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Wie ist der Stand des iranischen Atomprogramms und welche Informationen dazu präsentiert wer?

Bildquelle: Pixhere

Derzeit gibt es eine Menge Stimmen, die die israelische Begründung für den Angriff auf den Iran anzweifeln und als Lüge und Kriegspropaganda darstellen, die an das erinnere, was die USA vor dem Einmarsch im Irak 2003 getan habe.

 

Insofern:

 

Hat der Iran eine Bombe? Baut er daran?

 

Hierbei ist es wichtig, konkret zu sein.

 

Was behaupten nun also die Israelis?

 

Laut dem israelischen Armeeradio präsentierten die israelischen Geheimdienste kurz vor dem Beginn der Luftangriffe auf den Iran der politischen Führung Erkenntnisse über ein geheimes Nuklearprogramm, das Ende 2023 oder Anfang 2024 begonnen habe. Demnach hätte das iranische Regime mehrere Arbeitsgruppen von Wissenschaftlern eingerichtet, die jeweils an Wegen gearbeitet hätten, atomwaffenfähiges Material zu einer Bombe zu bauen.

 

Zur gleichen Zeit schritt die Anreicherung von Uran auf atomwaffenfähige Niveaus voran, die auch nach Ansicht der USA und der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nachweislich auf über 60% gebracht worden ist. Dies ist viel höher als es für eine zivile Nutzung von Atomenergie nötig wäre. Das Material, das nach Angaben der IAEA für etwa 9 Bomben reichen würde, könne in wenigen Wochen auf das Level von 90% gebracht werden, was Grundvoraussetzung für eine Bombe darstellt.

 

Die israelischen Geheimdienste sagen, dass sie manche Details nicht wüssten und gerade dies umso mehr Sorgen bereite, da das Atomwaffenprogramm daher noch weiter fortgeschritten sein könne als zunächst gedacht.

 

Alle mittlerweile getöteten mindestens 9 Wissenschaftler seien Mitglieder der besagten Arbeitsgruppen gewesen, die an einer geplanten Umwandlung des angereicherten Urans hin zu einer Bombe gearbeitet hätten. Das könne man auch daran sehen, dass die Wissenschaftler aus einigen unterschiedlichen Fachbereichen kämen, die mit genau diesem Prozess zu tun hätten.

 

Die israelischen Geheimdienste behaupten also nicht, dass die Atombombe schon gebaut sei, aber dass sie ein Geheimprogramm aufgedeckt hätten, das das hochangereicherte Uran zu einer Bombe entwickeln soll, dass der Iran also bereits längst ein aktives Atomwaffenprogramm besitze und dieses geheimhalte. Dies bilde die gesamte Grundlage dafür, dass man innerhalb weniger Wochen die Atombombe habe bauen können.

 

Einen konkreten Zeitplan darüber, bis wann die Atombombe gebaut würde, können die israelischen Geheimdienste nicht nennen, aber sie sprechen von Wochen.

 

Wichtig ist hier auch eine weitere Sache: Die israelischen Geheimdienste behaupteten nicht, dass die offizielle Entscheidung für den Bau der Bombe bereits gefallen sei. Die Bombe sei innerhalb weniger Wochen gebaut, sobald(!) die Führung die Entscheidung dazu fälle. (Quelle 1) Sobald das jetzt mühsam angesammelte Wissen da wäre, wäre es aber fast nur noch eine Formalität, diese Entscheidung dann zu treffen.

 

Ebenso sagen die israelischen Geheimdienste nicht, dass der Iran bereits alle nötigen Trägersysteme für den Abwurf(!) bzw. das Abfeuern einer Atombombe hätten, nur den Bau der Atombombe selbst.

 

Dazu muss gesagt werden, dass die iranische Führung ganz bewusst abstreitet, eine Atombombe zu bauen und offiziell auch behauptet, dass der oberste Rechtsgelehrte und Diktator des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, ein religiöses Rechtsgutachten, eine Fatwa gegen die Nutzung von Atomwaffen erlassen hätte. Tatsächlich verurteilt Chamenei die Nutzung(!) von Atomwaffen und streitet ab, dass der Iran eine Atomwaffe anstrebe. Allerdings ist die tatsächliche Position der Führerschaft jedoch sehr viel weniger deutlich als das und lässt viel Spielraum für die Produktion einer Atomwaffe. Zudem kann eine Fatwa durch Ali Chamenei jederzeit neu erlassen werden, der gleichzeitig als absoluter politischer Machthaber des Landes und als oberste religiöse Autorität fungiert. (Quelle 2)

 

Dementsprechend wäre es nur ein kurzer Schritt zwischen einer Entscheidung Chameneis zu einer neuen Sicht auf Atombomben und der Atombombe. Alle Grundlagen wären dementsprechend ja längst dafür gelegt, die dann nur noch abgesegnet werden müssten.

 

Was behaupten nun andere Seiten?

 

Hier gibt es teilweise unterschiedliche Sichtweisen.

 

Tulsi Gabbard, die wegen ihrer teils verschwörungstheoretischen Positionen umstrittene Koordinatorin der vielen US-Geheimdienste, äußerte sich Ende März bei einer Anhörung im Senat unter Eid auch zum Iran. Dabei sagte sie unter anderem Folgendes:

 

Furthermore, Iran's nuclear program continues apace (ph). It's actively developing multiple space-launched vehicles, which are little more than flimsy cover for an intercontinental ballistic missile program that could hit the United States in a matter of years.“

 

The IC continues to assess that Iran is not building a nuclear weapon and Supreme Leader Khamenei has not authorized the nuclear weapons program that he suspended in 2003. The IC continues to monitor closely if Tehran decides to reauthorize its nuclear weapons program.”

 

In the past year we've seen an erosion of a decades long taboo in Iran on discussing nuclear weapons in public, likely emboldening nuclear weapons advocates within Iran's decision making apparatus. Iran's enriched uranium stockpile is at its highest levels and is unprecedented for a state without nuclear weapons.” (Quelle 3)

 

Hier fällt auf, dass Gabbard als Geheimdienstkoordinatorin sagt, dass der Iran derzeit keine Atombombe baue und Chamenei das Atomwaffenprogramm von 2003 nicht wiederaufgenommen habe.

 

In einem CNN-Bericht wird dies als Beleg dafür dargestellt, dass die US-Geheimdienste der Einschätzung der Israelis widersprechen würden. (Quelle 4)

 

Allerdings ist die Einschätzung von Gabbard aus dem März, über 2 einhalb Monate her, und der israelische Bericht macht deutlich, dass die Erkenntnisse über geheime Arbeitsgruppen zum Bau von Atomwaffen völlig neu seien, also deutlich nach der Zeugenaussage Gabbards im Senat.

 

Zudem haben die Israelis selbst gesagt, dass die offizielle Entscheidung zum Bau einer Atombombe noch nicht gefallen sei, aber alle wichtigen Grundlagen zum Bau einer Atombombe vorbereitet würden, was ja auch Gabbard bestätigte, als sie davon sprach, dass die Anreicherung von Uran so hoch ist, dass es höchst ungewöhnlich für einen Staat ohne Atomwaffen sei.

 

Da die israelischen Geheimdienste gerade inmitten der zahlreichen gezielten Angriffe auf hochrangige Regimeangehörige eindrücklich belegen, dass sie über fast alles im Iran bestens Bescheid wissen, ist es nicht unbedingt wahrscheinlich, dass die amerikanischen Geheimdienste besser informiert wären als die israelischen.

 

Zudem ist Tulsi Gabbard als Personalie äußerst umstritten. Als Geheimdienstkoordinatorin hat sie einen gewissen persönlichen Interpretationsspielraum dessen, was die Geheimdienste an sie herantragen. Gerade so ein Detail wie die Frage, ob oder wie stark das iranische Regime über ihr Atomprogramm lügt, kann zu unterschiedlichen Einschätzungen zwischen Geheimdiensten oder Geheimdienstkoordinatorinnen führen.

 

Vor ihrer Benennung als Geheimdienstkoordinatorin hatte sie immer wieder deutlich belegte Geheimdienstinformationen geleugnet, als es beispielsweise um das Assadregime und dessen Nutzung von Giftgas im Krieg gegen die syrischen Rebellen ging. 2017 ließ sie sich von Vertrauten des Assadregimes gar zu zwei Audienzen beim syrischen Diktator einladen und verkaufte das Treffen später als Beobachter- und Friedensmission. Assad wurde 13 Jahre lang vom iranischen Regime gestützt, um das es hier nun auch geht. Ebenfalls gilt sie als nah gegenüber russischen Narrativen. (Quelle 5)

 

Ebenso fällt in ihre Amtszeit die Unterdrückung mehrerer geheimdienstlicher Einschätzungen, die Trumps Politik in der Migration entgegengestanden hätten. (Quelle 6)

 

Zudem ist Gabbard dafür bekannt, Misstrauen gegenüber den Geheimdiensten entgegenzubringen und in verschwörungstheoretischer Weise von einem „tiefen Staat“ zu reden, der gegen Trump und die normalen Amerikaner arbeite. (Quelle 7)

 

Wenige Tage vor dem Angriff Israels auf den Iran warnte sie auf den sozialen Medien nach einem Besuch im japanischen Hiroshima vor einem „nuklearen Holocaust“ und vor „Kriegstreibern“, die die Welt „näher als je zuvor an den Rand einer nuklearen Vernichtung“ brächten. Auf eine Nachfrage hin, was sie damit meinte, wurde nur darauf verwiesen, dass Trump Gabbards Position gegen Kriege teile. Zu diesem Zeitpunkt fanden zwischen Trump und dem Iran Gespräche über ein Atomabkommen statt, während Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran durch Israel bereits im Raum standen. 

 

Es erscheint fraglich, ob ausgerechnet Tulsi Gabbard in ihrer Interpretation dessen, was die Geheimdienste an sie herantragen, vertrauenswürdiger sein soll als die israelischen Geheimdienste, die immerhin transparent wiedergeben, was sie wissen und die Gabbards Einschätzung viel weniger widersprechen als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

 

Weiterhin muss gesagt werden, dass beim G7-Gipfel sich alle westlichen Staaten auf ein vergleichsweise proisraelisches Statement einigen konnten, obwohl sich die Beziehungen zwischen diesen Staaten und Israel aufgrund der Lage in Gaza stark verschlechtert hatten. Dies wäre kaum zu erwarten gewesen, wenn sie den Erkenntnissen der israelischen Seite völlig widersprechen würden. (Quelle 9)

 

Auch Guido Steinberg von der renommierten Stiftung für Wissenschaft und Politik, die den Bundestag und die Bundesregierung berät, nannte die israelische Einschätzung in dieser Frage glaubwürdig. Es sei gar nicht nötig, dass der Iran bereits die gesamten nötigen Träger für einen Abwurf einer Atombombe ins Ausland besitzen müsse, um einen Atombombentest zu begehen und dann somit bereits Atommacht sei. Zudem sei es möglich, dass die Atommacht Russland sich einmische und diesen Schritt beschleunige. (Quelle 10)

 

Hierbei zeigt sich, wie unsauber mit Begriffen umgegangen wird. CNN betont lediglich, dass der Iran nach Einschätzung der Geheimdienste lediglich noch länger entfernt davon sei, eine Atombombe mit den geeigneten Trägerraketen zu besitzen. Dementsprechend wird das Wort „usable“ nun erwähnt, einsetzbare Bombe mit den dazugehörigen Trägern, was aber auch nicht das war, was die Israelis gesagt haben.

 

Diejenigen, die Israel vorwerfen, es habe gelogen, behaupten letztlich in der logischen Folge auch, dass Israel die etwa ein Dutzend Wissenschaftler sinnlos getötet hat, wenn man nun behauptet, es gäbe gar kein Atomwaffenprogramm. Woher wussten die Israelis dann von diesen Wissenschaftlern? Warum würden sie sie töten, wenn sie gar nicht daran beteiligt waren, das atomwaffenfähige Material für eine Atombombe umzubauen? Sind das nur irgendwelche Bauernopfer oder in Wahrheit an anderen Dingen interessiert?

 

Ebenfalls behaupten diese Stimmen damit, dass das Regime offenbar glaubwürdig ist, wenn es lediglich die Bestandteile für eine Atombombe baut, aber diesen letzten Schritt offenbar gar nicht oder nur viel später gehen wolle. Die Behauptung wäre da also, dass das Regime die Atombombe nur als Verhandlungsmasse für Verhandlungen nutzen würde.

 

Was aber allgemein unbestritten ist:

 

1. Der Iran hat nach Angaben der IAEA, der US-Geheimdienste, der israelischen Geheimdienste und selbst nach eigenen Angaben Uran bis über die Schwelle von 60% angereichert, was nachweislich nur noch wenige Wochen davon entfernt ist, atomwaffenfähiges Uran zu besitzen, was für eine Atombombe notwendig wäre. Diese extrem hohe Anreicherung hätte keinerlei Nutzen für die zivile Nutzung von Atomenergie, dafür wäre nur eine Anreicherung von weit unter 10% nötig.

 

2. Der Iran hat die allermeisten Bestandteile für eine Atombombe, könnte sie aber jedoch innerhalb der nächsten Wochen definitiv noch nicht für einen Atomschlag im Ausland nutzen. Auch die israelischen Geheimdienste sagen das, dass bis dahin noch weitere Schritte notwendig sind.

 

3. Die politische Führung des Iran hat derzeit noch keine offizielle Entscheidung zum Bau einer Atombombe gegeben und streitet ab, diese besitzen zu wollen. Das letzte Wort darüber hat der Diktator Ali Chamenei. Das ist auch die israelische Meinung.

 

4. Die iranische Führung hat immer wieder behauptet, es halte seine Verpflichtungen im Atomwaffensperrvertrag ein. Gleichzeitig jedoch hat es die IAEA und andere Staaten häufig an der Nase herumgeführt und Aspekte des militärischen Atomprogramms geheimgehalten, verschleiert oder geleugnet. Zahlreiche geheime Aspekte des Atomprogramms, insbesondere die Anlagen in Natanz, Arak und Fordow, wurden erst später aufgedeckt, die das Regime bis dahin verleugnet hatte.

 

5. Das iranische Regime hat eine antisemitische Ideologie und droht Israel immer wieder mit der Vernichtung. Dafür hat es massive Gelder im Ausland in Terrororganisationen investiert, die Israel offen mit der Vernichtung drohen und dies seit dem 7. Oktober auch umzusetzen bereit waren. Diese Aussagen sind also keine bloße Rhetorik.

 

6. Es hat ein aufwendiges Raketenprogramm, das ein Bestandteil für eine Atombombe wäre. Zudem hat es gute Beziehungen zu Russland, das das größte Atomwaffenprogramm der Welt besitzt und ebenfalls häufiger mit nuklearer Vernichtung droht.

 

Die Diskussion dreht sich also im Grunde um Details, die weitaus weniger wichtig sind als es manche darstellen. Folgende Fragen sind noch nicht geklärt:

 

Hat der Iran in ein paar Monaten eine Atombombe oder bloß in ein paar Wochen die wichtigsten Bestandteile für eine Atombombe und wäre noch 1, 2 Jahre bis zu einer einsatzfähigen Atombombe entfernt? Hat das Regime ein aktives Atomwaffenprogramm oder nur alle Bestandteile für eine Atombombe, die es aus eigenartigen Gründen am Ende gar nicht mehr einsetzen wolle? Lügt das iranische Regime erneut oder kann man dem Regime glauben, wenn es offiziell keine Atombombe anstrebe und nur damit kokettiere, den letzten Schritt zu einer Atombombe gar nicht gehen wolle?

 

Diese Fragen sind zwar nicht irrelevant und könnten die Begründung der Israelis, dass dies ein völkerrechtlich legitimer Präventivschlag war, schon widerlegen. Im Endeffekt macht es aber kaum einen politischen Unterschied, da der Weg zu einer Bombe ziemlich deutlich existiert und nur die Frage ist, wie lange es bis zu einer Bombe hin wäre, die faktisch ja alle ablehnen außer das Mullahregime.

 

Das ist überhaupt nicht wie 2003 im Irak, wo das davor real existierende Atomprogramm schon weitgehend abgebaut oder zerstört worden war und die IAEA und die UN auch kaum Zweifel daran hatte. Es gab eine monatelange Debatte mit einer Involvierung zahlreicher internationaler Organisationen, die alle keine Belege für Nuklearwaffen fanden. Der irakische Diktator kooperierte auch vergleichsweise stark mit diesen Behörden, geheime Atomanlagen waren nicht mehr gefunden worden, UN-Missionen Monate vor der Invasion kamen auch zu diesem Schluss. Die US-Regierung stand mit ihrer Behauptung von Atomwaffen damals völlig allein mit dieser Sicht, der Rest der Welt war „unconvinced“ und zwar aus guten Gründen. (Quelle 12)

 

Die Debatte damals drehte sich nicht um Detailfragen um die Frage, wann Saddam Atomwaffen hätte. Zudem war eine einzelne US-Geheimdienstquelle für diese Sicht der Dinge verantwortlich, die völlig dem widersprach, was real war und bis dahin Stand der Dinge war. In unserem heutigen Fall gibt es jedoch viele einzelne Quellen, die IAEA, die israelischen Geheimdienste, die US-Geheimdienste, westliche Geheimdienste, Medienberichte, und alle bestätigen, dass es ein Atomwaffenprogramm gibt, es aber nur noch die Frage gibt, wie weit es fortgeschritten ist.


 

Quellen:

1. https://www.timesofisrael.com/israel-found-iran-carried.../

2. https://www.atlanticcouncil.org/.../iran-nuclear-weapons.../

3. https://www.dia.mil/.../DIA.../Committee_Hearing_2025.pdf

4. https://edition.cnn.com/.../israel-iran-nuclear-bomb-us...

5. https://apnews.com/.../tulsi-gabbard-assad-syria-trip-dni...

6. https://www.axios.com/.../tulsi-gabbard-intelligence...

7. https://www.vox.com/.../tulsi-gabbard-national...

8. https://www.politico.com/.../tulsi-gabbard-nuclear...

9. https://g7.canada.ca/.../g7-leaders-statement-on-recent.../

10. https://www.ardmediathek.de/.../Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL...

11. https://www.tabletmag.com/.../israel-end-iran-nuclear...

12. https://www.sipri.org/.../twenty-years-ago-iraq-ignoring...


 

Erste Einschätzungen zum Angriff Israels auf den Iran

Israelischer F-15D #957 Kampjet, Bildquelle: Israeli Defence Forces

Heute nacht hat die israelische Armee den Iran angegriffen. Israelische Militärflugzeuge haben iranische Atomanlagen angegriffen, aber auch Militäranlagen und Raketenbasen. Das Hauptziel war dabei eindeutig das iranische Atomwaffenprogramm, das kurz vor der Vollendung stand. Nach vorläufigen Zahlen sollen 200 israelische Flugzeuge beteiligt sein, über 300 Waffenkörper seien eingesetzt worden, 100 Ziele seien getroffen worden. Gleichzeitig führe der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad laut israelischen Quellen „Sabotageoperationen“ gegen das Atomprogramm im Iran durch. (Quelle 1) Dabei sollen auch Drohnen ins Land geschmuggelt und von dort die lokale Luftverteidigung zerstört haben, womit die israelische Luftwaffe weitgehend ungehindert den iranischen Luftraum kontrollieren kann. (Quelle 2)

Aus der israelischen Regierung heißt es, dass man „gezielte präventive Schläge“ ausgeführt habe und sich nun auf den Gegenangriff des iranischen Regimes vorbereite, der am Morgen bereits mit 100 iranischen Drohnen eingeleitet wurde. Die israelische Regierung schwor dabei die israelische Bevölkerung auf eine harte Zeit ein und rief dabei den Ausnahmezustand aus, man müsse nun in den Schutzbunkern bleiben. Der Angriff sei aber nur „der Eröffnungsschlag“ gewesen, weitere würden folgen. Der zweite Schlag folgte bereits einen Tag später und dauert derzeit an. Weitere könnten folgen.

Was waren also die vorrangigen Ziele?

Viele Details sind noch unklar. Klar ist aber, dass das Atomwaffenprogramm im Fokus steht und alles, was damit in Verbindung steht. Dazu gehören Atomanlagen sowie Anlagen, die mit dem Raketenprogramm des Iran in Verbindung stehen. Ebenso wurden Nuklearwissenschaftler und hochrangige Regimeverantwortliche für das Atomwaffen- und Raketenprogramm angegriffen. Die unter dem Erdboden stehende Atomanlage Natanz (eine von zwei im Land) wurde nachweislich mehrfach getroffen, aber auch zahlreiche militärische Anlagen. Netanjahu machte deutlich, dass die iranische Bevölkerung nicht Israels Feind sei, sondern das iranische Atomprogramm und das iranische Regime. (Quelle 3)

Laut israelischen Geheimdienstinformationen und zahlreichen Medienberichten stand das iranische Regime kurz vor dem „point of no return“.

Bei den Luftschlägen kamen nachweislich mindestens zwei hochrangige Wissenschaftler um, die am Atomwaffenprogramm arbeiteten, ebenso wurde der Kopf der Revolutionsgarden, Hossein Salami, getötet. Diese kontrollieren das Raketenprogramm Irans, das neben dem Atomwaffenprogramm Irans entwickelt wurde und Grundvoraussetzung für einen Atomschlag auf Israel wäre.

Auch der Anführer des iranischen Militärs, Mohammed Bagheri, wurde dabei getötet, ebenso Gholam Ali Rashid, der Anführer der Khatam al-Anbiya-Streitkräfte, einer Paralleleinheit, die für die militärische Koordination der Armee zuständig ist.

Letztlich wurde bei den Luftangriffen aber auch Ali Shamkhani getroffen und mindestens verwundet, ein enger Sicherheitsberater des iranischen „obersten Führers“ Ali Chamenei. (Quelle 4)

Warum gerade jetzt?

Laut israelischen Geheimdienstinformationen und zahlreichen Medienberichten stand das iranische Regime kurz vor dem „point of no return“, einem Punkt, bei dem die Anreicherung des nuklearen Materials so weit fortgeschritten wäre, dass man das Atomprogramm nicht mehr länger hätte stoppen können.

Dies geht mit einer Deadline einher, die US-Präsident Donald Trump dem Iran gegeben hatte. 60 Tage habe der Iran, um mit den USA zu einem neuen Atomabkommen zu kommen, doch ein Abkommen scheiterte. Die 60-Tage-Frist lief vor wenigen Tagen aus.

Ebenso veröffentlichte die internationale Atomenergiebehörde IAEA erst gestern, am 12.6., einen Bericht, demnach das iranische Regime seine Berichtspflichten über sein Atomprogramm verletzt habe, zu das es wegen dessen Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag verpflichtet ist. Bei einem Bruch der Berichtspflichten wäre es nun am UN-Sicherheitsrat, Sanktionen auszusprechen, doch es ist unwahrscheinlich, dass Irans Verbündeter und Vetomacht Russland dem zugestimmt hätte. (Quelle 5)

Der Iran drohte gestern „Vergeltung“ gegen die Entscheidung des IAEA an und kündigte an, weitere Atomanlagen zu bauen und in Betrieb zu nehmen sowie die Kontrollmöglichkeiten der IAEA einzuschränken. (Quelle 6)

Israel vertraut den UN-Institutionen nicht, das Problem zu lösen, aus gutem Grund. Es hat daher als direkte Folge des Berichts und der gescheiterten Atomgespräche beschlossen, das Atomprogramm nun eigenhändig zu stoppen oder zumindest um viele Jahre zurückzuwerfen.

Das islamische Regime hat sich seit Beginn seiner Herrschaft auf die Fahne geschrieben, Israel zu vernichten,

Dies ist auch nicht neu. Israel hat schon diverse andere Atomprogramme in der Region einseitig gestoppt, darunter das syrische und irakische Atomprogramm. Nach Luftschlägen auf diese Einrichtungen endete der Konflikt. Das iranische Atomprogramm ist jedoch ausgedehnter: Es wurde bewusst so aufgebaut, dass es schwierig wäre, es militärisch zu stoppen. So wurden mehrere Anlagen in den Untergrund verlegt und im ganzen Land verstreut.

Es ist daher wahrscheinlich, dass weitere Angriffe folgen werden, bis das Atomprogramm maßgeblich zurückgeworfen wäre.

Warum ist das iranische Atomprogramm und das iranische Regime so ein Problem?

Das islamische Regime, das 1979 im Iran an die Macht kam, hat sich seit Beginn seiner Herrschaft auf die Fahne geschrieben, Israel zu vernichten, das es „die zionistische Entität“ nennt. Dies ging immer schon mit einer radikalen antisemitischen Propaganda einher, die alle Übel der Welt auf das Judentum zurückführt und dabei nahtlos an den klassischen europäischen Antisemitismus einer jüdischen Weltverschwörung anknüpft. (Quelle 7)

Diese Ideologie ist kein „Maulhelden“tum, wie es Günther Grass einst in einem Gedicht schrieb. (Quelle 8)

Seit Jahrzehnten unterstützt das iranische Regime daher ganz offen islamistische antisemitische Terrororganisationen, die „al-Quds befreien“ und „die zionistische Entität“ vernichten sollen. Damit zieht der Iran die arabischen Länder bewusst in einen Krieg mit Israel hinein, in der tausende Araber:innen gestorben sind. Dafür werden Milliarden an iranischen Geldern an diese Terrorgruppen gepumpt, auf Kosten der Bevölkerung im Iran.

Zu den iranisch ausgerüsteten Terrorgruppen gehören unter anderem die palästinensische Hamas, die libanesische Hezbollah, die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“, die jemenitischen Houthis. Vor allem zu diesem Zweck wurde auch das Assadregime in Syrien an der Macht gehalten, um die Hezbollah im Libanon über den Landweg ausrüsten zu können. (Quelle 9)

All diese Terrorgruppen führen auf iranischen Geheiß seit Jahrzehnten Krieg gegen Israel und haben geschworen, Israel zu vernichten, viele davon hatten auch Israel am 7. Oktober 2023 angegriffen, deren Krieg bis heute andauert. Das iranische Regime ist nachweislich auch in Terroranschläge gegen jüdische Einrichtungen involviert und ist zudem dafür bekannt, arabische Staaten zu destabilisieren, um in Form von neuen Terrorgruppen weitere Fronten gegen Israel aufzubauen. Zuletzt ist dies in Syrien geschehen, wo eine lokale irannahe Gruppe erste Raketenangriffe auf Israel geführt hat und versucht, Syrien in einen Krieg mit Israel zu verwickeln. (Quelle 10)

Israel ist aber nicht das einzige Land in der Region, das sich vom iranischen Atomprogramm bedroht fühlt.

Die aggressive Außenpolitik des Iran ist in der Region daher extrem umstritten, ebenso im eigenen Land. Die vielen Gelder, die in die Terrorgruppen und in Kriege gegen Israel gepumpt werden, fehlen im eigenen Land, dessen Bevölkerung unter massiver Inflation, Mangel an Gütern des alltäglichen Bedarfs und Unterdrückung durch das islamische Regime leidet.

Es ist daher völlig logisch, dass das iranische Regime in der israelischen öffentlichen Debatte als „Kopf der Hydra“ gesehen wird, als eigentliche Macht hinter dem Krieg, der am 7. Oktober gegen Israel begonnen wurde, aber auch zahlreiche andere Staaten destabilisiert und zerstört hat.

Wegen des antisemitischen Wesensgehalts des Regimes und dessen häufigen Beschwörungen der Vernichtung Israels wird daher auch das Atomprogramm des Iran als existentielle Bedrohung Israels gesehen.

Israel ist zudem darum bemüht ist, sein Alleinstellungsmerkmal als Atommacht zu bewahren und hat immer wieder Atomwaffenprogramme anderer Staaten einseitig verhindert, oft auch durch militärische Angriffe. Dies geschah gegenüber dem syrischen und irakischen Atomprogramm. Anders als der Iran hat Israel den Atomwaffensperrvertrag nie unterschrieben und hat die sog. Politik der nuklearen Zweideutigkeit. Es streitet nicht ab, Atomwaffen zu besitzen, gibt es aber auch nicht zu. (Quelle 11)

Israel ist aber nicht das einzige Land in der Region, das sich vom iranischen Atomprogramm bedroht fühlt. Die Ablehnung des iranischen Atomwaffenprogramms ist in der Region Konsens, zumal der Iran wegen seiner militärischen Einmischung in viele Länder der Region als aggressiver imperialistischer Akteur eingestuft wird.

Gleichzeitig ist das iranische Atomprogramm eine Gefahr für den Weltfrieden, da andere Staaten der Region, besonders die prowestlichen Golfstaaten, als Reaktion auf das iranische Atomprogramm bereits laut darüber nachdenken, eigene Atomwaffenprogramme aufzusetzen. (Quelle 12)

Zudem verstößt das iranische Atomprogramm gegen den Atomwaffensperrvertrag, das Iran einst unterschrieben hat und daher dazu verpflichtet ist, sicherzustellen, dass sein Atomprogramm ausschließlich zivil genutzt wird. Zu diesem Zweck werden Kontrollen der IAEA durchgeführt, die der Iran jedoch immer wieder unterminiert und beschränkt hat.

Anfang der 2000er-Jahre gab es wegen des iranischen Atomprogramms sogar UN-Sanktionen gegen den Iran (also ohne Veto Russlands und Chinas), die erst nach Abschluss des „Joint Comprehensive Plan of Action“-Atomabkommens mit westlichen Staaten im Jahr 2015 aufgehoben wurden. Die USA scherte unter Donald Trump 2017 davon wieder aus und setzte amerikanische Sanktionen wieder in Kraft. Seitdem wurde das iranische Atomprogramm wieder hochgefahren, in Verletzung seiner Verpflichtungen unter dem Atomwaffensperrvertrag.

Wie reagiert die israelische Öffentlichkeit auf die Angriffe?

In der israelischen Öffentlichkeit gibt es anders als bei der Politik der Regierung in Gaza einen nahezu überwältigenden Konsens. Alle politischen Lager der jüdischen Parteien von rechts bis links begrüßen die Angriffe auf das Atomprogramm als notwendigen Schritt, um die existentielle Bedrohung durch das iranische Atomwaffenprogramm und das iranische Regime zu stoppen. Der ehemalige israelische Premierminister und liberale Oppositionspolitiker Yair Lapid verteidigt den Schritt als notwendig, um das Atomprogramm aufzuhalten, während der ehemalige Premierminister und beliebte rechte Oppositionspolitiker Naftali Bennett den Schritt seit vielen Jahren schon fordert und als überfällig betrachtet. (Quelle 13 + 14) Tatsächlich hatten viele in der Opposition Netanjahu gerade deswegen kritisiert, weil er den Kampf in Gaza priorisiert hatte und dabei den Hauptfeind des iranischen Regimes und dessen Atomprogramm aus den Augen verloren habe.

Netanjahu verkauft den anhaltenden Angriff nun als persönlichen Erfolg und will so sein Versagen am 7. Oktober 2023 und damit seinen Ruf als „Mister Security“ geraderücken. Er gibt die Linie vor, dass die Angriffe so lange weitergehen würden, bis „die Bedrohung für Israels Überleben“ neutralisiert sei. (Quelle 15)

Es gibt zwar auch Stimmen, die diesen Angriff als gefährlich und falsch verurteilt haben, diese finden jedoch kaum Beachtung.

Wie reagiert das iranische Regime?

Der iranische Diktator Ali Chamenei hielt wenige Stunden nach den israelischen Angriffen eine Ansprache, in der er Israel mit Vergeltung drohte. Wörtlich sagte er, dass „das zionistische Regime wegen dieses Verbrechens ein bitteres und schmerzhaftes Schicksal erleiden“ werde. (Quelle 16) Er verwies dabei auf mutmaßliche zivile Opfer infolge der ersten Welle der Angriffe in der Nacht. Die militärischen Verluste und die Zerstörungen der Luftabwehr und der Atomanlagen wurden in den staatlichen Propagandamedien stark heruntergespielt.

Eine erste Drohnenwelle von etwa 100 Drohnen wurde wenige Stunden nach dem ersten israelischen Angriff ausgesendet, weitere Angriffe werden erwartet.

Was sagen die Staaten der Region zum israelischen Vorgehen?

Öffentlich verurteilen nahezu alle Staaten der Region Israels Vorgehen als Bruch des Völkerrechts, darunter auch Staaten, die den Iran und dessen Atomprogramm als Bedrohung empfinden. (Quelle 17)

Hinter den Kulissen mag die Situation jedoch teilweise ganz anders aussehen. Einige Regierungen verurteilen Israel, wie sie es schon immer getan haben.

Viele andere Regierungen der Region empfinden das iranische Regime seit Jahrzehnten jedoch als aggressiv und als existentielle Bedrohung für sich und ihre Interessen. Dabei haben insbesondere die arabischen Monarchien in der Vergangenheit durchaus verdeckt mit Israel gegen den Iran kooperiert und unter anderem iranische Raketen im eigenen Luftraum abgeschossen, die 2024 gegen Israel abgefeuert wurden und in den eigenen Luftraum eingedrungen waren.

Seit der Zuspitzung der humanitären Lage im Gazastreifen seit dem Beginn des von der Hamas gegen Israel begonnenen Krieges 2023 kühlte sich die Beziehung zwischen den arabischen Staaten und Israel jedoch ab, insbesondere zwischen den Golfstaaten und Israel, von denen einige 2023 kurz davor gestanden hatten, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren und dies nun mittelfristig aufgeschoben haben.

Dieser offizielle Kurs existiert aber vor allem im Hinblick auf die öffentliche Meinung in den eigenen Staaten zu Israels Kriegsführung im Gazastreifen. Inoffiziell sieht es jedoch anders aus.

Einerseits hatten die Golfstaaten ihre Rhetorik gegenüber dem geschwächten Iran heruntergekühlt und sich hinter Trumps Bemühungen über ein Atomabkommen mit dem Iran gestellt, was diese bislang abgelehnt hatten. Sie hatten sogar vorgeschlagen, einen Kontrollmechanismus mit einer gemeinsamen Urananreicherungsanlage in den Golfstaaten aufzubauen, um so sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich zivil genutzt würde. Dazu kam es jedoch nicht mehr.

Andererseits jedoch hatten die Golfstaaten Israels Drohung mit Angriffen aufs Atomprogramm jedoch auch genutzt, um den Iran zu einem Einlenken in den Verhandlungen zu bewegen. (Quelle 18)

Somit ist es nun gut möglich, dass viele Regierungen sich insgeheim über das israelische Vorgehen freuen, das die dreckige Arbeit für sie macht, ohne dass sie dafür die eigenen Hände schmutzig machen müssten. (Quelle 19)

Trump nutzte die Angriffe, um den Iran zu einer Rückkehr zu den gescheiterten Atomverhandlungen zu drängen, bevor „es zu spät“ sei. 

Die arabische Öffentlichkeit wiederum ist gespalten. Saudische panarabische Medien sehen den Angriff als kalkulierten Angriff auf das Atomprogramm und als Antwort auf Irans aggressive Politik. Sie rechtfertigen Israels Angriff daher in gewisser Weise auch. Qatarische panarabische Medien wie Al Jazeera hingegen sowie Medien, die mit dem iranischen Regime alliiert sind, verurteilen die Luftangriffe, stellen diese aber so dar, dass die USA eigentlich dafür verantwortlich sei. Der jüdische Staat sei nicht dazu in der Lage, solche Angriffe eigenständig zu führen, er benötige dafür Hilfe einer Großmacht. Diese Sicht hat einen antisemitischen Charakter, das jüdischen Menschen unterstellt, sie seien feige und hinterlistig und ließen nur andere für sich kämpfen. (Quelle 20)

Die türkische Regierung verurteilt Israel ebenfalls, was zu erwarten war.

In jedem Fall wird das israelische Vorgehen in der Region viel weniger kritisch gesehen als manche westliche Stimmen es nun darstellen mögen. Das liegt an der aggressiven Außenpolitik des Irans, die in der Region deutlich abgelehnt wird.

Was sagen andere Staaten zum israelischen Vorgehen?

Die USA mag in diesem Kontext besonders interessant sein, von dort gab es widersprüchliche Signale. Als direkte Reaktion auf den Angriff distanzierte sich die Trump-Regierung von den Angriffen, die sie als „einseitig“ darstellten. Der Außenminister Rubio reagierte ebenso distanziert und machte deutlich, dass die USA nicht an den Angriffen beteiligt waren. Das Hauptziel nun sei es, die Sicherheit der US-Truppen in der Region sicherzustellen, die nun Opfer iranische Angriffe werden könnten. Einen amerikanischen Schutz Israels vor den erwarteten iranischen Gegenangriffen brachte er nicht ins Spiel. (Quelle 21)

Gleichzeitig jedoch nutzte Trump die Angriffe, um den Iran zu einer Rückkehr zu den gescheiterten Atomverhandlungen zu drängen, bevor „es zu spät“ sei. (Quelle 22)

Die europäischen Staaten und die UN hingegen riefen zu einer Deeskalation und zu einer Rückkehr zur Diplomatie auf, ohne klare Position zu beziehen. 

Russland verurteilte die Luftschläge als „Eskalation“, China zeigte sich „besorgt“. (Quelle 23)

Was sagt nun das vielzitierte Völkerrecht?

Zunächst einmal geht es hier um eine Region, in der das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nirgendswo stärker mit Füßen getreten wird als hier. Das Völkerrecht ist dort also ebenso kaum ein Maßstab der Politik für die Regierungen der Region. Das gilt sowohl für das Völkerrecht (Frage der internationalen Regeln, insbesondere der Frage, wann Gewalt eingesetzt werden darf und wann nicht) als auch für das humanitäre Völkerrecht bzw. Kriegsvölkerrecht (Beachtung von Regeln IM Krieg).

Fakt ist, dass Israels Angriff einseitig erfolgt ist und damit formaljuristisch ein Verstoß gegen das allgemeine Völkerrecht darstellt. Umgekehrt ist es aber so, dass der Iran bzw. das iranische Regime ebenso gegenüber Israel (und vielen anderen gegenüber) massiv gegen das Völkerrecht verstoßen hat und dabei seit Jahren keine Konsequenzen dafür erlitten hat. So hat es durch seine massive Finanzierung ausländischer Terrorgruppen und deren Gewalt einseitig und in vielfacher Weise gegen das Gewaltverbot verstoßen, das es verbietet, Terrorgruppen zu finanzieren, die Gewalt gegen Staaten und Individuen (wie jüdische Synagogen) ausüben. Es konnte sich dabei in den allermeisten Fällen auch nicht auf das Selbstverteidigungsrecht berufen.

Insgesamt ist das iranische Regime in der schwächsten Position seiner 46-jährigen Geschichte, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich als auch politisch. 

Ebenso hat der Iran nun erneut nachweislich gegen den völkerrechtlich bindenden Atomwaffensperrvertrag verstoßen, was den direkten Anlass der israelischen Angriffe darstellt, ihn aber rein formaljuristisch gesehen nicht rechtfertigt.

Aus israelischer Sicht handelt es sich bei iranischen Atomwaffen und deren möglicher Anwendung in einem Atomschlag gegen Israel um eine existentielle Bedrohung, die nach der Webster-Formel einen Präventivschlag rechtfertige. Dies würde das Vorgehen Israels völkerrechtlich also auch als legitime Selbstverteidigung und damit als völkerrechtskonform einstufen.

Was das Kriegsvölkerrecht anbelangt, gibt es aus meiner Sicht bislang keinen Beleg für Verstöße gegen die Genfer Konventionen oder die Zusatzprotokolle zu den Konventionen bei den Luftangriffen im Iran. Diese wurden bisher gezielt durchgeführt und gelten den Atomanlagen und den Personen, die für die militärischen Aspekte des Atomwaffenprogramms zuständig sind, darunter Verantwortliche des Raketenprogramms. Netanjahu hat auch klargestellt, dass die Angriffe nur Einrichtungen und Figuren des in der Bevölkerung verhassten Regimes gelten und nicht der Zivilbevölkerung. Diese Einschätzung kann sich zu einem späteren Zeitpunkt natürlich auch ändern.

Wie geht es nun weiter?

Israel hat angekündigt, dass es die Luftangriffe so lange weiterführen werde, bis es die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm neutralisiert habe. Dies kann Tage oder auch Wochen oder auch Monate dauern und es ist keineswegs sicher, ob Israel die starke Schwächung des Atom- und Raketenprogramms gelingen wird. Allerdings hat Israel durch die Ausschaltung der iranischen Luftabwehr die Lufthoheit im Iran erlangen können, zumal der Iran nur eine lächerlich veraltete Luftwaffe besitzt, die noch aus den 70ern stammt und dafür kaum Ersatzteile besorgen kann.

Der Iran wiederum hat Vergeltung angekündigt und noch hunderte Raketen und tausende Drohnen in der Hinterhand, die das iranische Regime gegen Israel einsetzen könnte. Ebenso könnte es versuchen, die „Achse des Widerstands“, also die Ansammlung an proiranischen Terrorgruppen gegen Israel einzusetzen. Allerdings hat der Iran dies bereits seit 2 Jahren getan, seitdem ist diese Achse massiv geschwächt. Die libanesische Hezbollah hat sogar erklärt, sich aus der Sache herauszuhalten und kämpft derzeit ums Überleben als Staat im Staate im Libanon, dessen Regierung angekündigt hat, die Waffen der Terrorgruppe nicht länger zu dulden.

Insgesamt ist das iranische Regime in der schwächsten Position seiner 46-jährigen Geschichte, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich als auch politisch. Die iranische Opposition ist zwar gespalten und wurde bei der brutalen Niederschlagung der „Frau, Freiheit, Leben“-Massenprotesten vor wenigen Jahren stark geschwächt. Jedoch verliert das Regime derzeit nahezu alles, was es über Jahrzehnte auf Kosten des Wohlstands der eigenen Bevölkerung aufgebaut hat: Ein mächtiges Netz an Milizen im Ausland, den ausländischen Einfluss allgemein und nun auch sein Atomwaffenprogramm, für das die iranische Zivilbevölkerung zahlreiche Sanktionspakete erleiden musste. All das stellt sich nun als umsonst dar, verschwendet.

Je nachdem, wie die Luftschläge und Geheimdienstoperationen im Iran weitergehen und wie viele Zivilpersonen dabei auch getötet werden, wird sich zeigen, wie die iranische Bevölkerung auf die Ereignisse reagiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Bevölkerung sich teilweise mit der Regierung solidarisiert, auch wenn es nicht allzu wahrscheinlich ist.

Wahrscheinlicher halte ich es, dass die Luftschläge in spätestens einigen Wochen abgeschlossen sind und dann eingestellt werden, entweder mit oder ohne Atomabkommen. Und dann wird das iranische Regime absolut düpiert dastehen und noch weiter an Legitimation verlieren.

Das Argument des Regimes war nämlich unter anderem, dass so viel Geld in Terrorgruppen ins Ausland gepumpt werden müsse, um zu verhindern, dass der Iran Opfer imperialer Großmächte würde. Ebenso wurde argumentiert, dass das Atomprogramm so wichtig sei, dass die Zivilbevölkerung die Sanktionen eben erdulden müsse, um so die Sicherheit des Irans zu garantieren.

Diese Argumentation stellt sich nun als Trugschluss dar, ja, das Gegenteil ist geschehen. Gerade das aggressive und teure Vorgehen des Iran im Ausland und dessen unnötiges und teures Atomwaffenprogramm hat nun dazu geführt, dass das erste Mal seit Jahrzehnten iranisches Territorium aus dem Ausland angegriffen wird und es in den meisten Ländern nur wenig Kritik daran gibt.

Letztlich muss man die weitere Entwicklung verfolgen. Vieles kann noch passieren.

 

Manuel Störmer ist freier Journalist (FB-Seite) für die Jungle World und YouTuber unter dem Alias "Lupen rein" 

Quellen:

 

  1. https://www.timesofisrael.com/after-years-of-preparation-israel-launches-major-offensive-against-iran-and-its-nuclear-program/ 

  2. https://www.timesofisrael.com/mossad-set-up-drone-base-in-iran-uavs-took-out-missile-launchers-overnight/ 

  3. https://www.youtube.com/watch?v=Vsj5pw4QPls&t=145s 

  4. https://edition.cnn.com/2025/06/13/middleeast/israel-iran-strikes-military-deaths-intl-hnk

  5. https://www.reuters.com/world/china/iaea-board-declares-iran-breach-non-proliferation-duties-diplomats-say-2025-06-12/

  6. https://edition.cnn.com/2025/06/12/middleeast/iran-threatens-nuclear-escalation-iaea-intl 

  7. https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/519837/der-antisemitismus-des-iranischen-regimes/ 

  8. https://www.dw.com/de/grass-gedicht-entr%C3%BCstung-auf-allen-seiten/a-15860840 

  9. https://www.faz.net/pro/weltwirtschaft/sicherheit/kolumne-weltblick-irans-achse-des-widerstands-ist-zerbrochen-110503710.html 

  10. https://www.bbc.com/news/articles/czxyr4lvd01o 

  11. https://www.deutschlandfunk.de/die-heimliche-atommacht-israel-100.html 

  12. https://thesoufancenter.org/intelbrief-2024-october-10/ 

  13. https://blogs.timesofisrael.com/iran-declared-war-on-israel-long-ago-now-it-is-facing-the-consequences/?_gl=1*18j139q*_ga*NzI4Nzk5MzUzLjE3MjY5ODQ3NjY.*_ga_RJR2XWQR34*czE3NDk4MDk0MDEkbzYyOSRnMSR0MTc0OTgwOTUyOSRqMTgkbDAkaDA

  14. https://www.youtube.com/watch?v=80ysRuuALKU&t=57s 

  15. https://edition.cnn.com/2025/06/12/world/video/netanyahu-israel-iran-strike-digvid 

  16. https://en.irna.ir/news/85860975/Ayatollah-Khamenei-Israel-today-sealed-a-bitter-and-painful

  17. https://english.alarabiya.net/News/saudi-arabia/2025/06/13/saudi-arabia-condemns-israeli-attacks-on-iran-says-strikes-violate-international-law 

  18. https://www.timesofisrael.com/liveblog_entry/report-saudi-arabia-warned-iran-to-make-nuclear-deal-with-us-or-risk-war-with-israel/ 

  19. https://www.theguardian.com/world/2024/oct/03/gulf-leaders-support-palestine-but-many-would-not-mind-seeing-israel-challenge-iran 

  20. https://themedialine.org/top-stories/arab-media-reactions-vary-widely-following-israeli-strike-on-iran/ 

  21. https://www.theguardian.com/world/2025/jun/13/israels-strikes-on-iran-show-trump-is-unable-to-restrain-netanyahu-as-middle-east-slips-closer-to-chaos 

  22. https://www.politico.eu/article/donald-trump-warns-iran-israel-strikes/ 

  23. https://www.zdfheute.de/politik/ausland/israel-iran-angriff-reaktionen-weltweit-100.html 



 

Es gibt viel aufzuräumen. Ausgebrannte Autos nach Zusammenstößen schwerbewaffneter Milizen in Tripolis, 15. Mai
2025/21 Ausland In der libyschen Hauptstadt kam es nach der ­Erschießung eines Milizenführers zu den heftigsten Kämpfen seit Jahren

Tumult in Tripolis

In der libyschen Hauptstadt bekämpfen sich nach dem Tod eines Milizenführers rivalisierende bewaffnete Banden. Derweil erwägt die US-Regierung, Migranten in Libyen zu internieren.

Angriffe auf Drusen in Syrien: Es begann mit einem Gerücht

Freedom Square in Suwaida, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

In den vergangenen Tagen kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen islamistischen und drusischen Milizen in Syrien. In Folge griff die israelische Luftwaffe mehrfach Ziele im Land an.

Alles begann mit einem Gerücht: Am Sonntag, dem 27. April machte auf den sozialen Medien eine Audioaufnahme die Runde, in der ein Mann den islamischen Propheten Mohammed beleidigt haben soll. Die viralen Videos und Aussagen auf den sozialen Medien behaupteten, dieser Mann sei ein Kleriker der religiösen Minderheit der Drusen. Die drusische Community distanzierte sich sofort von den Inhalten der Aufnahme, der beschuldigte Kleriker Marwan Kiwan stritt ab, mit den Aussagen in der Aufnahme in Verbindung zu stehen. Die Regierung leitete Ermittlungen zur Aufnahme ein, ließ als Ergebnis der Ermittlungen zwei Tage später jedoch vermelden, dass sie keine Belege dafür gefunden hätten, dass der drusische Kleriker für die Aufnahme verantwortlich war.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Ereignisse jedoch schon längst ihren Lauf genommen, eine feindselige Stimmung gegen die religiöse Minderheit hatte sich entwickelt, angefacht von islamistischen Gruppen.

Angriffe auf Drusen

Islamistisch eingestellte Studierende bedrohten drusische Studierende in der Stadt Homs und griffen sie in ihren Wohnheimen an, sodass diese von dort fliehen mussten. Gleichzeitig sammelten sich islamistische Milizen, um einen Angriff auf die mehrheitlich drusischen Städte Jaramana, Sahnaya und Ashrafiya Sahnaya südlich von Damaskus zu starten. Ob diese Milizen formell der Regierung unterstehen oder nicht, ist bislang nicht geklärt.

Die drei Viertel unterscheiden sich: Jaramana war zumindest teilweise unter der Kontrolle des syrischen Staates, dort kämpften Polizeikräfte gegen die islamistischen Angreifer, syrische Truppen sicherten das Gebiet später ab, um es zu schützen. Ashrafiya Sahnaya und Sahnaya sowie Teile von Jaramana hingegen unterstanden bis zu diesem Zeitpunkt eigenen drusischen Milizen, die sich nicht dem syrischen Staat unterstellt hatten. Diese wurden vom einflussreichen drusischen Kleriker Hikmat al-Hijri geleitet, der die Regierung grundsätzlich ablehnt und drusische Autonomie fordert. Somit nutzten Truppen unter der formellen Kontrolle der Regierung die Gelegenheit, um die Viertel von den drusischen Milizen zu erobern, mit unklarer Rolle der islamistischen Milizen. Dabei kam es mutmaßlich auch zu Kriegsverbrechen, ein ehemaliger Bürgermeister und sein Sohn wurden erschossen, einige Zivilisten sollen exekutiert worden sein, bei der Gefangennahme wurden die Bärte der drusischen Männer gezielt abrasiert, was im drusischen Glauben als demütigend gilt. Anschließend wurde ein Waffenstillstand und ein Abkommen ausgehandelt und die drusischen Milizen mussten ihre Waffen abgeben, während lokale Polizeikräfte ihre Arbeit aufnahmen.

Kämpfe auch in Suwaida

Auch das südliche Suwaida nicht weit von der israelischen Grenze wurde in die Kämpfe involviert, das ebenfalls weitgehend eigenen drusischen Milizen untersteht. Drusische Milizen von dort versuchten, die Kämpfer in Sahnaya zu unterstützen, wurden aber auf dem Weg dorthin getötet, sodass sie diesen Versuch abbrechen mussten. Auch in Suwaida selbst gab es Kämpfe zwischen drusischen und sunnitischen Milizen sowie regierungsnahen Milizen, in denen auch Vorwürfe von Kriegsverbrechen gemacht wurden. Auch hier gab es Anfang Mai Verhandlungen und ein Abkommen, das vorsieht, dass al-Suwaida tendenziell in den Staat integriert wird, obwohl die drusischen Milizen bisher noch ihre Waffen behalten. Voraussetzung wurde hier aber, dass nur lokale Einwohner:innen Polizei- und Streitkräfte in der Region dominieren würden.

Die Ereignisse zeigen, wie vielschichtig die Situation in Syrien ist:

Einerseits haben tatsächlich islamistische Gruppen Drusen angegriffen und bedroht, wobei der Staat den Schutz der Drusen nur teilweise garantieren konnte. Hierbei machen sich verständlicherweise viele Drusen Sorgen ob ihrer zukünftigen Rolle in einem Staat, in dem islamistische Gruppen recht stark vertreten sind, Minderheitenrechte nur teilweise garantiert sind und jihadistische Gruppen noch immer im Land operieren können.

Innerdrusischer Konflikt

Andererseits jedoch gibt es einen Machtkampf zwischen Milizen und dem Staat, in der auch drusische Milizen involviert sind. Der syrische Staat versucht hier, das staatliche Gewaltmonopol zu erlangen und Milizen zu entwaffnen, also auch drusische Milizen. Dementsprechend waren die Kämpfe tendenziell auch darauf bedacht, das Land zu einen und Recht und Gesetz für alle herzustellen. Jedoch ist unklar, ob die islamistischen Milizen genauso entwaffnet oder eingehegt werden.

Und zuletzt gibt es einen Machtkampf innerhalb der drusischen Community zwischen jenen, die ihre Waffen behalten und mit israelischer Hilfe eine Art unabhängiges drusisches Gebiet mit eigenen Milizen bewahren wollen und jenen, die sich grundsätzlich schon unter Bedingungen in den syrischen Staat integrieren wollen und israelische Waffenhilfe ablehnen.

(Bild: Sheikh Hikmat al-Hijri, Quelle: NPA-Syria)

Die erste, auf Eigenständigkeit pochende proisraelische Fraktion wird vor allem mit dem drusischen Kleriker Hikmat al-Hijri und seinen Milizen verbunden, die auch in Sahnaya vertreten waren. Er lehnt die Regierung und Integration in staatliche Strukturen derzeit ab. Zudem spricht er von einer „Völkermordkampagne" und verlangt nach israelischer Waffenhilfe, um die drusische bewaffnete Unabhängigkeit zu bewahren. Damit stellt er jedoch eine Minderheit innerhalb der drusischen Gemeinschaft dar. Zudem ist wichtig zu wissen, dass al-Hijris Fraktion von Verbindungen zum ehemaligen Assadregime belastet ist und dementsprechend seine schlechten Beziehungen zur postrevolutionären syrischen Regierung beeinflussen.

Die zweite Fraktion ist eigentlich die Fraktion mit breiterer Zustimmung und wird von den anderen zwei hochrangigen Geistlichen Hammoud al-Hinnawi und Yusuf al-Jabrou vertreten sowie drusischen Milizen um die al-Balous-Familie. Auch diese sorgen sich um die Rechte der Drusen in Syrien, haben die islamistische Hetze ausdrücklich verurteilt und verlangen mehr Einschluss in der Regierung. Letztlich will diese Fraktion aber durchaus mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, sie hatte sich während der Assadzeit tendenziell auf die Seite der Opposition gestellt. Sie lehnt die Avancen al-Hijris an Israel deutlich ab und verurteilt das israelische Vorgehen in Syrien.

Geopolitische Spannungen

Das Ganze findet im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen der Türkei, Israel und proiranischen Gruppen statt. Israels Regierung unter Netanjahu misstraut trotz des gegenüber Israel dialogbereiten Tons der neuen syrischen Regierung und stellt sie als „terroristisch“ dar, greift immer wieder Ziele in Syrien an, in dem Glauben, damit israelische Sicherheitsinteressen zu verfolgen. Die Drusen werden hier als eine Gruppe gesehen, die in der Form einer bewaffneten drusischen Autonomie eine neutrale Pufferzone zwischen Syrien und Israel darstellen könnte. Zudem sorgt man sich um den Einfluss der Türkei, die in Syrien mit syrischer Unterstützung Militärbasen einrichten möchte. Israel bombardierte syrische Militärbasen, kurz nachdem türkische Militärs diese für eine spätere Nutzung besichtigt hatten.

(Bild: Drusischer Protest in Israel, Quelle: Flash90)

Al-Hijris Drusen-Fraktion involvierte dementsprechend Israel und sorgte tatsächlich dafür, dass israelische Drohnen und Flugzeuge regierungsnahe Milizen und sogar nahe dem Präsidentenpalast angriffen. Das konnte passieren, da al-Hijri-nahe Personen mithilfe einer Kampagne auf den sozialen Medien Einfluss auf die israelisch-drusische Community ausübten und den Eindruck erweckten, als verfolge die syrische Regierung einen Völkermord an den Drusen.

Warnung vor Völkermord

Dies konnte man auch auf den sozialen Medien im Westen finden, in denen vor allem israelische Drusen vor einem Völkermord warnten und in Israel eine humanitäre Intervention forderten. Zuvor hatte al-Hijri den Kontakt zu den israelischen Drusen verstärkt und syrische Drusen zu einer Fahrt zu einer drusischen Pilgerstätte in Nordisrael eingeladen, mit insgesamt 650 Teilnehmenden aus Syrien. Bis dahin hatten syrische und israelische Drusen fast 70 Jahre lang kaum Kontakt gehabt, da noch immer kein Friedensvertrag zwischen Israel und Syrien unterzeichnet ist.

Auch israelfeindliche proiranische und ehemals assadtreue Medien verfolgten dieses regierungskritische Narrativ, obwohl sie Israels Rolle im Gegenteil maximal negativ darstellten.

Umgekehrt wiederum gibt es weiterhin drusenfeindliche Hetze durch islamistische Seiten, insbesondere durch Gerüchte über angebliche Angriffe auf Moscheen, wo auch nicht immer klar zwischen al-Hijri und Drusen als gesamte religiöse Gemeinschaft unterschieden wird. Drusische Bedenken über die Zukunft des Landes werden hier oft als reine Assad- oder Pro-Israel-Propaganda hingestellt oder Drusen pauschal als Verräter dargestellt, die mit dem „Feind“ Israel Geschäfte machen würden.

Lage beruhigt

Momentan jedenfalls hat sich die Sicherheitslage in den Drusengebieten erst einmal beruhigt. Die Waffenstillstände und bisherigen Vereinbarungen über eine Integration der Drusen halten erst einmal, auch wenn noch immer viel Misstrauen herrscht.

Trotzdem jedoch zeigt die Lage, dass die drusische Existenz in Syrien unter der neuen Regierung nicht restlos garantiert ist und drusenfeindliche Gerüchte innerhalb kürzester Zeit schlimme Folgen haben können. Zudem haftet die drusische Gemeinschaft nun das Label einer Gemeinschaft von Verrätern an, was für die Gemeinschaft langfristig sehr gefährlich werden könnte.

 

Manuel Störmer ist freier Journalist (FB-Seite) für die Jungle World und YouTuber unter dem Alias "Lupen rein"

 

 

Niederlagen für Muslimbrüder und Hamas

Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Die Hamas, ihre Mutterorganisation die Muslimbrüder und die vom Iran orchestrierte "Achse des Widerstandes" müssen dieser Tage weitere Niederlagen einstecken.

Die Hamas und dessen Dachverband der Muslimbruderschaft versuchen seit dem 7. Oktober 2023, die gesamte Welt an der Seite der Hamas in den Krieg gegen Israel hineinzuziehen – mit immer rücksichtsloseren Methoden.

Statt eine weltweite Kriegsallianz zusammenzubrauen, die Israel vernichten würde, führte diese Strategie stattdessen dazu, dass sich alle, die sich letztlich an der Seite der Hamas im Rahmen der iranischen „Achse des Widerstands“ in den Krieg einmischten, eine blutige Nase holten. Dazu gehören die Hesbollah im Libanon, der Iran in Syrien, das von beiden abhängige Assadregime in Syrien und Terrororganisationen im Westjordanland. Selbst die schlagkräftigen jemenitischen Houthis verlieren angesichts amerikanischer Angriffe an Stärke.

Nun verliert die „Achse des Widerstands“ auch in der arabischen Welt immer mehr an Einfluss.

Das sieht man vor allem an zwei Entwicklungen der letzten Tage.

Jordanische Regierung geht gegen Muslimbruderschaft vor

Die erste Entwicklung bezieht sich auf das Königreich Jordanien, das östliche Nachbarland Israels, das seit 1994 einen Friedensvertrag mit Israel unterhält und zu den demokratischsten arabischen Staaten gehört. Die jordanischen Behörden haben am Mittwoch, dem 23. April verkündet, dass sie mit sofortiger Wirkung ein Betätigungsverbot für die Muslimbruderschaft erlassen haben. Das schließt wohl auch die islamistische Oppositionspartei der „islamischen Aktionsfront“ ein, die bei den letzten Wahlen 2024 bei sehr niedriger Wahlbeteiligung unter dem Eindruck des Krieges in Gaza noch ein unerwartet gutes Ergebnis von etwa 40% erreicht hatte.

Im Fokus der Ermittlungen steht der Libanon, wo die Hezbollah und die Hamas mit iranischer Unterstützung Ausbildungslager unterhalten.

Der Grund für das jetzige Betätigungsverbot ist das Auffliegen einer Reihe von Anschlagsplänen von Mitgliedern der jordanischen Bruderschaft. So wurde erst am 15. April eine Zelle von sechzehn Männern ausgehoben, denen vorgeworfen wird, Sprengstoff und Waffen ins Land geschmuggelt und Raketen und Drohnen produziert zu haben. Ebenso wird ihnen vorgeworfen, Geld und Ausbildung aus dem Ausland erhalten zu haben. Im Fokus der Ermittlungen steht der Libanon, wo die Hezbollah und die Hamas mit iranischer Unterstützung Ausbildungslager unterhalten. Die Verbindung zum iranischen Regime ist kaum zu übersehen, das keinen Hehl daraus macht, das halbdemokratische jordanische System zu stürzen.

Das Pikante daran: Mehrere Mitglieder der Zelle sitzen im Vorstand der „islamischen Aktionsfront“ und die Aktionsfront bemühte sich dieses Mal nicht einmal, sich ernsthaft von der Terrorzelle zu distanzieren. Bis dahin hatte die jordanische Bruderschaft nämlich eine gewisse Distanz zu solchen Terrorzellen gewahrt, zumal bis dahin nur Brüder niedriger Ränge an diesen beteiligt waren. Damit hatte sie seine Handlungsfreiheit im Königreich wahren können und seit Beginn des Krieges zahlreiche Demonstrationen für die Palästinenser, aber auch für die Hamas abhalten können. Obwohl die Hamas seit 1999 in Jordanien verboten ist, durften die Anführer der Terrororganisation unbehelligt per Leinwand zu den Demonstrierenden zugeschaltet werden. Ebenfalls griff der jordanische Staat nicht ein, wenn die Mitglieder der „islamischen Aktionsfront“ Anführer der Hamas betrauerten oder die israelische Botschaft in Amman zu stürmen versuchten.

Aufruf zum Sturz der Regierung in Amman

Als Reaktion auf das Verbot rief nun eine extremistische Teilorganisation der weltweiten Muslimbruderschaft offen zum Sturz der jordanischen Regierung und aller arabischer Regierungen auf, denen sie „Unterwerfung“ und „Nähe zum zionistischen Projekt“ vorwarf. Auch wenn diese nur eine Teilströmung der Bruderschaft ist, gibt es Vorwürfe, dass der Iran diese terroristische Teilströmung fördert, um den internen Machtkampf innerhalb der Bruderschaft zu entscheiden und so die Bruderschaft noch mehr zum Terror zu bewegen.

Die Fatwa eines Muslimbruder-Gelehrten-Gremiums namens „internationale Union der muslimischen Gelehrten“, die den heiligen Krieg gegen Israel zur religiösen Pflicht jedes Muslims erhebt, deutet aber auf eine Radikalisierung der Bruderschaft hin.

Doch genau das findet nun Grenzen durch den jordanischen Staat, der seine jahrzehntelange Tolerierung der Bruderschaft beendet.

Deutliche Worte von Palästinenserpräsident Abbas

Die zweite Entwicklung bezieht sich auf die Palästinenser selbst.

Nach langer Zeit der öffentlichen Vorsicht hat der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland, Mahmoud Abbas, der auch den Titel des Präsidenten des Staats Palästinas für sich beansprucht, öffentlich zur Freilassung von israelischen Geiseln aufgerufen, oder so scheint es zumindest.

Wörtlich sprach Abbas von "den amerikanischen Geiseln" und dann von Geiseln allgemein, es ist also nicht ganz klar, wen er meinte.

Möglicherweise meinte er nur die eine amerikanisch-israelische Geisel Eden Alexander, die die US-Regierung in direkten Verhandlungen mit der Hamas freibekommen wollte. Dann wäre es eine rein strategische Erwägung, um die USA aus dem Kontext herauszubekommen.

Der Kontext deutet aber darauf hin, dass er auch alle restlichen bis zu 24 lebenden israelischen Geiseln meint, die noch immer in Gefangenschaft von Terrorgruppen in Gaza ausharren. Denn Abbas fordert das Ende des gesamten Kriegs.

Sein Argument: Die Gefangenschaft der Geiseln sei ein Vorwand für "den Vernichtungskrieg" und die Hamas könne den Krieg durch eine Freilassung von Geiseln sofort beenden.

Die Strategie der Hamas, die gesamte Region in einen apokalyptischen Endzeitkrieg hineinzuziehen, ist zu einem strategischen Desaster für den Iran und die Muslimbruderschaft geworden.

Die Hamas solle sich einfach ergeben und die Macht an die Autonomiebehörde übergeben (also an Abbas und seine Fatah-Partei, die die Autonomiebehörde kontrolliert).

Was die Aussagen des Präsidenten interessant machen, ist nicht nur, was er sagt, sondern auch die Art und Weise, wie und wo er sie äußerte.

Der uralte Präsident Abbas sprach öffentlich bei der Eröffnung der Zentralratssitzung der PLO, einer Art palästinensisches Ad-Hoc-Übergangsparlament, das auf wenig demokratische Weise von Abbas' Fatah dominiert wird.

"Söhne von Hunden"

Dabei nannte er die Hamas "Söhne von Hunden".

Bei dieser Äußerung wurde er später von den Anwesenden auch laut beklatscht.

Offenbar ist auch bei der Fatah und Teilen der palästinensischen Öffentlichkeit der Geduldsfaden mit der Hamas und dessen Krieg gerissen, nachdem wesentliche Teile der Fatah über ein Jahr lang seit Beginn des Krieges öffentlich überall betont hatten, wie sehr auch sie "den Widerstand" und Gewalt gegen Israel unterstützen würdenDas war nach dem 7. Oktober nämlich zeitweise populär.

Jetzt ändert die Fatah unter dem Eindruck der Proteste in Gaza und des deutlichen militärischen Scheiterns der Hamas und seiner proiranischen Unterstützergruppen ihre öffentliche Position und fordert die Entwaffnung und Entmachtung der Hamas.

Etwas, was Al Jazeera und den proiranischen arabischen Medien natürlich gar nicht gefällt, die Abbas nun als israelischen Agenten und als peinlichen alten Mann beschimpfen, der niemanden repräsentiere.

All das zeigt natürlich nicht gerade, dass die Fatah und Abbas moralisches Feingefühl oder politischen Weitblick zeigen würden. Ganz im Gegenteil, die Fatah verfolgt ziemliche Eigeninteressen und möchte selbst natürlich von der Zerschlagung des Konkurrenten der Hamas profitieren und an korrupte Fleischtöpfe kommen, die sich bei einem Wiederaufbau ergeben könnten.

Wind dreht sich

Aber letztlich zeigt es auch, wie sehr sich nicht nur wegen des Verlaufs des Krieges, aber auch wegen der Proteste in Gaza der politische Wind gedreht hat. Damit erachtet die Fatah es auch für richtig und politisch opportun, öffentlich diese Position einzunehmen und endlich einmal Druck auf die Hamas auszuüben, nachdem wesentliche Teile der Partei ein Jahr lang rhetorisch die Hamas angefeuert hatten.

All das bestärkt mich in meiner Sicht:

Die Strategie der Hamas, die gesamte Region in einen apokalyptischen Endzeitkrieg hineinzuziehen, ist zu einem strategischen Desaster für den Iran und die Muslimbruderschaft geworden und droht, die Gruppe immer weiter politisch zu isolieren.

Nun steht sie in Gaza weitgehend allein da und hat eine schwächere Verhandlungsposition als je zuvor.

Ich hoffe inständig, dass die Terrorgruppe die Lage erkennt, in der sie sich befindet und ihren gewollten zerstörerischen Krieg durch eine Art von Kapitulation endlich beendet.

 

Manuel Störmer ist freier Journalist für die Jungle World und YouTuber unter dem Alias "Lupen rein"

Iranisch finanzierte Terrororganisation wird in Syrien aktiv

Bild: Logo der  Islamic Resistance Front in Syria

Der Iran hat in Syrien eine neue Terrororganisation aufgebaut, die seit heute von syrischem Boden aus Israel angreift und die neue syrische Übergangsregierung stürzen will.
 

Sie hieß zunächst "Front für die Befreiung des Südens" und war ein Ableger der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP), einer faschistischen, assadtreuen und später irantreuen Partei, die ein imperialistisches Großsyrien anstrebt. Der Name der Partei ist nicht zufällig, die Partei wurde in 1932 gegründet und hat starke Anlehnungen an den damaligen europäischen Faschismus und Antisemitismus.
Die Partei ist assadtreu und stand der Baath-Ideologie nahe, wurde vom Regime deswegen unterstützt, die Partei dominierte das Regime aber nicht selbst.

Die Gruppe wurde aber kurzerhand zur "islamischen Widerstandsfront" umbenannt, ein Beleg dafür, dass die Hezbollah und der Iran die Gruppe nun kontrollieren. Die Selbstbezeichnung "Widerstand" ist typisch für irantreue antisemitische Terrorgruppen wie diese, ebenfalls bekam die Gruppe nun ein Logo, das in geradezu langweiliger Weise dem Logo der Hezbollah gleicht und sich auf einen Koranvers bezieht, den auch die Hezbollah gern nutzt.

Heute ist es nun passiert, dass diese "islamische Widerstandsfront" das erste Mal auf israelische Soldaten in der Pufferzone geschossen hat und über Hezbollah-Propagandamedien ein Statement abgab. Darin behauptet die Gruppe, sie habe ihre "Aktivitäten gegen den israelischen Feind und die terroristischen Gangs von al-Jolani" begonnen. Diesem werfen sie vor, Israel gewähren zu lassen, in Wahrheit sieht man aber, dass sie die Übergangsregierung stürzen wollen, den Hass auf Israel nutzen sie in typisch iranischer Weise als Anlass dazu, um für Krieg und Terror zu mobilisieren.

Wieder einmal zeigt der Iran, dass er in der Lage ist, Terrorgruppen im Ausland aufzubauen, deren Aufgabe die Vernichtung Israels und die Ausweitung der iranischen imperialistischen Machtpolitik ist.
Wo auch immer der Iran seine Hände im Spiel hat, kommt so etwas heraus.
Für die syrische Übergangsregierung mag das kompliziert werden:

Wenn diese Terrorgruppe im Grenzgebiet operiert, muss sie dieses Grenzgebiet sichern und die Terrorgruppe zerschlagen, damit die Pufferzone wieder in syrische Hand kommen kann, denn genau dafür (die Verhinderung von Terror gegen Israel) ist ja das Entflechtungsabkommen gedacht gewesen.
Die Übergangsregierung kann also nur den Abzug der IDF herbeiführen, wenn sie die Terrorgruppe dort bekämpft.

Für Israel ist die Sache klar: Man wusste, dass der Iran so vorgehen würde, genau deswegen hat man die Pufferzone eingenommen, um mehr Sicherheit zu erhalten. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass der Vorwand für die Schaffung dieser Gruppe nun die Besetzung der Pufferzone ist. Wenn Israel dies jedoch nicht gemacht hätte und nur auf den Golanhöhen geblieben wäre, hätte diese "Widerstandsfront" die Besetzung der Golanhöhen als Vorwand genutzt, insofern war das Vorgehen der Israelis wahrscheinlich richtig.

Die Frage ist nur, ob die Zerstörung des syrischen Waffenarsenals notwendigerweise im Interesse Israels war. Dieses Arsenal hätte der Übergangsregierung möglicherweise nutzen können, um umso besser gegen die Terrorgruppe vorzugehen. Genauso gut hätten diese Waffen auch in die Hände der Hezbollah und dieser "Widerstandsfront" fallen können.

Im Nachhinein lässt sich dies also schwerlich klar bewerten.

Syrien: Von Milizen zum Übergangspräsidenten gekürt

Ahmed al-Shara'a, Bildquelle: NCRI

Ahmed al-Shara'a, der de-facto-Präsident Syriens, ist nun ganz offiziell zum Präsidenten Syriens ernannt worden

Nun ist die Frage: Wer hat ihn denn ernannt? Von der syrischen Bevölkerung wurde er nicht gewählt, auch nicht von einem Parlament, denn das alte undemokratische Baath-Parlament gilt als absolut diskreditiert.

Ernannt hat ihn eine Gruppe an syrischen arabischen Rebellengruppen, der Souverän sind hier im wahrsten Sinne des Wortes also die Gewehrrohre.

Reden sprachen als Erster Ahmed al-Shara'a, der Leiter des HTS, der eine lange Rede halten durfte. Danach war der HTS-Außenminister al-Shaibani daran, der ebenfalls länger reden durfte. Dann folgten kurze Reden einzelner Rebellengruppen, darunter der ehemalige Anführer der islamischen Front, der im Auftrag der HTS zum Gouverneur von Damaskus ernannt worden war. 

Dann kamen die Anführer einer ganzen Reihe an protürkischen arabischen Brigaden, die im Auftrag der Türkei gegen die kurdische geführte SDF kämpft(e?), einige davon wurden wegen schwerer Kriegsverbrechen von westlichen Staaten sanktioniert, wie zum Beispiel Mohammad Hussein al-Jasim, der von den USA sanktioniert ist. 

Auch Teil der Zeremonie sind Anti-IS-Rebellengruppen, die zumindest zwischenzeitlich von den USA trainiert wurden, ebenso Gruppen, die seit langem an der Seite von HTS gekämpft hatten.
Einige der Brigadenführer reden davon, "ganz Syrien zu befreien", womit sie möglicherweise die kurdischen SDF oder Israel meinen könnten, die Türkei würde sich hier zwar auch anbieten, aber ich glaube kaum, dass die gemeint sind.

Zuletzt tauchen aber nicht nur Militärführer auf, sondern auch der Regierungssprecher, der meint, dass syrische Journalisten eine Bereicherung für die Führung seien und sie darauf stolz seien. (Quelle 6)
Dann verkündet der Sprecher der HTS-Gruppe offiziell den Sieg der syrischen Revolution, erklärt den 8. Dezember zum Nationalfeiertag, lässt die Assad-Verfassung von 2012 und alle Ausnahmegesetze(?) für nichtig erklären, ebenso das Baath-Parlament für aufgelöst.

Ebenso werden die alte Armee und alle alten Sicherheitsbehörden für aufgelöst erklärt und die Gründung einer neuen Armee aus den Beständen der Rebellengruppen bekannt gegeben.

Die Baathpartei wird für aufgelöst erklärt, ebenso die Blockparteien, die Aktivitäten dieser werden verboten, das Vermögen müsse an den Staat gegeben werden, ebenso seien Neugründungen der alten Parteien verboten.

Alle Rebellengruppen werden ebenfalls für aufgelöst erklärt und sollen in den Staat integriert werden. Dann wird Ahmed al-Shara'a zum Übergangspräsident ernannt, der aber eher das Staatsoberhaupt darstellen soll, aber mit relativ weitreichenden Kompetenzen, zumindest für die Dauer des Übergangs. Dann wird er dazu ermächtigt, ein Übergangsparlament einzusetzen, das so lange agiert, bis eine Verfassung ausgearbeitet sei.

Die Bilder zeigen alle Militärführer in gleichfarbiger Militärkleidung, sie setzen sich also gezielt als Militärführer in Szene, die fürs Land gekämpft hätten und nun schon Teil der einheitlichen Armee seien.
Auffällig ist dennoch, dass diese Konferenz von Militärführern dominiert war, nur wenige Personen traten in Anzug auf, fast alle in Militärkleidung als Militärführer. Vom Publikum her war mehr als die Hälfte der Anwesenden ebenfalls in Militärkleidung, ein paar hatten arabische Kopftücher für Männer auf, ein paar sahen wie christliche Würdenträger aus, der Rest war in Anzügen zugegen, viele waren sehr bärtig.
Aufgrund der massiven Dominanz der Militärführer war schon zu erwarten, dass Frauen kaum zu sehen wären, aber leider war wirklich die Zahl von Frauen im Saal genau 0!

Der Souverän, der Ahmed al-Shara'a also ernannt hat, schloss schon einmal die Kurden, Frauen und einige andere aus und beruft sich auf die Gewehrläufe.

Hier wurden also schon Fakten geschaffen, die meisten syrisch-arabischen Fraktionen sind Teil der Erklärung und treten bereits als de-facto-Armeeangehörige auf. Was jedoch nicht zu finden war, waren die Brigaden aus dem Süden, auch die drusischen Brigaden waren nicht zu sehen, ebenso fehlten die kurdischen Milizen, deren Fehlen sehr merklich war. Stattdessen waren eine Reihe von sanktionierten Peinigern der Kurd:innen im Bild zu sehen, von denen einer auch zur Eroberung des gesamten syrischen Staatsgebiets aufrief.

Es mag sein, dass die Drusen und die Südbrigaden noch Teil der neuen Armee werden können, ebenso ist es noch möglich, dass die SDF irgendwie integriert werden kann, aber dass sie jetzt noch nicht Teil dieser wichtigen Konferenz waren, ist ein großes Problem.

Ebenso schlecht ist das Signal, das durch das völlige Fehlen von Frauen im Saal gegeben wird. Das mag zwar sicher nicht beabsichtigt sein, da der Saal nunmal vor allem aus Rebellenanführern bestand, aber das darf so nicht wieder passieren, dass 0 Frauen bei einer solchen wichtigen Konferenz mit 100 bis 200 Personen zu sehen sind!

Mittelfristig muss der Übergangsprozess auch demokratischer gehandhabt werden als bisher, zumindest sollten neben den Militärführern unbedingt auch Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, Politiker:innen, Vertreter:innen der vielen Minderheiten auftauchen, die mitreden können.

Es kann nicht sein, dass dieser Prozess nur von Soldat:innen bestimmt wird, selbst wenn diese im Land durchaus Ansprüche darauf gelten machen können, das Assadregime gestürzt zu haben, so darf man die Arbeit der Zivilgesellschaft, der Demonstrant:innen, der Journalist:innen und vielen anderen nicht vergessen.

Manuel Störmer ist freier Journalist für die Jungle World  und YouTuber unter dem Alias "Lupen rein"