Wahlsieg der Linken in Dänemark

Trendfarbe rød

In Dänemark wurde die Mitte-Rechts-Regierung abgewählt. Die erst vor kurzem wieder eingeführten Grenzkontrollen könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Ob der »Rote Block« für eine wirklich andere Politik steht, ist jedoch nicht sicher.

Die Koalitionsverhandlungen sind noch im Gange. Höchstwahrscheinlich wird die Sozialde­mokratin Helle Thorning-Schmidt neue Ministerpräsidentin werden und einer Mitte-Links-­Koalition aus Sozialdemokraten, Sozialisten und Sozialliberalen vorstehen. Diese Koalition verfügt im Parlament jedoch über keine eigene Mehrheit und wird daher auf die Duldung der linken Rot-Grünen Einheitsliste angewiesen sein. In Wirtschaftsfragen wird die Regierung aber auch punktuell mit den rechtsliberalen und konservativen Parteien zusammenarbeiten müssen.
Lars Løkke Rasmussen, der bisherige Ministerpräsident und Vorsitzende der rechtsliberalen Partei Venstre, kann trotz der Niederlage für die konservative Regierung zuversichtlich in die kommende Legislaturperiode gehen. Die Venstre ist mit 26,7 Prozent der Stimmen weiterhin die stärkste Partei im Parlament und hat sogar leicht hinzugewonnen. An ihr lag es nicht, dass der blå blok, der Blaue Block der bisherigen Regierungsparteien und der Dänischen Volkspartei, auf deren Duldung sie angewiesen waren, die Wahl verlor. Es sind vielmehr die leichten Verluste der rechts­populistischen Dänischen Volkspartei und der regelrechte Einbruch der Konservativen, die mehr als die Hälfte ihrer Stimmen einbüßten, die dafür den Ausschlag gaben.

Linke Parteien des rød blok (Roten Block) erlitten allerdings auch Verluste. Die Sozialdemokraten fielen von 25,5 Prozent auf 24,9 Prozent der Stimmen – für die Partei das schlechteste Wahlergebnis seit über 100 Jahren. Noch größer, wenn auch weniger symbolträchtig, waren die Verluste der Sozialisten. Stimmen gewonnen haben hingegen die Sozialliberalen und vor allem die Rot-Grüne Einheitsliste, die mit 6,7 Prozent der Stimmen ein Rekordergebnis erreichte und ihren prozentualen Stimmanteil mehr als verdreifachen konnte. Interessant ist dabei, dass genau die beiden Parteien Gewinne gemacht haben, die als einzige der jüngsten Verschärfung des Ausländerrechts nicht zugestimmt hatten (Jungle World 26/2011). Dass zugleich die Dänische Volkspartei zum ersten Mal überhaupt Stimmenverluste hinnehmen musste, darf durchaus als Absage eines Teils der dänischen Gesellschaft an die restriktive und rassistische Einwanderungs-, beziehungsweise Abschottungspolitik gedeutet werden, die die vergangenen zehn Jahre prägte.

Eine Frage, die sich aufdrängt, ist jedoch, wie viel Rot denn eigentlich in dem »Roten Block« steckt. Die Sozialliberalen machen keinen Hehl daraus, dass es in vielen politischen Fragen durchaus Übereinstimmungen mit Parteien der Opposition gibt. Doch auch die Sozialdemokraten dürften angesichts der schlechten Wirtschaftsdaten, der steigenden Arbeitslosigkeit und des enormen Haushaltsdefizits zukünftig eine Politik betreiben, die weit entfernt ist von den skandinavischen Ideen des Wohlfahrtsstaats. Eher ist eine Politik zu erwarten, die sich an New Labour oder der SPD unter Gerhard Schröder orientiert. Die Arbeitslosigkeit soll durch eine »aktive Arbeitsmarktpolitik«, mehr Zeitarbeit und eine »Modernisierung des Arbeitslosengeldsystems« bekämpft werden, ähnliche Worte fielen auch am Vorabend der Hartz-Reformen. Ob eine derartige Politik mit der Rot-Grünen Einheitsliste zu machen sein wird, ist fraglich. Die Partei fällt nicht nur immer wieder durch ihren Antizionismus und Antiame­rikanismus auf, sie steht auch der Europäischen Union und jeder Form liberaler Wirtschaftspolitik ablehnend gegenüber. Für die anstehenden Wirtschaftsreformen, wie die im Wahlkampf angekündigten Steuervorteile für private Investoren, wird Thorning-Schmidt zwangsläufig mit den rechten Parteien verhandeln müssen. Die angekündigten Infrastrukturinvestitionen, etwa für die Renovierung von Schulen oder das Umrüsten von öffentlichen Gebäuden auf mehr Klimaeffi­zienz, und die geplante Zusatzsteuer für Besserverdienende dürften hingegen im Sinne der Einheitsliste sein.

Politisch und gesellschaftlich sind das Wahlergebnis und der Regierungswechsel für das Königreich Dänemark dennoch äußerst bedeutsam. Selbst die konservative Zeitung Jyllands-Posten, die vor sechs Jahren die Mohammed-Karikaturen gedruckt hatte, äußerte sich erleichtert über den Regierungswechsel. Die Kooperation der bürger­lichen Parteien mit den Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei habe die politische Kultur zerstört, kommentierte die Zeitung.
Mit der ebenfalls geäußerten Prognose, dass die neue Regierung keine volle Legislaturperiode, also weniger als vier Jahre, bestehen werde, steht die Zeitung nicht alleine da. In der Tat dürfte das ständige Ringen um parlamentarische Mehrheiten kräfte- und zeitraubend werden. Es ist auch anzunehmen, dass so mancher Kompromiss, den Thorning-Schmidt einzugehen gezwungen sein wird, im Ergebnis kaum noch etwas mit den ursprünglichen Vorhaben zu tun haben wird. Eine »effektive Reformpolitik« lässt sich so nicht machen. Vielleicht ist es aber auch besser so, lehrt doch die jüngere Geschichte, dass von der Sozialdemokratie geführte Regierungen oft noch weit konsequenter beim Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften sind als solche unter Liberalen oder Konservativen.