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Noch ein »Dracula«-Film – Luc Besson zeigt den Blutsauger als vulnerable Persönlichkeit
Ein Vampir, der auch Tageslicht verträgt
Rund 200 Filmadaptionen gibt es bereits, nun hat sich auch der französische Regisseur Luc Besson in »Dracula – Die Auferstehung« den Blutsauger vorgeknöpft und sichtlich Mühe, der Figur neue Seiten abzugewinnen.
Die Schlafgemächer eines Schlosses in den Karpaten im 15. Jahrhundert. Prinz Vlad (Caleb Landry Jones) verbringt die Tage in leidenschaftlicher Umarmung oder beim kindlichen Spiel mit seiner Geliebten Elisabeta (Zoë Bleu Sidel). Um ihn aus dieser an Erotikfilme à la David Hamilton erinnernden Zweisamkeit loszueisen und ihn in seine Rüstung zu stecken, müssen Generäle und Vasallen regelmäßig sanfte Gewalt ausüben. Immerhin hat ihr Prinz eine dringende Aufgabe: Er soll das christliche Europa gegen eine gewaltige aus Osten andrängende osmanische Streitmacht verteidigen.
Doch in den Krieg zu ziehen und Blut zu vergießen, behagt Vlad nur bedingt; erst mal fordert er von Gott eine Gegenleistung: Der Allmächtige soll Elisabeta während seiner Abwesenheit beschützen. Seine Gebete bleiben unerhört. Als Elisabeta getötet wird, fällt der Kriegsheld vom Glauben ab. Er verflucht Kirche und Gott – und wird zu Dracula, dem auf ewig zu Blutdurst verdammten Vampir, dem der erlösende Tod versagt bleibt.
Ging es Robert Eggers in seiner alptraumhaften Neubearbeitung des Stoffs um den Zusammenhang von Angst und verdrängter Sexualität im Patriarchat, interpretiert ihn Besson vor allem als »A Love Tale«, wie es im Originaltitel heißt.
Die von dem irischen Schriftsteller Bram Stoker 1897 geschaffene Figur des transsylvanischen Vampirs, der seinen Blutdurst am liebsten an Frauen aus der großbürgerlichen Gesellschaft Westeuropas stillt, hat bereits unzählige Filme inspiriert. Erst Anfang dieses Jahres erschien der US-amerikanische Horrorfilm »Nosferatu – Der Untote«, Robert Eggers’ grandioses Remake von Friedrich Wilhelm Murnaus »Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens«. Dieser Stummfilmklassiker von 1922 wiederum ist der erste erhaltene Dracula-Film und beruht vor allem aus urheberrechtlichen Gründen eher lose auf der Romanvorlage.
Die Gestalt des blutsaugenden Grafen mag mittlerweile etwas angestaubt sein, dennoch scheinen sich Filmemacher:innen noch immer von der Figur und dem Stoff herausgefordert zu fühlen. Mit einer »Dracula«-Adapation reiht man sich in eine lange Reihe von Regiegrößen ein. Nun gesellt sich mit Luc Besson der einsame Wolf unter den französischen Kultfilmern zu der illustren Schar der Interpreten. Seine Spezialität war, von »Nikita« (1990) über »Léon – Der Profi« (1994) bis zu »Lucy« (2014), immer schon der etwas megalomanische Genremix.
Mit dem Science-Fiction-Film »Das Fünfte Element« schuf er einen der kommerziell erfolgreichsten europäischen Filme und seine ganz eigene Version des Blockbusterkinos, dem das Hollywood-Spektakel Vorbild und Feindbild zugleich ist (Jungle World 35/1997). Er verlässt sich mehr auf Effekt als auf Stringenz und Plausibilität und vermag mit seiner Kombination aus Witz, Zitierwut und Küchenphilosophie durchaus zu unterhalten.
Ging es Eggers in seiner alptraumhaften Neubearbeitung des Stoffs um den Zusammenhang von Angst und verdrängter Sexualität im Patriarchat, interpretiert ihn Besson in »Dracula – Die Auferstehung« vor allem als »A Love Tale«, wie es im Originaltitel heißt.
Alles Unheimliche oder gar Erschreckende verloren
Mit Caleb Landry Jones spielt der somnambul bis verstrahlt wirkende Liebling des gegenwärtigen Independent-Kinos die Titelfigur des adligen Vampirs. Besson hatte bereits in seinem düsteren Psychothriller »Dogman« (2023) mit Jones zusammengearbeitet. Dem Grafen mit dem staunenden Lächeln nimmt man in jeder Einstellung ab, dass Liebestaumel und Schmerz über den Verlust der Angebeteten ihn antreiben. Er will zurückbekommen, was er verloren hat. Damit geht dem Film allerdings alles Unheimliche oder gar Erschreckende verloren, das Eggers ähnlich wie Murnau vor allem dadurch erzeugte, dass er sein Monster im Dunklen beließ und den Charakter auch nicht psychologisch ausdeutete. Insbesondere in der deutschsprachigen Kritik wurde das seinem »Nosferatu« als Schwäche vorgehalten und damit verkannt, wodurch er die größte Wirkung erzielt.
Über den Tod hinausreichende Liebe erscheint dagegen fast unoriginell. Den liebeskranken Vampir hat bereits Klaus Kinski in Werner Herzogs »Nosferatu – Phantom der Nacht« (1979) verkörpert. Und auch das enfant terrible unter den größenwahnsinnigen Filmemachern, Francis Ford Coppola, hat in seinem sehr werkgetreuen Film »Bram Stoker’s Dracula« (1992) mit Gary Oldman in der Titelrolle die unsterbliche Liebe zum Hauptmotiv gemacht.
Mit Coppolas »Dracula« teilt Bessons Film nicht nur die Opulenz. Stilistisch und in der Ausstattung scheint es bisweilen, als habe Besson Coppola eher kopiert als zitiert. So in der Schlüsselszene der Vorgeschichte mit ihrem schier endlos währenden Sturz aus dem Fenster des Schlosses in die Schlucht – auch wenn es bei Coppola die Prinzessin ist, die fällt, bei Besson hingegen der Prinz bei seinen Versuchen, sich umzubringen.
Zwar erreicht Besson kaum einmal die Kraft der häufig scherenschnittartigen Verdichtungen Coppolas, doch kommt hier immerhin die für viele Filme Bessons typische Art des gewitzten Samplings von Motiven der Filmgeschichte zum Tragen. Die Idee des wiederholten Sprungs in den Tod kann durchaus als Reminiszenz an Roman Polanskis seinerzeit umstrittenes Meisterwerk »Der Mieter« (1976) verstanden werden. Vor allem aber erinnert die Art, wie Besson den Grafen selbst in seinen vielen Gestalten in Szene setzt, immer wieder an Gary Oldmans Darstellung und dessen Maskenbild.
Dennoch weicht Besson in entscheidenden Punkten von seinen Vorgängern ab. Für Dracula-Expert:innen dürfte es einen Großteil des Vergnügens ausmachen, Bessons Neuerfindungen zu bemerken und einzuordnen.
Insgesamt wirkt dieser Vampir menschenfreundlicher als seine Vorgänger. An den Höfen Europas macht er sich – Tom Tykwers belanglose Patrick-Süskind-Verfilmung »Das Parfüm« (2006) lässt grüßen – die Frauen durch einen von ihm selbst eigens zu diesem Zweck kreierten Duft zu Komplizinnen. Dafür reist er zunächst um die Welt, wobei es sich als praktisch erweist, dass der Vampir Besson’scher Prägung – ähnlich wie in Stokers Roman – durchaus im Licht des Tages wandeln kann, solange er sich nicht direkter Sonneneinstrahlung aussetzt. Als Orte der Beziehungsanbahnung dienen ihm immer wieder Bälle und Tanzveranstaltungen. Hier schwelgt der Film in aufwendig kostümierten und choreographierten Tanz- und Massenszenen mit Witz und Schauwert.
Blut- und sexsüchtigen Gefährtinnen im Schloss des Grafen
Auf die blut- und sexsüchtigen Gefährtinnen im Schloss des Grafen verzichtet Besson. Stattdessen gebietet Dracula zu Hause über eine Armee von Gargoyles – steinernen Wesen, die auf einen Wink des Meisters zum Leben erwachen und ihre Plätze auf Pfeilern und Simsen verlassen, um zu Diensten zu sein und zu kämpfen. Sie bewachen denn auch Jonathan Harker (Ewens Abid). Denn als der gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorstellig wird, um dem Grafen eine Immobilie zu verkaufen, erkennt Dracula in dessen Frau Mina seine Elisabeta. Also vertraut er Harker den steinernen Gehilfen an und macht sich auf den Weg nach Paris (im Roman hingegen ist bekanntlich London neben Transsylvanien der Schauplatz der Handlung).
Bis zum großen Finale folgt die Erzählung dann routiniert den bekannten Stationen. Erst als Harker und die von einem Priester (Christoph Waltz) angeführten Vampirjäger das liebende Monster und seine ihm verfallene Beute stellen, setzt Besson wieder eigene Akzente. Im Kanonendonner des Endkampfs wird ausgehandelt, was die Liebe, von der ständig die Rede ist, überhaupt wert ist.
Dracula – Die Auferstehung (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Finnland 2025). Buch und Regie: Luc Besson. Darsteller: Caleb Landry Jones, Christoph Waltz, Zoë Bleu, Matilda De Angelis. Filmstart: 30. Oktober
