Leipziger Linke kritisieren den Zulauf bei autoritären Gruppen

Kein Zurück in Leipzig

Raucherecke Von Lukas Jocher

Ein Teil der Linken in der vermeintlichen Hochburg der Antideutschen diskutiert über den Zuwachs für autoritär-kommunistische und antizionistische Gruppen. Am Sonntag fand eine Kundgebung statt, die versuchte, inhaltlich dagegenzuhalten.

In der Leipziger Linken scheint sich etwas zu verändern. Galt die Stadt über Jahrzehnte als Hochburg der Antideutschen, tauchen in den vergangenen Jahren verstärkt autoritär-kommunistische und antizionistische Gruppen auf. Deshalb rief ein Zusammenschluss verschiedener anderer kommunistischer Gruppen zu einer Kundgebung gegen diese Entwicklung auf.

Etwa 150 Personen folgten dem Aufruf von Kappa, Fantifa Leipzig sowie Utopie und Praxis am Sonntag bei bestem Wetter. Die Kund­gebung war als Intervention gedacht und bewusst auf den 14. Mai, dem Tag der Staatsgründung Israels, gelegt. Seit Jahren sei der Tag »ein wichtiges Mobilisierungsmoment« für die unterschiedlichsten antizionistischen Gruppierungen, heißt es im Aufruf. Man wolle zeigen, dass es eine radikale Linke gibt, die ein Bewusstsein für Antisemitismus hat, so die Gruppen in ihrem gemeinsamen Aufruf. »Reclaim Antifa« war dementsprechend das Motto, unter dem man sich zusammenfand.

In den Redebeiträgen wurden vor allem der Mythos Nakba, linker Antisemitismus und regressive Kapitalismuskritik thematisiert.

Es sei schwierig, die tatsächliche Größe der neuen autoritär-kommunistischen Gruppen einzuschätzen, sagte ein Mitglied von Kappa der Jungle World. Kappa beobachte allerdings einen Zuwachs durch jüngere Linke, der sich in den Neugründungen äußere. Ein Vertreter des Leipziger Ladenschlussbündnisses, das sich gegen rechte Strukturen in Leipzig zur Wehr setzt, sagte der Jungle World, sie beobachteten »das Agieren autoritär-kommunistischer Gruppen schon seit einigen Jahren mit Sorge«.

Die Leipziger Abgeordnete des Sächsischen Landtags, Juliane Nagel (»Die Linke«), sieht die Situation etwas gelassener. Der Jungle World sagte sie, die Deutungsmacht dieser Gruppen sei gering. Ein Problem sei »die bisher zu wenig stattfindende Debatte in einer antiautoritären linken Szene«. Es brauche eine »offensive kritische Auseinandersetzung mit auto­ritären kommunistischen Konzepten und Transparenz über deren Agieren in Leipzig«. Die Sorge, antisemitische Positionen könnten sich etablieren, teilt sie ebenso wenig. »Antisemitische Positionen werden nicht wieder salonfähig«, so Nagel, »sie werden aber in jüngerer Zeit wieder unverhohlener und aggressiver zur Schau gestellt.«

2021 kam es rund um den 14. Mai zu Angriffen auf Teilnehmer einer israelsolidarischen Kundgebung. Ein Mitglied der Gruppe Kappa berichtete, dass es unter der diesjährigen Ankündigung bei Twitter Drohungen gegeben habe. »Schraubenzieher in die Niere für euch Täterenkel«, habe es in einem Kommentar geheißen. Abgesehen von ein paar Kreideschmierereien, die noch vor Beginn mit dem Besen weggekehrt worden waren, verlief die Veranstaltung allerdings ohne Zwischenfälle.

In den Redebeiträgen wurden vor allem der Mythos Nakba, linker Antisemitismus und regressive Kapitalismuskritik thematisiert. Mehrere Gruppen betonten, dass es ihnen nicht darum gehe, das individuelle Leid von Araber:innen im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskriegs zu relativieren. Vielmehr sei es ihnen ein Anliegen, historische Mythen zu korrigieren.

Ein Teilnehmer sagte der Jungle World, er habe zuvor Sorge vor einer »antideutschen Identitätsveranstaltung« gehabt, in der ­immer nur dieselben Aussagen zu hören wären. Zwar teile er die Sorge, dass antisemitische Positionen an Akzeptanz gewinnen könnten. Es helfe aber niemandem, sich immer wieder aufs Neue mit Israel-Fahnen auf Demonstrationen zu stellen. Dass die Fahne des jüdischen Staats allerdings nach wie vor eine Provokation darstellt, bewies die Reaktion zweier Passanten. Vom einen war »Free ­Falastin« (Falastin ist der arabische Name Palästinas) und vom anderen »Scheiß Ausländer, verpisst euch« zu hören.

Anderen beschrieben die Veranstaltung scherzhaft als »Klassentreffen«, bei dem ein Querschnitt der ostdeutschen antideutschen Linken zu sehen gewesen sei. Am Nachmittag endete die Kundgebung schließlich. Die Veranstalter schienen zufrieden und bedankten sich bei den 150 Teilnehmern. »Offenbar sind viele unzufrieden mit dem autoritären und antisemitischen Rollback in der Leipziger Linken«, hieß es danach auf Twitter.