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Eine Sektion der Basisgewerkschaft FAU für die Landwirtschaft hat ihr Programm vorgestellt
Die Gewerkschaft fürs Grüne
Die Initiative Grüner Gewerke der anarchosyndikalistischen FAU organisiert Arbeiter:innen in der Landwirtschaft. Nun hat sie ein Grundsatzprogramm vorgestellt.
Nur noch gut 900.000 Menschen arbeiten hierzulande in der Landwirtschaft. Fast 400.000 von ihnen sind Landwirte oder deren Familienangehörige, der Rest sind Angestellte. Von denen wiederum sind gut die Hälfte Saisonarbeiter:innen, darunter viele Migrant:innen, besonders aus Osteuropa. Für diese sind die Arbeitsbedingungen besonders mies, oft wird das Arbeitsrecht systematisch umgangen. Doch auch für deutsche Arbeiter ist die Tätigkeit in den häufig kleinen und mittleren Betrieben meist hart und schlecht bezahlt.
Die Initiative Grüner Gewerke (IGG), eine neue Basisgewerkschaft, die der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter:innen-Union (FAU) angehört, will diese Verhältnisse ändern. Die Anfänge der IGG gehen auf einen wilden Streik im Jahr 2020 zurück. Bei der Firma Ritter, die in Bornheim Spargel und Erdbeeren anbaut, legten gut 150 Kolleg:innen – vor allem aus Rumänien – die Arbeit nieder. Die FAU unterstützte sie damals. Daraus entstand 2022 eine Initiative für die Bereiche Landwirtschaft, Gartenbau, Forst und Umweltberufe: die IGG.
Bei den großen Agrarbetrieben in Ostdeutschland, den vormaligen LPG, gebe es oft noch halbwegs gute Arbeitsbedingungen und ganzjährig angestelltes Fachpersonal, sagt Wolf Meyer von der IGG.
Sie beteiligt sich seitdem an betrieblichen Auseinandersetzungen, griff in die Bäuer:innenproteste im Winter 2023/2024 ein und baut ihre Basis bundesweit aus. Die Kolleg:innen helfen einander bei der Suche nach Jobs sowie Aus- und Weiterbildungsplätzen, warnen einander vor schlimmen Betrieben und unterstützen Kollektivbetriebe.
Inzwischen bestünden Kontakte in etwa 400 Betriebe, sagt Wolf Meyer von der IGG der Jungle World. Lokale Zusammenschlüsse gebe es in Dresden, Freiburg und Leipzig sowie im Raum Köln und zwischen Kassel und Göttingen. Derzeit werde der Aufbau erster Betriebsgruppen vorbereitet.
Die IGG verstehe sich als bundesweite Koordinationsstelle, dort würden Informationen gesammelt, etwa zu Arbeitskämpfen und Unfällen. Die Strategie bestehe darin, zuerst »in der eigenen bubble« zu organisieren – das heißt: in kleineren ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Ein Problem in diesen sei, dass sich Beschäftigte häufig mit ihren Betrieben identifizierten und deshalb Nachteile in Kauf nähmen. Grundsätzlich seien die dortigen Arbeitsverhältnisse aber nicht besser oder schlechter als im konventionellen Bereich.
Mit mehr Ressourcen ausgestattet ist die Initiative Faire Landarbeit
Problematisch sei die Lage besonders in mittelgroßen Betrieben, die ums Überleben kämpfen, und in Unternehmen der sogenannten Sonderkulturen wie Spargel oder Erdbeeren, deren Anbau und Ernte besonders arbeitsintensiv sind. Dort seien die meisten migrantischen Arbeiter:innen beschäftigt. Bei den großen Betrieben in Ostdeutschland, den vormaligen LPG, gebe es oft noch halbwegs gute Arbeitsbedingungen und ganzjährig angestelltes Fachpersonal, sagt Meyer. Doch verfolgten sehr wenige dieser Betriebe eine umwelt- und tierschonende Wirtschaftsweise.
Die Organisierung von migrantischen Arbeiter:innen sei wegen der Fluktuation und der Sprachbarrieren schwierig. »Unsere Perspektive ist, zunächst mit Partnerorganisationen in den Herkunftsländern, in Bulgarien, Rumänien oder der Ukraine zusammenzuarbeiten«, so Meyer.
Mit deutlich mehr Ressourcen ausgestattet ist zum Beispiel die Initiative Faire Landarbeit, ein Bündnis der Gewerkschaft IG BAU und gewerkschaftsnaher sowie kirchlicher Beratungsstellen. Sie kontaktiert mit zahlreichen Mitarbeitern regelmäßig ausländische Saisonarbeiter auf deutschen Äckern, klärt sie über ihre Rechte auf und erstellt einen jährlichen Bericht über die oft krassen Ausbeutungsverhältnisse in deutschen Landwirtschaftsbetrieben.
Betriebspolitisches Programm veröffentlicht
Mit ihrer Basisarbeit scheint die anarchosyndikalistische IGG jedoch bei vielen gut anzukommen, sagt Meyer. »Es ist ein gutes Gefühl. Wir rennen offene Türen ein, viele haben auf so etwas gewartet.« Die Resonanz führt er auch darauf zurück, dass der Agrarsektor sehr politisiert sei. Selbst konventionell wirtschaftenden Bäuer:innen seien die ökologischen Probleme oft bewusst, etwa dass Böden durch intensive Bewirtschaftung zerstört werden. »Das packt Leute bei ihrem Berufsethos, jede Frage wird sofort politisch diskutiert, die IGG trifft einen Nerv«, erzählt er.
Nun hat die IGG erstmals ein betriebspolitisches Programm veröffentlicht. Es sei auf einem Basistreffen 2024 erarbeitet worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Als Grundlage dienten der IGG zufolge Umfragen und Gespräche unter und mit mehreren Hundert Kolleg:innen. Das fertige Programm sei dann durch Urabstimmungen angenommen worden. Es soll eine Richtschnur für die weitere Arbeit sein.
Zu den zentralen Forderungen gehören deutlich höhere Löhne in allen Bereichen, ein Minimum von 15 Euro Stundenlohn brutto, auch für Minderjährige, sowie das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit, unabhängig von Geschlecht und Staatsangehörigkeit. Hinzu kommen Recht auf Teilzeit und 30 Urlaubstage im Jahr bei maximal sechs Arbeitstagen pro Woche. Außerdem müsse die berufliche Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich fachlich wie monetär aufgewertet werden, zum Beispiel durch ein höheres Gehalt.
Land- und Forstwirtschaft die gefährlichsten Arbeitsbereiche
Obwohl Land- und Forstwirtschaft die gefährlichsten Arbeitsbereiche darstellen, muss immer noch darum gekämpft werden, dass der Arbeitsschutz gewährleistet wird. Das Recht, die Arbeit zu verweigern, wenn Schutzvorschriften nicht eingehalten werden, soll in Arbeits- und Tarifverträgen festgeschrieben werden, fordert deshalb die IGG.
Dabei betont die IGG, es gehe nicht nur um höhere Löhne oder Arbeitsschutz, sondern um eine »nachhaltige, solidarische Gesellschaftsordnung«. Deshalb befassten sich die Kolleg:innen auch mit »Alternativen zum Kapitalismus« sowie Konzepten zur Agrarwende und solidarisieren sich mit Bewegungen von Landarbeiter:innen in Spanien, Myanmar, Panama und den USA. Die »Demokratisierung der Wirtschaft« sei eines der grundlegenden Anliegen anarchosyndikalistischer Gewerkschaftsarbeit, heißt es im Programm.
Dazu gehört auch, Kollektivbetriebe zu unterstützen. Aber die Kollektivierung von Betrieben zu fordern, ohne die grundsätzlichen wirtschaftlichen Bedingungen zu verändern, würde bedeuten, dass Arbeiter:innen weiterhin mit den herrschenden Marktzwängen zurechtkommen müssen, sagt Meyer. Gerade die Landwirtschaft sei durch Konzentration und Oligopole im Einzelhandel bestimmt. Um grundsätzlich mit dem entfremdenden Charakter der Arbeit und dem Druck des Marktes zu brechen, brauche es größere kooperative Strukturen und Bewegungen.
