andere Prioritäten. Aber bei lange im Voraus geplanten Angelegenheiten wäre etwas mehr Rücksichtnahme wünschenswert. Bei Wahlen zum Beispiel, und wenngleich wir bekanntlich den Antiamerikanismus unermüdlich kritisieren, gibt es doch legitime Amerika-Kritik: Muss wirklich immer an einem Dienstag gewählt werden? Und glauben Sie jetzt nicht, wir dächten nur an uns. Die Wahl an einem Werktag erschwert Lohnabhängigen die Stimmabgabe.

Die Wahlen am Sonntag abzuhalten, wäre also gut für die Arbeiter:innenklasse der USA und die Jungle World. Worauf warten Sie noch, Mr. President? Und Sie, Honorable Alvin Bragg, bei allem Respekt vor der Leistung, Donald Trump vor Gericht gebracht zu haben: Wenn es denn schon ein Dienstag sein muss – hätten Sie ihn nicht wenigstens gleich morgens antanzen lassen können?

Fraglich ist, ob die friedliche Aufteilung der Erde zwischen Freund:innen des Tag- und des Nachtlebens gelänge.

Damit kommen wir zu einem weiteren Ärgernis: der Zeitverschiebung, die bei der Kommunikation mit Autor:innen in fernen Ländern recht lästig ist. Und Trump musste ja unbedingt noch gemütlich seinen Lunch verzehren, während unser unermüdlicher Reporter, der sich die Nacht um die Ohren geschlagen hatte und sich unter Trump-Anhänger:innen tummelte – was er erlebte, können Sie in unserer Reportage lesen –, wartete und wartete. Unterdessen senkte sich die Sonne in Berlin schon gen Horizont. Genau genommen senkte sie sich natürlich nicht, vielmehr geriet sie durch die Erdrotation langsam, aber sicher außer Sicht. Auch das muss nicht sein, der Mond kehrt uns ja immer die gleiche Seite zu.

Dieses Phänomen nennt man gebundene Rotation, es hat etwas mit Gravitation zu tun; die Einzelheiten sind ziemlich kompliziert. Auf der Erde könnte es ebenfalls so sein, rein theoretisch, dass die Sonn’ ohn’ Unterlass auf eine Seite schiene. Man bräuchte keine Zeitzonen, es gäbe keinen Jetlag, aber dafür müsste unser Planet sehr viel näher an die Sonne heranrücken, so nahe, dass es auch bei vorbildlicher Klimapolitik auf der Tagseite viel zu heiß wäre. Zudem ist fraglich, ob die friedliche Aufteilung der Erde zwischen Freund:innen des Tag- und des Nachtlebens gelänge. Andererseits: The Dark Side of the Earth – Where Nightlife Never Ends. So ein Slogan klingt schon ein bisschen verlockend, oder? Wenn’s nur nicht so kalt wäre …