Ein Auszug aus der Politsatire »Noble Lügen«

Noble Lügen

Der machthungrige Kanzlermacher Frank Fischbach liebt die Manipulation und das Spiel mit den Gefühlen und Hoffnungen von Politikern und der Bevölkerung. Als er für »seinen« Kanzler Bao Strauss zum vierten Mal die Wahl gewinnt, wird ihm der Erfolg schon fast selbst langweilig. Er will sein Genie weitergeben und plant ein Ausbildungszentrum für Leistungsträger, eine Schule der Gewinner: »Young Titans«. Fischbach lernt die Zivilgesellschafts­ikone und erfolgreiche Öko-Unternehmerin Sandra Kern kennen, deren Geschäftsmodell die Weltrettung ist; die beiden in ihrem Geschäftsverständnis grundverschiedenen Workaholics beginnen eine Beziehung.

Das Festzelt leuchtete violett. Dank seiner Strategie war der Wahlsieg wie beabsichtigt auf den Prozentpunkt genau eingetreten. Endlich konnte Frank Fischbach durchatmen. Heute war sein Tag. Minutiöse Planung schafft Triumphe. Ruhig blickte er vom Regieraum in das Festzelt der Kanzlerpartei. Unten standen die Freiwilligen, die Funktionäre, die Politik-Schickeria, die Buffet-Abstauber und Kommentatoren, die auf die erste Hochrechnung warteten. Die »Veilchen«, wie die Unterstützer Omnia liebevoll nannten, waren auf dem Höhepunkt ihrer Macht. In ­einer Minute würde Franks persönlicher Assistent Michael Gurmani mit dem Countdown zur ersten Hochrechnung beginnen, das steigerte die Spannung ein letztes Mal. 34 Tage Intensivwahlkampf waren dann ­beendet.

Frank Fischbach liebte die Unschuld, die Freude und die Ahnungslosigkeit der Festgäste. Strahlende, erfolgshungrige Gesichter. Wahlkämpfe als Teil der Unterhaltungsindustrie funktionierten wie Fußballspiele und Pferderennen. Die Wähler fieberten mit ihrem Kandidaten mit. Wer wenig wusste, war leicht zu führen. Frank kannte das Wahlergebnis seit Stunden. Situationen vorwegnehmen, den Wahlsieg durch datengetriebenes Marketing erzwingen, das waren die Eckpfeiler seines Erfolgs.

Nach einem kurzen Dank von Michael an die Freiwilligen betrat der neue und alte Kanzler Bao Strauss das violette Pult. Bao Strauss verbeugte sich und schaute ergriffen in die Menge. Es folgten ein kurzes Schweigen und Senken des Blicks. Bescheidenheit selbst in der Stunde des Triumphs – so funktionierte Demokratie! Frank war mit seinem Skript zufrieden.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::