M. Meier, Bewohner:in, über Widerstand gegen Verdrängung in einem Haus in Berlin-Neukölln

»Wir verteidigen selbstverständlich unseren Wohnraum«

Small Talk Von René Thannhäuser

In der Hermannstraße 48 in Berlin-Neukölln fürchten Mieter:innen ihre Verdrängung. Derzeit gebe es keine Kommunikation zwischen Mieter:innen und Eigentüm­er:innen, heißt es in einer Pressemitteilung der Haus­be­wohn­er:innen vom Mai. Obwohl die Eigentüm­er:in­nen noch im Herbst Verkaufsbereitschaft für das Haus signalisiert hätten, seien seitdem mehrere Versuche des landeseigenen Wohnungsunternehmens »Stadt und Land«, in Verhandlung zu treten, erfolglos geblieben. Die Mieter:innen rufen nun für den 25. Mai zur Kundgebung auf. Die »Jungle World« sprach mit M. Meier, einer Person, die seit 13 Jahren zur Miete in dem Haus wohnt.

2021 hat der Bezirk Neukölln euch, die Mieter:innen, als Käufer:innen eures Hauses im Rahmen des Vorkaufsrechts eingesetzt. Wie ist es dazu gekommen?
Die Mieter:innen hatten sich schon einige Jahre zuvor in einem Hausverein organisiert. Wir sind auf die Alteigentümer:in zugegangen, um mit ihr über den Kauf des Hauses zu sprechen, hatten dabei aber keinen Erfolg. Als wir dann erfahren haben, dass ein Kaufvertrag über unser Haus geschlossen worden ist, haben wir uns schnell organisiert und alles getan, um die Voraussetzungen dafür zu erfüllen, unser Haus selbst zu kaufen. Das hat den Baustadtrat in Neukölln überzeugt, und so wurden wir als Vorkäufer:innen unseres Hauses eingesetzt. Wir konnten glaubwürdig darstellen, dass wir das Haus mit seiner Mieter:innenstruktur erhalten werden. Leider hat die Gegenseite geklagt. Damit hingen wir in der Schwebe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat schließlich im November 2021 die gängige Vorkaufsrechtspraxis für unzulässig erklärt. Was hat das für euch bedeutet?
Das Resultat ist: Wir können unser Haus nicht kaufen. Der Eigentümer:innenwechsel hat stattgefunden und der Wille von einzelnen privaten Akteur:innen tyrannisiert etwa 140 Mie­ter:in­nen. So ist es ja überall, aber wir wollen das nicht hinnehmen.

Was sind die Auswirkungen des Eigentümer:innenwechsels?
Da gibt es schon einiges: Die Wohnungen eines Teils unseres Hauses standen bereits auf mehreren Immobilienseiten und wurden als Gewerbeflächen zur Vermietung angeboten. Dazu muss man sagen, dass ein Teil der Wohnungen als Gewerberäume genehmigt ist, obwohl dort seit Jahrzehnten zum Wohnen vermietet wird. Wir haben in unserem Kampf erfahren, wie vielen Menschen in Berlin auf diese Weise ihre Mieter:in­nenrechte vorenthalten werden. Aber es gibt auch weitere Folgen: Einem Träger der Behindertenhilfe wurden zum Jahresende die Räume gekündigt. Ein alteingesessener Friseurladen hat eine Mieterhöhung um circa 50 Prozent bekommen. Unser langjähriger und geschätzter Hauswart wurde gekündigt. Außerdem haben kürzlich Vermessungen der Dachgeschosse von Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude stattgefunden. Es ist mit Dachausbauten samt Fahrstühlen zu rechnen. Unsere Nachbar:innen mit zum Teil sehr geringem Einkommen werden perspektivisch mit nur schwer verkraftbaren Mieterhöhungen zu rechnen haben. Gleichzeitig steht hier seit langem Wohnraum leer, was angesichts der angespannten Situation für Mieter:innen in Berlin ein Skandal ist.

Wie wollt ihr euch wehren? Was habt ihr vor?
Wir verteidigen selbstverständlich unseren Wohnraum und die alteingesessenen Gewerbe! Wir machen eine Kundgebung am 25. Mai, um 18 Uhr, vor unserem Haus. Dazu laden wir alle ein, die uns unterstützen möchten. Wir möchten unsere Situation als Aufhänger nutzen, um auf die mietenpolitischen Probleme in Berlin und bundesweit aufmerksam zu machen. In unserer Sache setzen wir weiterhin alles daran, unser Haus in gemeinwohlorientierte Hände zu bringen.