Die Israelin Eyal Zuckerman im Gespräch über ihre Großeltern Zivia Lubetkin und Yitzhak Zuckerman, die zu den zentralen Figuren des Warschauer Ghettoaufstandes zählten

»Mein Hauptinteresse an meinen Großeltern ist ein persönliches«

Im April 1943 fand der Aufstand im Warschauer Ghetto statt. Schon davor hatten sich Yitzhak Zuckerman und seine spätere Frau Zivia Lubetkin dem Widerstand gegen die Deutschen angeschlossen. Eyal Zuckerman, Enkelin des Ehepaares, wahrt heute die Erinnerung an ihre Großeltern und erzählt im Interview mit der »Jungle World« unter anderem, wieso ihr Name in Polen bekannter als in Israel ist.
Interview Von

Sie sind die Enkelin von Zivia ­Lubetkin und Yitzhak Zuckerman und erinnern seit einigen Jahren an deren Leben und Werk. Unterscheidet sich Ihr Interesse und das der Forschung?
Mein Hauptinteresse an meinen Großeltern ist ein persönliches – mir geht es darum, wer sie waren und für welche Werte sie einstanden. Als sie einmal gefragt wurden, warum sie nicht in die Politik gegangen sind oder großen Organisationen vorstehen, sagten sie: »Wir sind keine Anführer. Wir haben getan, was wir tun mussten, als die Bedingungen dies erforderten. Und als es diese Bedingungen nicht mehr gab, mussten wir das auch nicht mehr machen.« Sie hatten es vorgezogen, dass ihre Überzeugungen ihre Taten defi­nierten, statt sich von dem, was ihnen widerfuhr, definieren zu lassen. ­Obwohl ich keine Historikerin bin, war es für mich wichtig, heraus­zufinden, wie diese Haltung ihre außergewöhnlichen Entscheidungen prägte.

Können Sie Ihre Familiensituation skizzieren?
Ich wurde 1977 geboren. Meine Großmutter starb 1978, als ich etwa acht Monate alt war, und mein Großvater 1981, als ich vier Jahre alt war. Ihre beiden Kinder, mein Vater und meine Tante, wuchsen im Kibbuz ­Lohamei HaGeta’ot auf, waren aber nicht übermäßig interessiert an dem, was vor Israel war. Mein Vater sagt heute, dass er wollte, dass mein Großvater Fußball mit ihm spielt, statt ihm von Saul Tschernichowski (hebräischer Dichter; Anm. d. Red.) vorzuschwärmen. Im Hause meiner Großeltern waren die zionistische Vorkriegsbewegung, der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegssituation unweigerlich Dauerthema. Mein Vater und meine Tante konnten das alles irgendwann nicht mehr hören, so erstaunlich das auch klingen mag. Für mich hingegen ist es sehr traurig, dass die beiden nie gezielt mit ihren Eltern zusammensaßen, um deren Geschichte festzuhalten.

Wann begann Ihre systematische Auseinandersetzung?
Die Leistungen meiner Großeltern kannte auch ich lange nur aus Büchern und aus dem Geschichtsunterricht. Vor etwa zwölf Jahren, zum 30. Todestag von Yitzhak, wurde im Haus der Ghettokämpfer eine Konferenz abgehalten. Die Veranstalter baten jemanden aus der Familie, ­etwas im Namen der Angehörigen vorzutragen. Niemand von meinen Verwandten war dazu bereit, also schickten sie mich.

»Je mehr ich mich mit der Sache beschäftigte, desto mehr begriff ich, wie außergewöhnlich meine Großmutter und mein Großvater waren.«

Eine anwesende Wissenschaftlerin lud mich daraufhin für einen Vortrag an ihre Hochschule ein, wofür ich die Geschichte meiner Großeltern recherchieren musste. Als ich damit anfing, lebten glücklicherweise noch Menschen, die sie gekannt hatten. Je mehr ich mich mit der Sache beschäftigte, desto mehr begriff ich, wie außergewöhnlich meine Großmutter und mein Großvater waren.

Wie sind Sie vorgegangen?
Zivia wie Yitzhak hatten ihre Erinnerungen an den Aufstand veröffentlicht, was selbstredend eine große Hilfe war. Ich las ihre Bücher und sprach zunächst mit meinem 1947 geborenen Vater – er ist wohl ein Produkt des ersten Nachkriegs-Zionistenkongresses in Basel, an dem meine Großeltern 1946 teilnahmen –, und mit meiner Tante, die 1949 zur Welt kam. Beide wussten viel, hatten über die Jahre aber einiges verdrängt. Je länger wir uns unterhielten, desto mehr Informationen kamen zutage. Zudem sprach ich mit einigen Wissenschaftlern, so dass sich die Geschichte Stück für Stück zusammenfügte. Ich trage sie seit einigen Jahren in Schulen, bei Firmenanlässen oder bei anderen Gelegenheiten vor, dem Holocaust Memorial Day etwa. Während ich mich verantwortlich fühle, die Erinnerung an die Geschehnisse der vierziger Jahre wachzuhalten, bleiben dadurch in gewisser Weise auch meine Groß­eltern lebendig. Meine Familie ist sehr dankbar, dass ich das mache.

In Tel Aviv führt die Zivia-Lubetkin-Straße zur Yitzhak-Zuckerman-Straße. Wie ist der Status Ihrer Großeltern in der israelischen Erinnerungspolitik?
Für die meisten Israelis ist das etwas, womit man sich in der Schulzeit auseinandersetzt. Man klappt das Geschichtsbuch zu, schreibt eine Klausur und fertig. Vor ein paar Jahren traf ich den Nachkommen eines Mannes, der im Vorkriegspolen gemeinsam mit meinen Großeltern im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund organisiert war. Er sagte mir: »Es gab dieses zweite Masada (das letzte Widerstandsbollwerk des jüdischen Aufstands gegen die römische Besatzung im Jahr 74; Anm. d, Red.) und hier in Israel wisst ihr nicht mal ­Bescheid darüber.« Damit meinte er den Aufstand im Warschauer Ghetto, über den die meisten Leute zwar grob im Bilde sind, sich aber keinen Reim auf die Beteiligten machen können. Auch mein Nachname lässt in der Regel bei niemandem etwas klingeln – ich erhalte eher erstaunte Rückfragen zu meinem Vornamen, den üblicherweise Jungen tragen.

Wie fanden Sie den Spielfilm »Uprising« von 2001, in dem Sadie Frost Ihre Großmutter spielt und David Schwimmer Ihren Groß­vater?
Ich finde nicht, dass er besonders gut gemacht war. Das fühlte sich an wie eine Episode »Friends«, die im Warschauer Ghetto spielt. Wenn man sich die Lebenswege von Zivia und Yitzhak ansieht, ist der Aufstand sicher der Höhepunkt, der ohne Zweifel eine hervorragende Story für Hollywood abwirft. Die weitaus wichtigeren Ereignisse lagen jedoch davor, denn beide verließen das sowjetisch besetzte polnische Territorium, auf dem sie bereits in relativer Sicherheit waren, um nach Warschau zurückzukehren. Warum macht man das, wenn man schon gerettet ist? Im Ghetto stellte Zivia eine soziale Hilfsorganisation auf die Beine, Yitzhak eine Schule. Wer macht so etwas? Und warum entschieden sie sich dann für eine militärische Organisation? Zum Kriegsende sprachen sie zudem mit einigen jüdischen Führungsfiguren, die überlebt hatten und nun auf Rache an den Polen wie an den Deutschen aus waren. Yitzhak lehnte das mit dem Argument vehement ab, dass bereits genug Blut vergossen worden sei und die echte Erlösung die Errichtung eines jüdischen Staates sein werde. Das sagte wohlgemerkt jemand, dessen gesamte Familie und allermeisten Freunde ermordet worden waren. Aspekte wie diese machen das Leben meiner Großeltern so besonders. Der Aufstand war lediglich ihre Wahl, wie sie sterben wollten, wenn sie schon keine Entscheidung mehr über die Gestaltung ihres Lebens treffen konnten.

Eyal Zuckerman im Frühjahr in Tel Aviv

Eyal Zuckerman im Frühjahr in Tel Aviv

Bild:
Vojin Saša Vukadinović

Ein weiteres herausragendes ­Detail dieser Doppelbiographie ist die schier unglaubliche Liebesgeschichte inmitten unvorstellbarer Barbarei.
Ja. Zivia und Yitzhak dachten, dass sie zusammen sterben würden, und stopften deshalb all diese Informa­tionen über das Kriegsgeschehen in Milchflaschen, die sie im Ghetto versteckten, in der Hoffnung, dass sie eines Tages jemand finden werde. Nach dem Zweiten Weltkrieg heirateten sie. Als meine Großmutter drei Jahrzehnte später starb, wollte mein Großvater nicht mehr leben – es war ihm schlichtweg unerträglich. Es ist äußerst bezeichnend, traurig und schön zugleich, dass Yitzhak an Herzversagen starb, als er gerade auf dem Weg zur Einweihung einer Schule war, die nach Zivia benannt werden sollte. Symbolischer geht es nicht mehr.

Marek Edelman, der 2009 verstorbene Kardiologe und bekannteste überlebende Ghettokämpfer, entschied sich nach dem Zweiten Weltkrieg, in Polen zu bleiben. Wissen Sie, wie Ihre Großeltern hierzu standen?
Edelman war nie Zionist gewesen. Im Gegenteil, er verstand Polen als seine Heimat und hielt es für seine persönliche Pflicht, dort zu bleiben und das jüdische Leben neu aufzubauen. Er war in dieser Hinsicht wirklich Antizionist, was einen erheblichen weltanschaulichen Gegensatz zu meinen Großeltern zur Folge hatte. Sie waren zwar eng befreundet, stritten aber heftig. Edelmans Sohn sagte mir, dass er sich daran erinnert, wie mein Großvater einmal bei ihnen zu Besuch in Polen war und er sich so sehr mit seinem Vater fetzte, dass seine Mutter beide vor die Tür setzte. Und auf der Straße stritten sie dann weiter! Das Band zwischen ihnen blieb bestehen, als die diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und Israel nach dem Sechstagekrieg abrissen. Als meine Großmutter in ihren letzten Lebensjahren sehr litt, reiste Edelman mit einer Injektion nach Israel, die sie von ihren Qualen hätte erlösen sollen. Als sie fand, dass der richtige Zeitpunkt gekommen sei, sagte Yitzhak zu Marek: »Also gut, eine Spritze gibst du Zivia, und eine mir.« Sie weigerte sich jedoch und sagte: »Entweder nur ich oder keiner von uns beiden.« Edelman packte daraufhin seine Tasche und kehrte nach Polen zurück. Meine Großmutter starb wenige Monate später.

Wissen Sie, wie Marek Edelmans Sohn, der Regisseur Aleksander Edelman, zur Entscheidung ­seiner Eltern steht, in Polen zu bleiben?
Ähnlich wie sein Vater. Ich traf ihn, als ich zur Recherche in Warschau war. Ich sagte ihm, dass es angesichts all der Gespenster der Vergangenheit sehr seltsam für mich sei, dort zu sein, und fragte ihn: »Wie konnte dein Vater hierbleiben, wo all das passierte?« Seine Antwort lautete: »Wieso nicht? Alles neu aufzubauen und in Polen zu leben, das ist der Sieg. Und das hier ist unsere Heimat.«

Ihre Großeltern hingegen waren bereits in der zionistischen Jugendbewegung aktiv gewesen, so dass sie wohl ohnehin hatten auswandern wollten.
Ja, deshalb beherrschten sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Hebräisch. Bei Kriegsausbruch waren sie gerade dabei, andere darin auszu­bilden, eines Tages den jüdischen Staat zu errichten. Und nach 1945 setzten sie das dann um, obwohl unzählige Menschen, mit denen sie verwandt oder befreundet gewesen waren, ermordet worden waren. Die Staatsgründung war für sie ein Traum, der wahr geworden war. Sie liebten Israel, in die Politik gehen wollten sie deshalb jedoch nicht, auch wenn sie hin und wieder als Symbolgestalten fungierten. Ihnen ging es vor allem darum, ihr eigenes Leben zu gestalten.

Wie wurde die Gründung des Kibbuz Lohamei HaGeta’ot, in dem auch Sie aufgewachsen sind, im jungen Israel wahrgenommen?
Für Außenstehende war es recht seltsam, dass sich eine Gruppe polnischer Shoah-Überlebender zusammenfand und einen Kibbuz gründete, für sie war es jedoch wichtig, sich ein neues Leben und eine Gemeinschaft aufzubauen. Alle hatten eine gemeinsame Geschichte, voreinander mussten sie nichts verbergen. Überlebende zu sein, war in den ersten Jahren schambeladen, denn manche wurden verdächtigt, sich kampflos durchgemogelt zu haben. Im Kibbuz waren sie unter sich. Und wie zuvor im Ghetto waren meine Großeltern sehr beschäftigt, etwas zu erreichen. Zivia arbeitete auf der Hühnerfarm und stand Lohamei HaGeta’ot zweimal als Geschäfts­führerin vor. Yitzhak zog in kürzester Zeit das Haus der Ghettokämpfer hoch, das erste Holocaust-­Museum der Welt, auch wenn er stets darauf bestand, dass es sich um eine Bildungseinrichtung handle.

Wie gingen sie mit dem Unbeschreiblichen um, das sie erlebt hatten?
Beide litten an survivor’s guilt, die vor allem Zivia über die Jahre regelrecht zerfressen hat. Für meine Großmutter war es unerträglich, am ­Leben zu sein. Sie hätte in der Miła­straße 18 sein sollen, als die Deutschen den dortigen Bunker in Schutt und Asche legten, in dem sich Mordechaj Anielewicz, Mira Fuchrer und zahlreiche weitere Ghettokämpfer aufhielten. Aus purem Glück waren Zivia und Marek Edelman jedoch kurz zuvor in einen anderen Bunker verlegt worden. Später hätte sie nicht auf jenem Lastwagen sein sollen, der einige Überlebende des Aufstands, die über die Kanalisation dem Ghetto entkommen waren, aus Warschau brachte. Wegen der Verspätung des Fahrers war sie mit Edelman bei Dämmerung als Erste auf die Straße hochgekommen und musste dann auch mit abziehen, als der Lkw endlich eintraf. Sie wollte nicht, aber Kazik hielt ihr eine Waffe an den Kopf und sagte: »Doch, du gehst jetzt, denn bald ist es Tag, und die Deutschen werden uns entdecken und umbringen.« So sprang sie mit einem Teil der Gruppe in den rettenden Laderaum, während der Rest in der Kanalisation auf einen zweiten Lkw hoffte, der nie eintreffen sollte.

»Yitzhak und Zivia liebten Israel, in die Politik gehen wollten sie deshalb jedoch nicht, auch wenn sie hin und wieder als Symbolgestalten fungierten.«

Die Vorstellung, die meine Groß­eltern vom Aufstand gehabt hatten, war, dass sie einige Nazis erschießen, noch einige Schüsse abgeben sowie ein paar Handgranaten und Brandsätze schleudern würden, um dann zu sterben. Es hat sie wirklich verblüfft, dass sie im Mai 1945 noch lebten und die Deutschen vor ihnen weggerannt waren. Sie mussten sich danach erst einmal umorganisieren. Doch obwohl meine Großmutter einen Kibbuz errichtet und Kinder und Enkel bekommen hat, konnte sie es sich selbst nie verzeihen, überlebt zu haben.

Sie haben gerade Simcha Rotem alias Kazik erwähnt, der 2018 als letzter Ghettokämpfer verstorben ist. Haben Sie auch mit ihm oder mit anderen Überlebenden gesprochen?
Ich habe ihn getroffen, obwohl sein Verhältnis zu meinen Großeltern schwierig war. Mit Chavka Folman Raban, die einst bei Dror organisiert war und 2014 verstorben ist, habe ich auch gesprochen. Mein Großvater hatte im Zweiten Weltkrieg oft mit ihr geheime Aufträge ausgeführt. Sie waren als Paar getarnt, weil es für Männer viel zu gefährlich war, alleine zu reisen. Er sagte immer: »Ich mag polnisch aussehen, aber wenn ich die Hosen runterlassen muss, weiß man, dass ich Jude bin.« Chavka sah ebenfalls sehr polnisch aus, was eine gute Tarnung ergab. Bei einem Zusammenstoß mit den Deutschen, bei dem Yitzhak entkommen konnte, wurde sie als vermeintlich christliche Polin nach Auschwitz und dann nach Ravensbrück deportiert. Sie überlebte die Lagerhaft und gehörte zu einem Kreis junger Heranwachsender, die dank Zivia über die Schweiz nach Palästina ausreisen konnten.

Ihre Großeltern sagten 1961 als Zeugen im Eichmann-Prozess aus. Half diese Episode dabei, die Erinnerung an sie zu wahren?
Nein, denn wir Israelis haben ein Kurzzeitgedächtnis. Wenn man sich vergegenwärtigt, was in Israel seit der Staatsgründung passierte oder was Juden allein in den letzten 100 Jahren widerfahren ist, wäre das Leben hier unerträglich. Die meisten Menschen leben einfach ihr Leben. Zivia und Yitzhak sind Jüngeren vielleicht aus dem Geschichtsunterricht etwas präsenter, oder weil sie einmal Polen bereist haben. Ansonsten dürfte diese Episode den meisten nicht geläufig sein. Interessanterweise scheinen meine Groß­eltern in Polen bekannter zu sein als in Israel. Bei meinen Besuchen dort werde ich zumindest deutlich öfter auf sie angesprochen als in Tel Aviv.

Wie ist Ihr eigenes Verhältnis zu Polen?
Ich bin mittlerweile auch polnische Staatsbürgerin. Am Marsch der Lebenden (jährlicher Gedenkmarsch vom Verwaltungszentrum des KZ-Komplexes Auschwitz zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau; Anm. d. Red.) habe ich drei Mal teilgenommen, zuletzt dieses Frühjahr. Mich in Polen aufzuhalten, ist allerdings eine zweischneidige ­Sache, denn dort passierte alles gerade Angesprochene, was nicht nur in historischer Perspektive bedeutsam ist, sondern eben auch meine Familiengeschichte betrifft. Folglich befördert jeder Besuch den Eindruck dieser Verflechtung, und ich muss mich unweigerlich mit dem auseinandersetzen, was damals geschah.

An Ihrer Familiengeschichte fällt noch auf, dass Ihre Schwester die erste israelische Kampfjet­pilotin wurde.
Ja, sie tritt allerdings nicht öffentlich auf. Andere israelische Frauen in verantwortungsvoller militärischer Position haben Interviews gegeben, sie aber nur einmal im Rahmen einer Dokumentation.

Wie würden Sie das Vermächtnis Ihrer Großeltern beschreiben?
Aus ihrem Leben lassen sich zwei Lehren ziehen: erstens, dass es immer Hoffnung gibt. Man hat immer, in jeder Situation, die Wahl – selbst wenn diese nur die Art zu sterben betrifft. Verharre nicht am Rande, sondern stehe für das ein, woran du glaubst! Zweitens zeigte der Aufstand im Warschauer Ghetto, dass man sich bei allen politischen Dif­ferenzen zusammentun kann, um etwas hervorzubringen, das weitaus größer ist als alle Unterschiede, die zwischen den Angehörigen einer Gruppe existieren. Obwohl der Tempel zweimal niedergebrannt wurde, haben Juden immer überlebt, weil es stets Menschen gab, die für das Gute stritten und so über ihr eigenes Leben hinausstrahlten. Mein bescheidener Beitrag besteht nun darin, das Licht meiner Großeltern weiterleuchten zu lassen, indem ich ihre Geschichte erzähle.


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Vor 80 Jahren, im Frühling 1943, wagte eine Gruppe todgeweihter Juden im Warschauer Ghetto das ­Unmögliche. Ihr bewaffneter Aufstand störte die Deportationen in die Vernichtungslager, versetzte die deutschen Mörder zeitweilig in Schockstarre und trotzte dem Terror von SS und Wehrmacht länger, als es Polens Armee bei der deutschen Invasion 1939 vermocht hatte. Zu den zentralen Figuren der ­Jüdischen Kampforganisation (ŻOB), die den Aufstand koordinierte, zählten Zivia Lubetkin (1914–1978) und Yitzhak Zuckerman (1915–1981), die sich in ihrer Jugend in linkszionistischen Organisationen wie Dror politisiert hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten sie nach Palästina aus und gründeten den Kibbuz Lohamei HaGeta’ot mit, in dem auch das weltweit erste Holocaust-Museum entstand, das Haus der Ghettokämpfer.