Die Debatte um Dealer im Görlitzer Park

Law and Order im Coffee Shop

Die Debatte um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg reißt nicht ab. Nach wie vor stören sich viele Anwohner an den Dealern in der Parkanlage. Am Wochenende trafen sich Anwohner, Interessierte und Stadtpolitiker, um gemeinsam über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Manch einer wünscht sich die harte Hand.

Der Anwohner Martin Heuss hat einen Plan: Die Zahl der Eingänge soll auf drei verringert, diese sollen dann permanent von Sicherheitspersonal kontrolliert werden. »Die Polizei kommt hier rein, macht einen Kavallerieritt durch den Park und am Ende ändert sich nichts«, ärgert er sich. Sein Vorschlag gehört zu den populistischen Forderungen nach einem harten Durchgreifen, die aber beim öffentlichen »Hearing« der Initiative »Unser Görli« am Samstag im Jugendclub »Kreuzer« im Görlitzer Park deutlich in der Unterzahl bleiben. Das Geschehen in dem Park in Berlin-Kreuzberg sorgt seit einiger Zeit für Konflikte und Diskussionen. Dealer vor allem aus afrikanischen Ländern verkaufen dort Drogen, viele von ihnen sind Flüchtlinge. Bis zu 100 von ihnen stehen an manchen Tagen im Park und sprechen Passanten an, und das oft auf nicht sehr zurückhaltende Weise.

Als Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) beim Hearing das Wort ergreift, stellt sie zuallererst ein Zitat aus der B.Z. richtig, mit dem Freunde der harten Hand wie Heuss sie immer wieder als Kronzeugin anführen. »Ich habe gesagt, dass ich nachts durch gar keinen Park gehe, und meinte nicht speziell den ›Görli‹.« Dieser gehöre noch »zu den sicheren«. Dennoch gebe es auch hier ein Sicherheitsproblem, vor allem für Frauen. Für ihre vor einigen Wochen erhobene Forderung nach einem »Coffee Shop« für den Görlitzer Park erhält Herrmann viel Applaus. »Ob der Coffee Shop dann genau hier wäre, ist fraglich«, sagt sie aber. Außerdem fänden dann noch mehr Touristen den Weg in den Park – »die natürlich alle willkommen sind«. Sarkastisches Gelächter ist im Publikum zu hören. Doch es klingt, als habe Herrmann ihren Plan längst aufgegeben. Auf Bezirksebene lasse sich das Betäubungsmittelgesetz ohnehin nicht reformieren, sagt sie.
Die Forderung nach einem Coffee Shop hält Anwohner Heuss ohnehin für Populismus. Er betreibt die Website »226-Meter.de«, deren Name auf die Länge des Wegs anspielt, auf dem die meisten Drogen verkauft werden. Auf der Seite wird Heuss deutlich: »Natürlich muss nicht jeder kontrolliert werden. Die Kontrolle kann sich auf die Personen in den bekannten Gruppen mit besonderem Nutzerverhalten beschränken.« Doch »bekannte Gruppen« sind nicht wirklich im »Görli« anzutreffen, da alle paar Wochen Leute gehen und andere ihren Platz einnehmen. Es gibt einen regen Personalaustausch bei den Verkäufern. Und so würden den »bekannten Gruppen« wohl vor allem Schwarze angehören, die dann überwiegend von den Sicherheitskontrollen betroffen wären. »Racial Profiling« nennt man das. Anwohner Heuss nimmt überhaupt gern Einordnungen in Gruppen vor, wie ein weiterer Blick auf seine Website zeigt. Dort heißt es: »Der Handel mit den Substanzen führt dazu, dass Familien mit Kindern und türkische Mitbürger den Park meiden.«

»Es ist schwer, in dieser Debatte nicht rassistisch zu sein«, sagt Anwohner Lorenz später in einer Arbeitsgruppe, die sich im Anschluss an das Hearing zusammensetzt. Dort sind auch zwei Anthropologinnen der Freien Universität Berlin anwesend. Sie erstellten eine Studie über Kreuzberg, sagen sie und ernten erstauntes Gelächter. Lorenz sagt, er sei Linker, aber die Dauerkonfrontation mit aufdringlichen Dealern verführe zu gewissen Ressentiments. Er meint das selbstkritisch, wird aber von einigen Gruppenmitgliedern offensichtlich falsch verstanden. Diese fühlen sich bestätigt und beklagen, dass Themen, »die nicht dem linken Mainstream entsprechen«, nicht angesprochen werden dürften. Und eine recht begriffsstutzige Gruppenleiterin notiert auf eine Tafel: »Afrikanische Männer sind besonders sexistisch.«