Ein Quartett der Luftwaffe diskutiert die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine

Die vier von der Luftwaffe

Über die von russischer Seite abgehörte Handykonferenz zum Thema deutscher Taurus-Lieferungen an die Ukraine.
Glosse Von

»Moin, Moin, Herr General.« Jetzt gibt es auch noch eine Schweizer Einmischung. Die Zürcher Weltwoche hat jene vom russischen Geheimdienst mitgeschnittene Handykonferenz abgetippt, auf der sich der deutsche Luftwaffeninspekteur am 19. Februar mit seinem Taurus-Team ausgetauscht hatte. Die Diskussion drehte sich darum, welches Alleinstellungsmerkmal der Marschflugkörper besitzt und wie man seine Missionsplanung vornehmen könnte, damit dieses Problem nicht zum showstopper wird.

Die Weltwoche ist fest in der Hand eines Rechtspopulisten von der SVP und bietet sich auch den Freunden von AfD, Bündnis Sahra Wagenknecht und Werteunion als Zentralorgan an. Denen wäre es peinlich, Interna der Bundeswehr auszuplaudern und sich dem Verdacht auszusetzen, russische Spionage für sich zu nutzen. Also wird schlau über die Bande gespielt, um die eigene Anhängerschaft im Militär, in der Polizei und in den Geheimdiensten nicht zu verprellen, die bekanntlich überproportional groß ist.

Der Inspekteur hat das Web-Meeting mit den Taurokraten angesetzt, um zu erfahren, was sie dem Verteidigungsminister vortragen wollen, der über das Waffensystem gebrieft werden möchte. Weil es so viel Gelaber, Blödsinn und abenteuerliche Gerüchte zu dem Thema gebe, wünscht er eine Abstimmung. Gern wüsste der Luftwaffenchef zum Beispiel, wie es überhaupt zu dem Termin mit Boris Pistorius gekommen sei, an dem er nicht teilnehmen könne und zu dem er wohl auch gar nicht eingeladen wurde. Dazu verraten die Spezis nichts.

Die vier sind sich einig, dass die Ukraine die Brücke »rausnehmen« wolle.

Das Gespräch pendelt thematisch zwischen technischen Informationen, militärischen Absichten und politischer Schlaumeierei. In technischer Hinsicht reden die Herren im Stil von Powerusern, das heißt, sie erwecken den Eindruck, eine Anwendung, die sie nicht wirklich verstehen, perfekt zu beherrschen.

Versucht man die unstrukturiert ausgetauschten Sätze etwas zu ordnen, dann scheint es um die vier Navigationssysteme zu gehen, mit denen der Taurus gesteuert wird: Standortbestimmung, das heißt so etwas wie ein militärisches GPS, Geodaten, das heißt dreidimensionale digitale Karten, Radar und Satellitenbilder. Diese Daten sollen möglichst viele und möglichst aktuelle Informationen über feindliche Stellungen enthalten, damit der Marschflugkörper eine relativ sichere Route bis zu seinem Ziel findet. Gleichzeitig müssen sie so aufbereitet werden, dass sie mit den Bildern kompatibel sind, die der Taurus mit seinen Bordkameras aufnimmt.

Es würde Monate in Anspruch nehmen, bis ukrainische Einheiten in der Lage wären, diese Fähigkeiten in vollem Umfang zu nutzen. Für das Luftwaffenquartett ist das nicht akzeptabel, denn es gehe dar­um, einen schnellen Effekt zu erzielen. Zwar könne man die Steuerung des Taurus vereinfachen. Allerdings nehme mit der Komplexität auch der Einsatzerfolg ab. »Ja, der Pfeiler (der Krim-Brücke, Anm. d. Red.), da machen wir unter Umständen nur ein Loch rein. Und dann stehen wir da.«

Die vier sind sich einig, dass die Ukraine die Brücke »rausnehmen« wolle. Denn die Krim sei für die Russen das Herzstück in ihrem Krieg. Andererseits sei die Brücke ein schwieriges Ziel, weil ihre Pfeiler so niedrig seien. Der eine Spezi hat sie sich schon mal intensiv angeguckt. Er bräuchte dafür eine Menge von Flugkörpern und beziffert sie auch.

Der andere hat es ebenfalls »durchgeschätzt«, denn das müsse »ein bisschen genauer ausgeplant« werden. Für ein feindliches Munitionsdepot sei die Zielplanung leichter. Die ukrainischen Militärs könnten den Taurus also im fast track bekommen – was man bei einem Munitionsdepot macht – und dann im long track komplett ausgebildet werden, wie man’s mit ’ner Brücke macht. Gedacht wird an eine zweistufige Auslieferung des Waffensystems.

Es ist schwer zu verarbeiten, wie leichtfertig die Bildschirmstrategen diverse Angriffsplanungen durchspielen, wie konkret sie dabei werden und mit welcher Selbstverständlichkeit sie den Ukraine-Krieg als ihren Krieg betrachten. »Im Moment schießen sie (die Ukrai­ner, Anm. d. Red.) die Flugzeuge und Raketen ab, die uns schon mal nicht treffen können.«

Vielleicht wäre eine direkte Verbindung von der Ukraine zu den Taurus-Herstellern weniger problematisch, oder man könnte die Hilfe anderer Nato-Militärs bemühen.

Freilich werden Bedenken artikuliert, einen direkten link von der Bundeswehr zu den ukrainischen Streitkräften zu ziehen. Das geschehe nun mal, wenn man von deutscher Seite bei der Vorbereitung von Einsätzen, zentrale Missionsplanung genannt, Unterstützung leiste. Ideen, dass man den Verbündeten an Ort und Stelle über die Schultern schaut oder im reachback-Verfahren eine deutsche Qualitätskontrolle vornimmt, werde der Minister sicher als »Kriegskriterium« zurückweisen. So dürfe man ihm »nicht gleich zu Beginn« kommen.

Aber es könne auch andere Wege geben: Vielleicht wäre eine direkte Verbindung von der Ukraine zu den Taurus-Herstellern weniger problematisch, oder man könnte die Hilfe anderer Nato-Militärs bemühen. Kaum zu bremsen sind die trickreichen Überlegungen, »wie wir das Ding zum Fliegen bringen«, ohne dass die Politik eine rote Linie zieht. Hauptsache, das Projekt werde rasch gestartet, wie auch immer.

»Jut, alles klar«, schließt der Inspekteur das Treffen. Fazit: beim briefing am besten ein paar starke slides zeigen, aber nicht zu viele, und ihm anschließend berichten, wie es gelaufen ist. Einfach mal anrufen, wozu hat man Handys.

Da kann man sagen, was man will, die Bundeswehr lebt ihre Traditionen: das Heer standhaft, die Marine vornehm, die Luftwaffe abenteuerlustig und alle für den Frieden.