Für die Anti-Choice-Bewegung sind Frauen lediglich Gebärmaschinen

Die Frau als gebärendes Objekt

Kommentar Von Debora Eller

Der Anti-Choice-Bewegung geht es weder um Frauen- noch um Menschenrechte.

»Den lauten Menschen auf der anderen Seite ist klar, dass ihnen die Zeit davonläuft«, rief Alexandra Maria Linder, Vorsitzende des ­Bundesverbands Lebensrecht, am Samstag beim sogenannten Marsch fürs Leben in Berlin. Laut Polizei demonstrierten rund 2.000 Menschen mit Linder für ein Abtreibungsverbot, die Veranstalter gaben 4.500 an.

Ein paar Hundert Menschen stellten sich ihnen entgegen. Dieser linken und feministischen Gegendemonstration galten Linders Worte. »Denn sie wissen, dass der nächste Bundestag, wie auch immer er zusammengesetzt sein wird, keine Mehrheit für Gesetze haben wird, die Menschen im Stich lassen und ihnen Todesangebote statt Lebensoasen anbieten.«

Die meisten der Abtreibungsgegner haben einen christlich-fundamentalistischen bis rechtsextremen Hintergrund, bemühen sich aber in der Öffentlichkeit um eine Rhetorik der Menschenrechte und hoffen damit auf eine größere gesellschaftliche Akzeptanz.

»Jedes Kind will leben« oder »Abtreibung ist Unrecht« stand auf den Schildern der Abtreibungsgegnerinnen und -gegner. Die meisten von ihnen haben einen christlich-fundamentalistischen bis rechtsextremen Hintergrund, bemühen sich aber in der Öffentlichkeit um eine Rhetorik der Menschenrechte und hoffen damit auf eine größere gesellschaftliche Akzeptanz. Rein religiöse oder völkische Argumentationsmuster sind eher randständig. Die Bewegung inszeniert sich dabei nicht bloß als Verfechterin der Rechte von Ungeborenen, sondern auch derer von ungewollt schwangeren Frauen.

Ihr Slogan »Frauenrechte beginnen im Mutterleib«, wie er in Berlin zu lesen war, ist dabei mehr als fragwürdig: Einerseits, weil das Ziel der Abtreibungsgegnerinnen und -gegner die Einschränkung von Frauenrechten bedeutet, und andererseits, weil sie Frauen implizit unter einen Gebärzwang stellen wollen. Ungewollt schwangeren Frauen die Möglichkeit einer legalen Abtreibung zu verwehren, würde diese schlimmstenfalls dazu nötigen, unsichere illegale Wege des Abbruchs zu finden. Das wiederum stellt ein enormes gesundheitliches Risiko dar. Ein Verbot verhindert Schwangerschaftsabbrüche nicht. Abtreibungsgegnerschaft bedeutet somit letztlich Gewalt gegen Frauen.

»Erhaltung eines deutschen Volkskörpers«

Folgerichtig ist der Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen für die Weltgesundheitsorganisation eine Menschenrechtsfrage, wie sie in einem Grundsatzpapier Mitte Mai festhielt. Um ungewollten Schwangerschaften und damit Abtreibungen tatsächlich vorzubeugen, sollte stattdessen in eine aufklärende Sexualpädagogik und in Erforschung und Entwicklung besserer Verhütungsmethoden investiert werden.

Seit vielen Jahren ist eine Allianz zwischen christlichen Fundamentalistinnen und Fundamentalisten und der (extremen) Rechten zu beobachten. So warb die AfD nicht nur für die Demonstration, mit Beatrix von Storch nahm zudem mindestens eine Bundestagsabgeordnete der Partei an ihr teil. Fundamentalistinnen und Fundamentalisten sehen einen »göttlichen Willen«, der sich in der Schwangerschaft zeige und dem man sich zu fügen habe. Die Frau müsse ihren Körper diesem Willen zur Verfügung stellen. Den Rechtsextremen geht es um die »Erhaltung eines deutschen Volkskörpers«, den sie durch einen allgemeinen Geburtenrückgang bei gleichzeitiger Zuwanderung in Gefahr sehen.

LGBT-Feindlichkeit beider Lager

»Mutter werden – Mehr Frausein geht nicht« liest und hört man immer wieder bei den Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern. Hier wird die Reduktion der Frau auf ihre Gebärfunktion deutlich, in der sich die Gläubigen mit den Rassisten einig sind. Die Frau wird als bloßes Objekt verhandelt und ihre reproduktive Potenz als allgemeingesellschaftliches Gut. Daran knüpft die LGBT-Feindlichkeit beider Lager direkt an: LGBT-Personen wirft man die »Verweigerung« der sexuellen Reproduktion und die Abkehr von Geschlechter­stereotypen vor.

Die Anti-Choice-Bewegung, ob fundamentalistische Christinnen und Christen oder Rechte, ist nicht aus unreflektiertem Traditionalismus heraus gegen Abtreibungen, sondern weil ihr Gesellschaftsentwurf die Frau als gebärendes Objekt setzt: Wenn Frauen ohne reproduktive Absicht Sex haben, ermöglicht ihnen das ein eigenes Begehren, wodurch sie sich als selbstbestimmtes Subjekt erfahren können. Die Anti-Choice-Bewegung ist daher als ein Zusammenschluss von antimodernen und misogynen Gruppierungen zu verstehen.