Suchergebnisse
Stimmen aus Gaza, die sonst kaum Gehör finden

Screenshot aus dem Filmprojekt »Whispered in Gaza«, Bildquelle: Center for Peace Communications
Das New Yorker Center for Peace Communications hat 25 Kurzfilme veröffentlicht, in denen Bewohner des Gazastreifens offen ihre Ängste und Nöte, Wünsche und Sehnsüchte äußern. Es sind Menschen, die Israelis nicht als Feinde betrachten und die Terrororganisation Hamas lieber heute als morgen los wären. Ihre Bekenntnisse sind bemerkenswert – und gar nicht so selten, wie man vielleicht denkt.
Das Ritual ist hinlänglich bekannt: Kommt es in Israel zu einem Anschlag palästinensischer Terroristen, bei dem Israelis getötet werden, finden in Gaza regelmäßig Freudenfeiern statt. Die Hamas verteilt Süßigkeiten an Passanten, es gibt ein Feuerwerk, Menschenmengen bejubeln die Morde auf offener Straße. »Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod«, lautet eine islamistische Parole, die sich in diesen Zeremonien manifestiert. Solche Bilder schockieren jeden, der auch nur ein Fünkchen Empathie im Leib hat.
Doch es gibt im Gazastreifen beileibe nicht nur Menschen, die hinter der Hamas stehen und sich über die Ermordung von Juden freuen. Der herrschenden Terrororganisation zu widersprechen oder sie zu kritisieren, noch dazu öffentlich, zieht aber massivste Repressalien nach sich und kann lebensgefährlich sein. Dennoch haben die betreffenden Palästinenser im Herrschaftsgebiet der Hamas ein Gesicht und eine Stimme, nur sieht und hört man sie eher selten. Das will das Center for Peace Communications (CPC), eine Non-Profit-Organisation aus New York, mit seinem Projekt »Whispered in Gaza« (»Geflüstert in Gaza«) ändern, das im Januar online gegangen ist.
In insgesamt 25 untertitelten Kurzfilmen, von denen keiner länger als zweieinhalb Minuten dauert, kommen Bewohner des Gazastreifens zu Wort. Die Videoclips bieten authentische und berührende Einblicke in ihren Alltag; man erfährt Geschichten über Probleme, Sorgen und Nöte, die durch die Hamas drastisch verschärft werden, und über Erwartungen, Hoffnungen und Träume, die diese Menschen nicht verwirklichen können und dürfen.
So wie der Bruder von Fatima, der in Gaza als Straßenverkäufer arbeitete und Gemüse verkaufte, das seine Mutter anbaute. Die Hamas-Polizei konfiszierte zwei Jahre lang immer wieder seine Waren und verlangte Schmiergeld von ihm, schlug ihn und sperrte ihn ins Gefängnis, wie Fatima erzählt. Ihr Bruder sei vor der Hamas geflohen, um ein besseres Leben führen zu können.
Fließende Grenze zwischen Besteuerung und Raub
Vielen in Gaza ergehe es wie ihm, weiß Fatima. Die Grenze zwischen Besteuerung und erpresserischem Raub ist fließend. Umfragen zufolge halten 73 Prozent der Bevölkerung die Hamas für korrupt. Als die Hamas im Jahr 2019 mehrere neue Steuern einführte, gab es unter dem Motto »Wir wollen leben« Proteste von etwa tausend Menschen, die von der Hamas brutal niedergeschlagen wurden.
Das amerikanische Finanzministerium nahm vergangenes Jahr ein Netzwerk von der Hamas nahestehenden Personen und Unternehmen ins Visier, die über 500 Millionen Dollar in ein geheimes Investitionsportfolio gesteckt hatten, und stellte fest, dass die Hamas »riesige Summen an Einnahmen generiert, während sie den Gazastreifen destabilisiert, der mit harten Lebens- und Wirtschaftsbedingungen konfrontiert ist«.
Safa, eine Fotojournalistin, versuchte die Demonstrationen von 2019 zu unterstützen, indem sie für internationale Medien darüber berichtete. Doch wie sie in einem der 25 Clips erklärt, zertrümmerte die Hamas-Polizei ihre Kamera und ihre Hand, inhaftierte und folterte ihre Familienmitglieder und drohte sogar ihren Verwandten im Ausland, ihre Angehörigen in der Heimat zu bestrafen, sollten sie Informationen über die Proteste in den sozialen Medien veröffentlichen. Safa will sich gleichwohl nicht entmutigen lassen und glaubt, dass »am Ende etwas passieren wird, das die Menschen dazu bringt, wieder auf die Straße zu gehen«.
Drohende Gewalt und Inhaftierung
So wie Safa ging es vielen: Der Internationalen Journalisten-Föderation zufolge wurden 42 Journalisten aus dem Gazastreifen während der Proteste 2019 ins Visier genommen und waren körperlichen Angriffen, Vorladungen, Drohungen, Verhaftungen und der Beschlagnahmung von Ausrüstung ausgesetzt. Freedom House, das die Pressefreiheit im Gazastreifen auf einer Skala bis 4 mit 0 bewertet, berichtet: »Journalisten und Blogger sind weiterhin Repressionen ausgesetzt, meist durch den internen Sicherheitsapparat der Hamas-Regierung.« Die Foreign Press Association stellte fest, dass die Unterdrückung der »Wir wollen leben«-Bewegung nur »die jüngste in einer Reihe von abschreckenden Angriffen auf Reporter in Gaza« war.
In einem anderen Video berichtet Ahmed, wie Hamas-Polizisten kamen, um in seinem Haus den Strom abzuschalten. Sein Cousin, ein Kind mit Down-Syndrom, habe versucht, sie aufzuhalten. Daraufhin hätten vier Polizisten den Jungen geschlagen und mit scharfer Munition auf das Haus geschossen. Ahmed filmte den Vorfall und stellte das Video in den sozialen Netzwerken online, der Clip ging viral. Die nächsten drei Tage habe er damit verbracht, vor den Hamas-Behörden zu fliehen.
Bei Geldnot Krieg gegen Israel
Zainab wiederum möchte die Welt wissen lassen, »dass es ein falsches Klischee gibt, nachdem Palästinenser in Gaza Raketen und Kriege lieben«. Während die von der Hamas kontrollierten Medien daran arbeiteten, der Jugend »Blutdurst einzuflößen«, bestehe ihr eigener Kampf darin, Israelis und Palästinensern gleichermaßen zu sagen, »dass ich hier in Gaza ein menschliches Wesen bin und keine Bestie, keine Terroristin, keine Liebhaberin von Waffen«.
Die Kriege gegen Israel würden von der Hamas »zu politischen Zwecken, die nur ihr selbst nutzen« angezettelt, so Zainab, und nennt ein Beispiel: Ist die Hamas in finanziellen Nöten, beginne sie einen Krieg, um ihren Unterstützer Katar zu animieren, sie mit Geld zu versorgen. »Wir wollen keinen Krieg, sondern nur ein anständiges Leben«, sagt sie. Es sei falsch, Juden als Feinde zu betrachten und sie zu töten. Und es sei falsch zu glauben, dass die Hamas Waffen zur »Befreiung« benötige. Sie nutze sie vielmehr »für ihre eigenen Interessen«, und längst nicht alle Palästinenser stünden auf ihrer Seite.
Stimmen für ein weltoffenes Gaza
Eine andere Frau, auch sie wird als Zainab vorgestellt, träumt ebenfalls von einem Gaza ohne Krieg und zudem frei von religiösem Zwang, wo »jeder ein Einkommen und einen Lebensunterhalt finden kann«. An diesem neuen Ort »steht es den Frauen frei, den Hijab abzulegen oder ihn zu tragen«. Es solle ein Gaza sein, das »offen für die Welt ist«, mit Kinos und Bars wie in jeder anderen Stadt. »Ich will nicht, dass es Kriege und Raketen gibt«, sagt sie. »Wir und die Israelis sind ein Volk. Wir sollten alle in Frieden leben.«
Das sind Bedürfnisse und Sehnsüchte, die im krassen Gegensatz zur menschenverachtenden Ideologie der Hamas stehen. Im Dezember vergangenen Jahres gab die Anführerin der Hamas-Frauenbewegung ein Interview, in dem sie über die von der Hamas geförderte »Kultur der Märtyrerinnen« sprach. Demnach habe ein Mädchen »nur eines im Sinn: ihrem Herrn durch ihr Blut und ihre Körperteile zu begegnen«. Da in Gaza »die meisten Kindergärten unseren Schwestern in der Hamas gehören«, wie Zainab sagt, würden die Kinder »von klein auf im Sinne dieser Kultur und dazu, den Jihad zu lieben und Allah begegnen zu wollen«, erzogen.
Eingeschränkte Grundfreiheiten für Frauen
Fatima, Safa, Ahmed und die beiden Zainabs heißen – wie auch die anderen Gesprächspartner – in Wirklichkeit anders. Das Center for Peace Communications hat ihnen neue Namen gegeben und ihre Stimmen technisch verändert, um sie nicht zu gefährden. Entsprechend werden auch ihre Gesichter nicht gezeigt, stattdessen setzt das CPC die Interviewten, aber auch die Interviewerinnen und Interviewer, per Trickfilmanimation in Szene. Das macht die Kurzfilme noch einmal besonders eindrücklich und unverwechselbar.
Die Interviews fanden im Laufe des vergangenen Jahres statt, wie das CPC in einer Begleitpublikation schreibt. Befragt wurden demnach palästinensische Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten und dem gesamten Gazastreifen zu ihrem Leben, ihrer Not und ihren Hoffnungen, mit dem ausdrücklichen Ziel, ihre Aussagen mit einem weltweiten Publikum zu teilen.
Vor allem Frauen schildern die Verletzung ihrer persönlichen Grundfreiheiten; Eltern erzählen von ihrer Angst, ihre Kinder der Indoktrination durch die Hamas in den örtlichen Schulen auszusetzen. Fachleute berichten über ihre Erfahrungen mit dem lokalen Patronagesystem, das den privaten Sektor sowie die meisten Lebensbereiche umfasst und Hamas-Mitglieder samt ihrer Familien bereichert, während die Mehrheit der Bevölkerung an den Rand gedrängt wird.
Aggressive Reaktion der Hamas
»Es gab viele Versuche der Bewohner des Gazastreifens, auf eigene Faust und mit großem Mut mit der Außenwelt etwa über soziale Medien in Kontakt zu treten, die jedoch ins Leere liefen, nachdem die Hamas sie unterdrückte«, sagte Joseph Braude, Präsident des CPC, in der Sendung »Frankly Speaking« von Arab News. »Wir wollten daher einen kreativen Weg finden, um eine Plattform für sie zu schaffen. Und wir haben einen Weg gefunden, dies mithilfe von Technologie und Animation zu tun.«
Die Geschichten würden dadurch zwar ohne die Gesichter der Beteiligten erzählt, so Braude. »Andererseits erreichen sie ein viel größeres Publikum, denn die Tragödie der Kommunikationsblockade durch die Hamas besteht darin, dass sie die Inhalte, welche die Bewohner des Gazastreifens zu veröffentlichen versuchen, erfolgreich unterdrückt hat.«
Entsprechend aggressiv reagierte die Hamas auch auf »Whispered in Gaza«. Das CPC schrieb am 24. Januar auf Twitter, wenige Tage nach der Veröffentlichung der ersten Videos »von Pro-Hamas-Accounts überschwemmt« worden zu sein, die das Projekt angegriffen hätten. Nutzer hätten einen der Gesprächspartner beschuldigt, »ein Geheimdienstmitarbeiter zu sein«. CPC-Präsident Braude sagte, die Attacke via Twitter zeige, »dass die Hamas nicht will, dass diese Stimmen gehört werden«, und warf ihr vor, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung globalisieren zu wollen.
Ein bemerkenswertes Projekt
»Whispered in Gaza« ist ein bemerkenswertes Projekt mit bemerkenswerten Filmen, die ein großes Publikum verdienen. Immer noch viel zu wenig dringt nach außen über jenen Bevölkerungsteil in Gaza, für den nicht Israel das Hauptproblem darstellt, sondern das autoritäre, diktatorische, despotische und korrupte Regime der Hamas – und der ohne Krieg und Islamismus, dafür aber Seite an Seite mit den jüdischen Nachbarn leben möchte. Auch die vermeintlichen Palästinafreunde in Europa und Übersee interessieren sich kaum für sie, weil sie sich gegen den jüdischen Staat nicht instrumentalisieren lassen.
Umso wichtiger ist es, ihre Botschaft zu verbreiten. Die »Whispered in Gaza«-Filme sind bereits in mehreren Sprachen untertitelt worden, unter anderem in Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Persisch. Die englischsprachige Online-Zeitung Times of Israel hat die Videos und Hintergrundinformationen zu den darin angesprochenen Problemkomplexen zudem in einer dreiteiligen Artikelserie aufbereitet (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Mit deutschen Untertiteln gibt es die Clips hingegen noch nicht.
Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch
UN: Obsession mit Israel

UN-Generalversammlung, Bildquelle: UN Photo/Loey Felipe
Fast wie jedes Jahr haben die Vereinten Nationen auf ihrer Generalversammlung fünfzehn Resolutionen gegen Israel verabschiedet, jedoch nur dreizehn gegen den Rest der Welt.
Auch in diesem Jahr hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihren Resolutionen Israel wieder häufiger verurteilt als alle anderen Staaten der Welt zusammen. Insgesamt richteten sich fünfzehn Beschlüsse gegen den jüdischen Staat, dreizehn waren gegen andere Länder gerichtet. Von diesen entfielen sieben auf Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine und je eine auf die USA (wegen des Kuba-Embargos), Afghanistan, Nordkorea, Iran, Myanmar und Syrien. Vor einem Jahr lautete das Zahlenverhältnis vierzehn zu fünf.
»Der jüngste Angriff der UNO auf Israel mit einer Flut einseitiger Resolutionen ist surreal«, sagte Hillel Neuer, Geschäftsführer von UN Watch, einer UNO-kritischen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf. Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten, doch die Vereinten Nationen stärkten die Despotien in der Region. »Der Zweck dieser einseitigen Beschlüsse ist nicht die Förderung der Menschenrechte, sondern die Dämonisierung des jüdischen Staates«, so Neuer weiter.
Förderung der Anti-Israel-Infrastruktur
Drei der fünfzehn Resolutionen stellen sicher, dass die Vereinten Nationen weiterhin Gremien, Agenturen und Programme finanzieren und mit Personal ausstatten, die Israel dämonisieren und zu delegitimieren versuchen. Dazu zählt beispielsweise der 1975 gegründete Ausschuss für die Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes, den UN Watch als »eine der ältesten Säulen der israelfeindlichen Infrastruktur der UNO« bezeichnet.
Er ist der einzige Menschenrechtsausschuss der UN-Generalversammlung, der sich einem einzigen Schwerpunkt verschrieben hat. Seine Berichte verschließen systematisch die Augen vor palästinensischem Terrorismus gegen israelische Zivilisten. Das Mandat des Ausschusses bezieht sich nur auf israelische Aktionen und ist von Natur aus voreingenommen und einseitig.
Israels Unabhängigkeit als Katastrophe?
In einer anderen Resolution wird das Mandat der Abteilung für palästinensische Rechte des UN-Sekretariats – also des Verwaltungsorgans der Vereinten Nationen – erneuert. Diese Abteilung unterstützt den »Ausschuss für die Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes«, sorgt für die Verbreitung von Anti-Israel-Propaganda und zielt darauf ab, internationale Boykotte gegen den jüdischen Staat zu organisieren.
Weiters wird in der Resolution gefordert, die Abteilung solle »ihre Aktivitäten im Jahr 2023 dem Gedenken an den 75. Jahrestag der Nakba« widmen, unter anderem durch »die Organisation einer hochrangigen Veranstaltung«. Damit untermauere die UNO das Narrativ, »dass die Unabhängigkeit Israels eine ›Katastrophe‹ darstellt«, hält UN Watch fest.
Die Beschlussvorlage erhielt von allen Anti-Israel-Resolutionen die meisten Nein-Stimmen, nämlich dreißig, darunter auch von Deutschland und Österreich, bei siebenundvierzig Enthaltungen. Da aber neunzig Staaten mit Ja votierten, fand sie dennoch eine Mehrheit.
Moralisch abstoßend, logisch absurd
In einer weiteren Resolution, die vom syrischen Assad-Regime mitgetragen wurde, heißt es, Israels »fortgesetzte Besetzung des syrischen Golan« stelle ein »Hindernis auf dem Weg zu einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden in der Region« dar, und fordert den Rückzug Israels vom »gesamten besetzten syrischen Golan«.
Nicht nur UN-Watch-Geschäftsführer Neuer findet das erstaunlich: »Wie kann die UNO, nachdem das syrische Regime eine halbe Million Menschen getötet hat, dazu aufrufen, noch mehr Menschen der Herrschaft Assads auszuliefern?« Der Beschluss sei »moralisch abstoßend und logisch absurd«. Die Generalversammlung habe eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, »in denen Israel durchwegs beim Namen genannt, die Palästinensische Autonomiebehörde, die Hamas und der Islamische Dschihad dagegen kein einziges Mal als Schuldige bezeichnet werden«, kritisiert Neuer weiter:
»So wird in einer der Resolutionen zwar der Abschuss von Raketen auf Israelis indirekt und allgemein verurteilt, doch in keinem Beschluss wird der Islamische Dschihad ausdrücklich dafür verurteilt, dass er im August innerhalb von drei Tagen mehr als 1.100 Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Zivilisten abgefeuert hat, obwohl jede abgefeuerte Rakete nach dem Völkerrecht ein Kriegsverbrechen darstellt.
Auch die mindestens neunundzwanzig Israelis, die im Jahr 2022 bei palästinensischen Terroranschlägen ermordet wurden […], oder die dreihundert bedeutenden Terroranschläge gegen Israelis in diesem Jahr werden nicht erwähnt.«
Absurde Zahlen
Ignoriert würden in den Resolutionen aber auch »die über dreitausend Palästinenser, die von Assads Streitkräften abgeschlachtet, verstümmelt und vertrieben wurden«, so Hillel Neuer. Die Mehrheit der UN-Mitgliedsländer habe kein Interesse daran, den Palästinensern wirklich zu helfen oder die Menschenrechte zu schützen. »Das Ziel dieser rituellen, einseitigen Verurteilungen ist es, Israel zum Sündenbock zu machen. Der unverhältnismäßige Angriff der UNO auf den jüdischen Staat untergräbt die institutionelle Glaubwürdigkeit dieses angeblich unparteiischen Gremiums.«
Das ist nicht erst seit heute so. Seit dem Jahr 2015 hat die UN-Generalversammlung insgesamt 125 Resolutionen gegen Israel verabschiedet, während der Rest der Welt, darunter Autokratien, Despotien und Diktaturen, in diesem Zeitraum auf lediglich 55 Verurteilungen kommen. Das ist angesichts der weltpolitischen Lage schlichtweg absurd und sagt erheblich mehr über die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsländer aus als über den jüdischen Staat.
Europäische Beteiligung
Nicht minder abwegig ist es, dass sich die EU-Staaten und andere demokratische europäische Länder immer wieder an den Verurteilungen Israels beteiligen. Immerhin haben bei der diesjährigen Generalversammlung aber einige UN-Mitglieder im Vergleich zu den Abstimmungen über ähnliche Resolutionen in den vergangenen Jahren ihr Stimmverhalten in manchen Fällen geändert. Darunter sind Albanien, Kroatien, Tschechien, Italien, Rumänien, die Slowakei, Schweden und Großbritannien.
Deutschland und Österreich votierten lediglich bei drei der fünfzehn Abstimmungen gegen Israel mit Nein, bei den anderen enthielt sich Deutschland zweimal und stimmte zehnmal zu. Österreich entschied sich einmal für eine Enthaltung und elfmal für ein Ja. Damit beteiligen sich beide Länder weiterhin an der obsessiven Dämonisierung und Delegitimierung Israels bei der UNO – mögen ihre Repräsentanten in Sonntagsreden auch noch so oft die freundschaftlichen Beziehungen zum jüdischen Staat betonen.
Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch
Antisemitismus, der lohnt

Der Antisemitismusskandal auf der documenta hat dem künstlerisch verantwortlichen Kollektiv Ruangrupa nicht geschadet, im Gegenteil: Zwei Mitglieder erhielten sogar eine Gastprofessur in Hamburg. Dagegen richtet sich nun Protest, doch ob dieser Folgen haben wird, ist mehr als fraglich.
Wer die Berichterstattung und die medialen Diskussionen über die antisemitischen Exponate auf der Kunstschau documenta verfolgt hat, wird vielleicht den Eindruck gewonnen haben, dass es doch eine recht einmütige Ablehnung der betreffenden Werke gab, die Verantwortlichen vielfach deutlich kritisiert wurden und die künstlerische Leitung, die der indonesischen Künstlergruppe Ruangrupa übertragen worden war, sich gründlich selbst diskreditiert hat. Kurz: dass die documenta am Ende und gescheitert ist und es sie in dieser Form künftig gewiss nicht mehr geben wird.
Doch man sollte sich nichts vormachen: Personelle Konsequenzen gab es lediglich in Form des späten Rücktritts der documenta-Geschäftsführerin Sabine Schormann; eine Kürzung oder gar Einstellung der öffentlichen finanziellen Förderung ist nie ernsthaft diskutiert worden. Die Kunstschau wurde nicht vorzeitig beendet, und entfernt wurde nur das Schlachtengemälde »People’s Justice«, auf dem Juden als Nazis und Schweine dargestellt sind. Alle anderen antisemitischen Exponate wurden weiterhin gezeigt und allenfalls »kontextualisiert«, was so viel hieß wie: verharmlost und zu einem Problem der Rezipienten gemacht, die alles bloß falsch verstünden.
Die documenta war ein antizionistischer Frontalangriff, und dass sie das werden würde, stand schon ein halbes Jahr vor der Eröffnung fest. Damals hatte das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus offengelegt, dass Sympathisanten der antisemitischen BDS-Bewegung an entscheidenden Stellen der documenta mitwirken: in der Findungskommission, in der künstlerischen Leitung, im künstlerischen Team, in Künstlergruppen. Und weil niemand einschreiten mochte, kam es, wie es kommen musste: Wo man BDS gewähren lässt, kommt Antisemitismus heraus, das hat sich nicht erst in Kassel gezeigt. Israel sollte als Kolonialmacht präsentiert werden, als brutaler Unrechtsstaat. Der jüdische Staat wurde in schriller Form dämonisiert und delegitimiert.
Proteste bei der Semestereröffnung
Widerspruch dagegen wurde abgewimmelt, auch jener des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der Ausstellung, das von den Gesellschaftern der documenta mit der Aufarbeitung der antisemitischen Inhalte betraut worden war. Als »Rassismus« und »Zensur« bezeichneten Ruangrupa und andere Künstler die Stellungnahme der Wissenschaftler. »Widerstand gegen den Staat Israel« sei »Widerstand gegen den Siedlerkolonialismus, Apartheid, ethnische Säuberung und Besatzung«, hieß es in einem Statement. Der »antikoloniale Kampf« der Palästinenser sei auf der documenta in vielen Werken thematisiert worden, »weil die transnationalen antikolonialen Kämpfe historisch miteinander verbunden« seien.
Ruangrupa ließ zum Ende der documenta also noch einmal besonders deutlich werden, warum die Kritik an der Ausstellung und ihrer künstlerischen Leitung vollauf berechtigt war und es keineswegs nur »Antisemitismusvorwürfe« waren, die gegen die Gruppe vorgetragen wurden, sondern belegte Tatsachen und gute Argumente.
Doch das führte keineswegs zu einer Distanzierung der Kulturszene zu Ruangrupa, ganz im Gegenteil: An der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK) erhielten zwei ihrer Mitglieder eine Gastprofessur, nämlich Reza Afisina und Iswanto Hartono. Beide haben unter anderem den stramm antizionistischen Aufruf »A Letter Against Apartheid« unterschrieben, in dem Israel als »Apartheidsystem« bezeichnet wird; zudem werden dem jüdischen Staat »Kolonialismus«, »ethnische Säuberungen« und »Verbrechen gegen die Menschheit« vorgeworfen.
Bei der Semestereröffnung gab es dann auch Proteste. Kritiker verteilten Flugblätter mit dem Titel »Antisemitismus ist keine Kunst« an die etwa dreihundert Gäste. HfbK-Präsident Martin Köttering musste sich während seiner Rede mehrmals Widerspruch in Form von Zwischenrufen anhören, etwa, als er sagte, Antisemitismus habe an der Hochschule keinen Platz, und die beiden Gastprofessoren seien keine Antisemiten. Als höflich in der Form, aber deutlich in der Sache charakterisierten Spiegel und Süddeutsche Zeitung den Protest. Köttering überließ den Protestierenden schließlich das Mikrofon, ein ursprünglich vorgesehener weiterer Redner kam nicht mehr zum Einsatz, die Veranstaltung wurde abgebrochen.
»Wir sind keine Schweine«
Auch Mitglieder der Hamburger Bornplatzsynagoge veranstalteten eine Protestaktion unter dem Motto »Wir sind keine Schweine«. Vor der Hochschule für bildende Künste demonstrierte unter anderem der Landesrabbiner Shlomo Bistritzky. Gemeinsam mit anderen forderte er, dass die an Reza Afisina und Iswanto Hartono erteilten Gastprofessuren zurückgezogen werden. In der kommenden Woche werde er sich mit HfbK-Präsident Köttering zum Gespräch treffen, sagte der Rabbiner zur Jüdischen Allgemeinen. Auch Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg, plädierte dafür, den beiden Ruangrupa-Mitgliedern den Lehrauftrag zu entziehen.
Auf »völliges Unverständnis« stieß die Nominierung von Afisina und Hartono als Gastprofessoren beim Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zumal die Berufung mit Steuermitteln finanziert werde. Stefan Hensel, der Antisemitismusbeauftragte der Stadt Hamburg, wies unter anderem darauf hin, dass die beiden Ruangrupa-Aktivisten den antiisraelischen »Letter Against Apartheid« unterzeichnet hätten, in dem »unter anderem zu einem Boykott der kulturellen Beziehungen mit Israel aufgerufen« werde. Hensel sprach sich dafür aus, keine Lehraufträge an Personen zu vergeben, die sich öffentlich gegen eine Kooperation mit israelischen Künstlern positioniert haben.
Zudem betonte er, dass die Hochschule nicht zum ersten Mal eine Gastprofessur an problematische Personen vergeben habe. So lehrte im vergangenen Jahr der Fotokünstler Adam Broomberg an der HfbK. Er sympathisiert mit der BDS-Bewegung und hält Israel für ein »Apartheidregime«. Die Hochschule beendete die Zusammenarbeit mit dem Künstler, dennoch kritisierte Stefan Hensel: »Eine ausdifferenzierte Bearbeitung des Phänomens Antisemitismus sieht anders aus.« Zudem sei es beklagenswert, dass die Kritik der jüdischen Gemeinde und anderer Organisationen nicht ernst genommen werde.
Das bisschen Antisemitismus ...
Auch die deutsche Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht die Berufung von Afisina und Hartono »sehr kritisch«, wie sie auf Twitter schrieb. Die HfbK müsse »alle offenen Fragen klären und dann Konsequenzen ziehen« – welche Fragen da aus ihrer Sicht auch immer noch offen sein mögen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt sagte, die Ruangrupa-Mitglieder dürften »nach dem über Monate dauernden Antisemitismus-Skandal bei der documenta nicht noch mit zwei staatlich geförderten Gastprofessuren belohnt werden«. Die Bundestags-Resolution vom Mai 2019 sei eindeutig: »Keine Bundesmittel für BDS-Unterstützer!«
Die Hochschule selbst dagegen denkt nicht daran, Reza Afisina und Iswanto Hartono von ihren Aufgaben zu entbinden, sie will stattdessen »aufarbeiten«, »ins Gespräch kommen« und was sonst noch gerne angeboten wird, wenn es um Antisemitismus geht.
Konsequenzen müssen die beiden Ruangrupa-Mitglieder also nicht befürchten, ihnen hat das antisemitische Desaster in Kassel nicht zum Schaden gereicht. Unterstützt werden sie von Meron Mendel, dem Leiter der Bildungsstätte Anne Frank. Afisina und Hartono »als Antisemiten zu verbannen – auf der Ranghöhe von großen Antisemiten, die nichts in der deutschen Öffentlichkeit zu suchen haben –, wäre ein großer Fehler«, findet er.
Ein bisschen Antisemitismus ist also nicht so schlimm, auch nicht bei Gastprofessoren, die vorher eine große Kunstschau kuratiert haben, auf der Juden mitten in der Stadt als Nazis und Schweine dargestellt worden sind und die israelische Armee mit der deutschen Wehrmacht während des Nationalsozialismus gleichgesetzt worden ist. Die Abberufung von Afisina und Hartono wäre sogar »eine Art von Berufsverbot«, glaubt Mendel, der die Gastprofessur für eine »Chance« hält. Es steht zu befürchten, dass ihn die Ruangrupa-Aktivisten beim Wort nehmen.
Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch