Die Schwächen des politischen Systems der USA könnten Donald Trump zur Präsidentschaft verhelfen

In schlechter Verfassung

Umfassende Reformen der US-amerikanischen Verfassung werden nur in Fachkreisen diskutiert, obwohl mittlerweile klar ist, wie Donald Trump die Schwächen des politischen Systems nutzen könnte, um sich eine weitere Präsidentschaft zu verschaffen.
Was kümmert mich der Dax Von

Am späten Abend des 18. September 1787 wären die meisten founding fathers wohl nicht mehr in der Lage gewesen, »United States« zu buchstabieren. Am Tag zuvor war die Verfassung unterzeichnet worden, dies wurde von den 55 Mitgliedern der Constitutional Convention mit 54 Flaschen Madeira, 60 Flaschen Rotwein, acht Flaschen Whiskey, 22 Flaschen Portwein, acht Flaschen Cider, zwölf Flaschen Bier und sieben Schüsseln Punsch gebührend gefeiert.

Sie dürften sich ihrer historischen Leistung bewusst gewesen sein, doch es handelte sich wohl auch um eine Versöhnungsparty. Dem Besäufnis waren nüchterne und kontroverse Debatten nicht zuletzt über die Repräsentation der Bundesstaaten vorausgegangen. 16 Delegierte hatten das Dokument nicht unterzeichnet, doch die Einheit sollte gewahrt werden.

Die US-Verfassung hätte also auch anders aussehen können, ist aber die älteste noch gültige der Welt – und das ist ein Problem. Denn sie enthält Bestimmungen, die für den Staatsaufbau in der Postkutschenzeit sinnvoll waren, heute aber zumindest nutzlos, wenn nicht gefährlich sind. Um neue Territorien halbwegs konfliktfrei in die Vereinigten Staaten einzugliedern, musste man den Bundesstaaten weitreichende Befugnisse und Einfluss im Kongress garantieren.

Das Electoral College ist eine überflüssige Institution geworden, seit schnelle Mittel der landesweiten Kommunikation zur Verfügung stehen.

Das aber führte dazu, dass sich die Regierung in Washington, D.C., nur schwer gegen die Bundesstaaten durchsetzen kann und die etwa 40 Millionen Kaliforn­ier:innen ebenso von zwei Senator:innen repräsentiert werden wie die knapp 600.000 Einwohne­r:innen von Wyoming. Das Electoral College, in dem die Wahlmänner (und mittlerweile auch -frauen) anhand der Ergebnisse in den Bundesstaaten den Präsidenten wählen, ist eine überflüssige Institution geworden, seit schnelle Mittel der landesweiten Kommunikation zur Verfügung stehen.

Umfassende Reformen werden weiterhin nur in Fachkreisen diskutiert, obwohl mittlerweile klar ist, wie Donald Trump die Schwächen des politischen Systems nutzen könnte, um sich eine weitere Präsidentschaft zu verschaffen. Man müsste sich keine Sorgen machen, wenn die landesweite Stimmenzahl den Ausschlag gäbe. Doch entscheidend werden die Ergebnisse in einigen wenigen swing states sein, was republikanischen Verbündeten dort Manipulationsmöglichkeiten gibt.

Daran hatte – so einer der Punkte in der jüngsten Anklage gegen Trump in Georgia – sich der unwillig scheidende Präsident bereits versucht, als er am 2. Januar 2021 den Innenminister Georgias, Brad Raffensperger, aufforderte, die ihm für die Mehrheit fehlenden 11.780 Stimmen aufzutreiben. Klappt es auf diese Weise nicht, könnten republikanische Verbündete fake electors ins Electoral College schicken, die dort in der gewünschten Weise wählen – auch das haben Trump und sein Team bereits Anfang 2021 probiert. Und sollte Trump vor der kommenden Wahl zu einer Haftstrafe verurteilt werden, kann er sich als Präsident womöglich selbst amnestieren; die Rechtslage ist unklar, da sich die founding fathers wohl selbst volltrunken eine solche Konstellation nicht vorstellen konnten.