Kevin Rowland und seine Band Dexys sind aus dem Ruhestand zurück

Ins Reine kommen

Kevin Rowland geht auf dem neuen Dexys-Album »The Feminine Divine« mit seiner Männlichkeit, persönlichen Fehlern und falscher Contenance ins Gericht.
Musikrezension Von

Eine der größten Unverschämtheiten beim Plaudern über Popgeschichte ist die gelegentlich zu hörende Mutmaßung, bei den Dexys Midnight Runners, von denen der Welterfolg »Come On Eileen« (1982) stammt, handle es sich nur um ein One-Hit-Wonder. Bereits auf dem fabelhaften Debütalbum »Searching for the Young Soul Rebels« (1980) pflegte die Band aus Birmingham mit ihrer ebenso energischen wie politischen Uptempo-Variante des blue-eyed soul einen eigenen Stil, der sich deutlich vom zeitgenössischen britischen (Post-)Punk abhob; die Band um Sänger und Gründer Kevin Rowland hatte sich vorgenommen, »unsere eigene Bewegung zu sein«. Vergleichbar dem Specials-Sänger Terry Hall gelang es Rowland, auch in Momenten der Euphorie oder der Wut eine gewisse Melancholie und Vulnerabilität in seine Stimme zu legen.

Die ist bei dem nunmehr 70jährigen zwar etwas tiefer geworden, aber gar nicht so brüchig, wie man erwarten könnte. Für das Album »The Feminine Divine« kehrt Rowland aus dem 2016 verkündeten Ruhestand zurück. Schon seit der Reunion und ihrem vierten Album »One Day I’m Going to Soar« (2012) heißt seine Gruppe nur noch Dexys, von den früheren Mitgliedern ist inzwischen nur noch der Posaunist Big Jim Patterson dabei – Rowland galt stets als schwieriger Bandleader.

Auf dem neuen Album geht er mit seiner Männlichkeit, persönlichen Fehlern und falscher Contenance ins Gericht. Die Mischung aus Pathos und Leichtigkeit, die den Sound der Dexys immer auszeichnete, beherrscht er dabei wie ehedem, etwa wenn er in »It’s Alright, Kevin (Manhood 2023)« über einem flotten Shuffle-Beat seinen inneren Monolog als Call-and-Response-Gesang mit weiblichem Chor als Gegenüber ausbreitet: »Be true to yourself / Well, that’s what they say / But no one ever tells you how«, singt er, während der Chor erwidert: »You’re okay, you’ve just been missing«. Die erste Singleauskopplung heißt denn auch folgerichtig »I’m Going to Get Free«. Der Versuch, mit sich ins Reine zu kommen, könnte also gelingen.


Albumcover

Dexys: The Feminine Divine (100 %)