In einem erfolgreichen Podcast verbreiten Finanzmarkt-Influencer Verschwörungstheorien

Das Versprechen der Krypto-Bros

Der rechte Podcast »Hoss und Hopf« führt in Deutschland die Spotify-Charts an. Man lernt dort angeblich, wie man sich selbst optimiert, die Finanzmärkte durchschaut und was die bösen Geheimpläne der Eliten sind.

Eine deutsche Mittelschichtfamilie fällt aus allen Wolken. Sie dachten, ihr »Sohn sei sozial, sensibel und sattelfest erzogen. Vor allem kritisch und gewappnet gegen die dümmsten populistischen Aussagen«. Aber: »Ist er nicht.« Diese Einsicht erwuchs aus einer Diskussion über den Podcast »Hoss und Hopf«, den der Teenager voller Begeisterung hört – wobei er sich Schritt für Schritt das darin transportierte rechte Gedankengut aneignete. So konnte man kürzlich im Stern lesen, in einem Artikel, den die besorgte Mutter selbst geschrieben hatte: »Einer der erfolgreichsten Podcasts impft unsere Kinder mit radikalem Gedankengut – und keiner kriegt’s mit«.

Tatsächlich zählt »Hoss und Hopf« von Kiarash Hossainpour und Philip Hopf zu den erfolgreichsten Podcasts Deutschlands. Auf der Streaming-Plattform Spotify führt er die Podcast-Charts an, der Youtube-Kanal der beiden hat 224.000 Abonnent:innen und Ausschnitte aus ihren Sendungen kursierten millionenfach auf Tiktok – jedenfalls bis die Plattform jüngst begann, Inhalte des Podcasts wegen »gefährlichen Falschinformationen« zu entfernen.

Ständig sprechen Hoss und Hopf davon, dass düstere Zeiten auf uns zukämen, in denen es »harte Männer« brauche.

Der Podcast bedient die gesamte Bandbreite derzeit gängiger Verschwörungserzählungen: Es geht um Fake News der Mainstream-Medien, den drohenden Bürgerkrieg in den westlichen Staaten, »Horrorverbrechen der globalen Elite«, Putin und den Dritten Weltkrieg (an dem die Nato schuld sein wird) und natürlich Flüchtlinge, die Deutschland zu überrennen drohen. Eine Folge ist überschrieben: »War die Corona-Pandemie eine Lüge? Neue Daten!« Andere heißen »Werden wir von einem versteckten System kontrolliert?«, »Die mächtige Familie Rothschild und ihre Werte« oder »Warum bauen die Eliten Bunker auf Hawaii?«.

Diese Art paranoiden Geraunes ist an sich schon ein Erfolgsmodell. Bei »Hoss und Hopf« kommt noch hinzu, dass sie ein anderes Image pflegen, als man es von Rechtsextremen erwartet. Dadurch können sie ein größeres Publikum ansprechen als die üblichen Youtube-Spinner.

Die beiden noch relativ jungen Podcaster sind laut Kanalinformation »bekannte Persönlichkeiten in der deutschen Finanzlandschaft«. Hossainpour ist durch Investitionen in Kryptowährungen zum Selfmade-Millionär geworden – sagt er zumindest selbst. Er lebt passenderweise in Dubai und war lange als »Krypto-Influencer« tätig. Das heißt: Er erzählt in den sozialen Medien von seinen cleveren Anlagestrategien für Bitcoin und dergleichen – wobei stets betont wird, das seien keine Anlageempfehlungen.

Hopf lebt in Stuttgart, er ist Gründer und Geschäftsführer eines Unternehmens, das Finanzmarktanalysen für Investoren erstellt, und zwar »auf der technischen Basis der Elliott-Wellen«. Der Begriff bezieht sich auf eine umstrittene Theorie, die Marktbewegungen mit Hilfe mathematischer Modelle und auf Basis massenpsychologischer Gesetzmäßigkeiten vorhersagen soll. Die Analysen, die Hopfs Unternehmen anbietet, sind relativ billig zu haben, richten sich also wohl eher an Kleinanleger.

Für derlei Persönlichkeiten hat sich der Begriff »Finfluencer« etabliert, also Finanz-Influencer. Solche Leute präsentieren oft ihren extravaganten Lebensstil, den sie angeblich durch clevere Investitionen erreicht haben. Ihre Botschaft lautet: Jeder kann es mir nachtun. Oft werben sie mit angeblichem Geheimwissen über Marktbewegungen oder prophezeien den nächsten Crash.

Geld verdienen Finfluencer meistens durch sogenannte »Affiliate Links«, die unter ihren Videos zu finden sind und zum Beispiel zu Kryptobörsen führen, wo man Kryptowährungen kaufen kann. Wenn die Zuschauer auf diese Links klicken, um ihr Geld bei riskanten Spekulationen aufs Spiel zu setzen, erhält der Influencer eine kleine Pro­vision. Es handelt sich also eher um Online-Marketing als Investmentberatung.

Cleveres Marketing gehört auch zum Erfolgsrezept von »Hoss und Hopf«. Auf Tiktok – der Lieblings-Social-Media-Plattform von Jugendlichen – waren Clips des Podcasts allgegenwärtig, obwohl er dort keinen eigenen Account hatte. Das funktionierte folgendermaßen: Jeden Monat steckte »Hoss und Hopf« Geld in einen Lostopf, zuletzt 2.500 Euro. Dieses Geld wurde unter allen Tiktok-Kanälen aufgeteilt, die es schafften, einem »Hoss und Hopf«-Clip mehr als eine Million Views zu verschaffen. Für den Clip mit den meisten Views gab es einen Bonus. Etliche Kanäle konkurrierten deshalb dabei, »Hoss und Hopf«-Content auf Tiktok zu verbreiten.

Der Erfolg von »Hoss und Hopf« lässt sich aber nicht einfach mit cleverer Strategie erklären. Parasoziale Kumpelei mit den Krypto-Bros und Erfolgsgurus, libertäre Verherrlichung des Finanzkapitalismus bei gleichzeitiger reaktionärer Kritik des Liberalismus – diese Mischung ist offensichtlich ein attraktives Angebot, besonders für junge Menschen.

Die Anziehungskraft der rechtslibertären Finfluencer erklärt sich aus ihrem Versprechen, sich die irrationalen Kräfte des Kapitalismus zu unterwerfen. Das Phänomen ist dermaßen weitverbreitet, dass es schon gar nicht mehr auffällt: Es zeigt sich auch in der Casinomentalität, bei der alle wissen, dass die Bank immer gewinnt, aber man sich selbst doch gern als Ausnahme sähe, als Glücksritter oder Codeknacker.

Theodor W. Adorno hatte diesen Mechanismus exemplarisch am Horos­kop nachvollzogen: Man passt sich den irrationalen Mächten an, indem man deren vermeintliche Gebote erfüllt. In der Illusion, sich jene Mächte nutzbar zu machen, wird scheinbar der Widerspruch aufgelöst, dass wir interessenstarke Individuen sein sollen, die sich gleichzeitig gänzlich dem Gang der Dinge fügen.

Der Finanzmarkt ist dabei als Projektionsfläche prädestiniert: Offenbar lenkt er die Geschicke des globalen Kapitalismus, und das auf eine hochgradig irrationale und kaum zu durchschauende Weise. Die »gesellschaftliche Irrationalität« erleben wir in der »Undurchsichtigkeit und Zufälligkeit des Ganzen fürs Einzelindividuum«, schrieb Adorno.

Entlastung von der Ohnmacht angesichts der Irrationalität des Ganzen gibt es in der Phantasie, dass unser Anspruch auf Freiheit und Individualität trotz all dieser Fremdbestimmung noch aufgehen kann, ja gerade durch eine Unterwerfung unter die Prinzipien von Konkurrenz und Wettkampf erst wirklich zu erringen sei.

Sprich: Wer die richtigen, wenn auch hochriskanten Anlagestrategien verfolgt, wer das Gewinner-Mindset hat, seinen Körper fit und die Seele rein hält und sich nicht von der Gehirnwäsche der Systemmedien zu einem der zahllosen schwachen Untermenschen degradieren lässt, der kann den heiligen Gral, die »finanzielle Unabhängigkeit«, erringen und fortan ein Jetset-Leben zwischen Dubai und Schwabenland führen. Wer das nicht schafft, ist selber Schuld, ein bloßer »NPC«: Dieser inzwischen weitverbreitete Slang-Ausdruck bezeichnet »nicht spielbare Charaktere« in Computerspielen – bloße Hintergrundfiguren also, die nicht das Zeug zum Protagonisten haben.

Im Kontrast zum braven Staatsbürgertum der ­Eltern bieten die Krypto-Bros Rebellion, esoterisches Geheimwissen und das Versprechen, als echter Protagonist sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Der Zusammenhang zwischen den Inhalten der Finfluencer und dem »rechten Gedankengut« liegt damit auf der Hand. Der Sozialpsychologe Oliver Decker wies immer wieder darauf hin, dass »die Wirtschaft« als Ersatz für die verstellten Objekte autoritärer Sehnsucht, Führer und Vaterland, fungiert.

Vom Anhimmeln des Krypto-Bro-Übermenschen ist es nur ein kleiner Schritt zur Verachtung ­liberaler Gleichheitsvorstellungen und dem Hass beispielsweise auf Frauen, die einem im Weg stehen oder sexuelle Gratifikation verwehren – oder auf Geflüchtete, die das Gewinnerland Deutschland zu ruinieren drohen.

Besonders junge Menschen scheinen das attraktiv zu finden. Der Stern-Artikel zeigt, wovon sich der Jugend­liche mit seinem Schwärmen für die Gemeinschaft der Bros und ihre reaktionäre Weltsicht abgrenzt: Die besorgten Eltern redeten sich in der Diskussion über den Podcast »den Mund fusselig«: »Wir erklären ihm, was es alles braucht, um sich eine differenzierte Meinung zu bilden.« Im Kontrast zum braven Staatsbürgertum der ­Eltern bieten die Krypto-Bros Rebellion, esoterisches Geheimwissen und das Versprechen, als echter Protagonist sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Die Selbstermächtigung der Selbsthilfe-Übermenschen ist auch ein Weg, mit der eigenen unterschwelligen Angst umzugehen. Ständig sprechen Hoss und Hopf davon, dass düstere Zeiten auf uns zukämen, in denen es »harte Männer« brauche. Während die Elterngeneration noch glaubte, durch Anpassung an die demokratische Gesellschaft Sicherheit zu erhalten, fehlt vielen Jugendlichen heute diese Zuversicht. Sie erwarten – vielleicht berechtigterweise – nichts mehr von der liberalen Gegenwartsgesellschaft. Deren Normalität wirkt angesichts der Dauerkrisen vor allem ohnmächtig. Und wie es in der »Dialektik der Aufklärung« schon hieß: »Ohnmacht zieht den Feind der Ohnmacht an«, die autoritären Charaktere, damals also: die Faschisten. Die rechtslibertären Krypto-Bros sind deren zeitgenössische Wiedergänger.