Richard Siegert, Projekt Firewall, im Gespräch über den Kampf gegen Hass im Netz

»Wir können nur Impulse geben«

Das Bundesjustizministerium will ab 2024 keine Fördergelder für ­einige Projekte mehr bereitstellen, die sich gegen Hass im Netz einsetzen. Betroffen ist nach eigenen Angaben auch das Projekt Firewall der Amadeu-Antonio-Stiftung, dem ab 2024 alle Mittel gestrichen werden sollen. Die »Jungle World« sprach mit dem Bildungsreferenten Richard Siegert von Firewall über den Wegfall der Förderung und dessen Folgen.
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Welche Ansätze verfolgen Sie mit dem Projekt Firewall?
Wir haben ein bundesweites Netzwerk von Trainer:innen, über 100 im ganzen Bundesgebiet, die mit unseren Bildungsmaterialien zu den Themen Hate Speech, Medienkompetenz und digitale Zivilcourage an Schulen gehen. Bei allem, was im weitesten Sinne mit Hate Speech im Netz zu tun hat, wollen wir Medienkompetenz vermitteln. Wir bieten auch in außerschulischen Kontexten Workshops an.

Warum ist das überhaupt notwendig?
Das Internet ist ein komplexer Ort. Einerseits können marginalisierte Gruppen dort eine Stimme erhalten, gleichzeitig haben aber auch Rechtsextreme früh die Möglichkeiten des Netzes entdeckt und sind dort erfolgreich darin, an junge Menschen heranzutreten und niedrigschwellig ihre Ideologie zu verbreiten. Das Internet und Social Media sind ein wichtiger Bestandteil der Lebenswelt junger Menschen, gleichzeitig kommen sie dort oft in Kontakt mit ­unschönen, demokratiefeindlichen oder menschenverachtenden Äußerungen. Rechtsextreme sind zum Beispiel seit einiger Zeit verstärkt auf Tiktok aktiv, das von vielen jungen Menschen als Haupt­informationsquelle genutzt wird.

Was vermitteln Sie jungen Menschen über den Umgang mit Hate Speech im Internet?
Es gibt viele Möglichkeiten – ohne dass man sich in jede Kommentarspalte reinstürzen muss –, um zu verhindern, dass der Eindruck entsteht, dass eine faktisch eher kleine, aber laute Minderheit eine Mehrheit sei. Wir beobachten gerade eine Normalisierung von rechts­extremen Einstellungen in der Gesellschaft, der wollen wir etwas entgegensetzen.

Sie bringen den Leuten also nicht unbedingt bei, wie man ­Online-Diskussionen führt?
Man muss Plattform-Logiken und Algorithmen mitberücksichtigen, deswegen ist direkte Gegenrede oft gar nicht unbedingt das Mittel der Wahl, weil es den Hatern unter Umständen noch mehr Aufmerksamkeit verschafft. Es gibt auch andere Möglichkeiten, wie zum ­Beispiel in einer Direktnachricht an eine Person, die angefeindet wird, Empathie zu zeigen oder nachzufragen, ob sie etwas braucht.

Das Projekt läuft inzwischen seit knapp drei Jahren. Welche ­Erfolge haben Sie erzielt?
Wir haben über 100 Trainer:innen ausgebildet und im Schnitt über 100 Workshops pro Jahr durchgeführt. Wir haben überall Leute vor Ort, die die örtlichen Gegebenheiten kennen und wissen, was dort gerade aktuelle Themen sind. Und natürlich bekommen wir auch positive Rückmeldungen von unseren Trainer:innen und von Teilnehmenden. Mitunter gehen unsere Workshops aber nur 90 Minuten, und natürlich braucht es eigentlich ganz andere Strukturen, um politische Medienbildung im Lehrplan an Schulen zu verankern. Wir können nicht mehr tun, als Impulse zu geben und zu hoffen, dass das dann an den Schulen oder andernorts weitergetragen wird. Wenn nun wie vom Bundesjustizministerium geplant unsere Förderung gestrichen wird, können wir ab 2024 nicht mal mehr das tun, und die Hater haben noch leichteres Spiel in Netz.