Sex and the City auf Katalanisch: Montserrat Roig und »Die Frauen vom Café Nuria«

Matriarchales Cut-up

Montserrat Roigs Großstadtroman »Die Frauen vom Café Nuria«, der 1971 auf Katalanisch veröffentlicht wurde, ist jetzt erstmals auf Deutsch erschienen. Er bildet den Auftakt der »Barcelona-Trilogie«, mit der Roig berühmt geworden ist. Die Verbindung von Familiensaga und Feminismus ist gekonnt, aber auch problematisch.
Buchkritik Von

Schauplatz Barcelona. Montserrat Roig erzählt von Frauen dreier Generationen, die nach Autonomie streben und von der alles umstürzenden Liebe träumen. Mutter, Tochter, Enkelin, alle Protagonistinnen ihres eleganten Großstadtromans »Die Frauen vom Café Nuria« heißen mit Vornamen Mundeta und jede ist ein Kind ihrer Zeit.

Mundeta Nummer eins spaziert durchs Fin de Siécle und hadert mit ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau. Ihre Tochter, die zweite Mundeta des Romans, wird in den dreißiger Jahren mit der Brutalität des spanischen Bürgerkriegs konfrontiert.

Die vertanen Chancen der Vorgängergenerationen nutzen will die dritte Mundeta, die in den sechziger Jahren gegen das Franco-Regime aufsteht. Ein charismatischer Studentenführer verdreht ihr den Kopf. Wenn er von der freien Liebe redet, meint er aber nur die alten Privilegien der Männer.

Die Biographien der Frauen vereinen sich in einem wild-poetischen Strom des Erinnerns, die Konturen der Figuren verschwimmen.

Der 1971 auf Katalanisch veröffentlichte, jetzt erstmals auf Deutsch erschienene Roman bildet den Auftakt der »Barcelona-Trilogie«, mit der Roig, die 1991 an Brustkrebs starb, über die Grenzen der Region hinaus berühmt geworden ist.

Es ist ein Ruhm, der zum einen etwas mit dem Stoff selbst zu tun hat – mit der gekonnten Verbindung von Familiensaga und Feminismus. Zum anderen aber mit der an der Cut-up-Literatur orientierten, kühnen Erzähltechnik.

Wie in einem übervollen Café schwirren die Stimmen der Protagonistinnen durcheinander; mal in der Ich-Form, mal im Auktorialstil. Welche der Frauen gerade zu ihrer Erzählung anhebt, welche Mundeta gerade welchen Mann in die Arme schließt, ist oft schwer auszumachen.

Die Biographien der Frauen vereinen sich in einem wild-poetischen Strom des Erinnerns, die Konturen der Figuren verschwimmen. So virtuos das gemacht ist, so problematisch ist es aber auch. Die matriarchale Collage raubt den Protagonistinnen ihre Eigenständigkeit.


Buchcover

Montserrat Roig: Die Frauen vom Café Nuria. Aus dem Katalanischen von Ursula Bachhausen und Kirsten Brandt. Verlag Antje Kunstmann, München 2024, 224 Seiten, 24 Euro