Im sächsischen Ostritz ist ein Nazifestival an »Führers Geburtstag« geplant

Rechtsrock an der Neiße-Grenze

Im sächsischen Ostritz wollen Neonazis am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, ein Großkonzert veranstalten. Selbst der sächsische Ministerpräsident ruft zum Protest auf – obwohl sein Verhältnis zu Rechtsextremen zwiespältig ist.

Ostritz schafft es selten in die Schlagzeilen. Derzeit ist das anders. Ein »Friedensfest« unter der Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) soll es vom 20. bis zum 22. April in dem kleinen sächsischen Ort mit 2 600 Einwohnern geben. Im Aufruf zu dem Fest schreiben die Veranstalter: »Wir wollen hinsehen, um Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und«  – wie sollte es in Sachsen anders sein – »Extremismus jeglicher Art zu erkennen.« Es gehe an den beiden Tagen darum, »den Marktplatz mit Vielfalt und Herz zu beleben und zu schützen«, um so das »Engagement der bürgerlichen Mitte für Weltoffenheit, Toleranz und Frieden« sichtbar zu machen.

Und so bieten die Veranstalter rund um das christliche Begegnungszentrum St. Marienthal allerlei, von Filmen und Lesungen über Auftritte von regionalen Jugendtanzgruppen bis hin zur obligatorischen »afrikanischen Musik« mit Trommeln. Die Selbstbeschreibung als »bürgerliche Mitte« in Verbindung mit dem Verweis auf die Ablehnung von »Extremismus jeglicher Art« haben die Veranstalter bewusst so formuliert: Politische Parteien wolle man nicht an dem Vorhaben beteiligen, sonst hätte man nach eigener Auskunft auch die AfD einbeziehen müssen, die bei den jüngsten Bundestagswahlen mehr als 25 Prozent der Stimmen in Ostritz erhalten hatte.

Anlass für das »Friedensfest« ist das Nazifestival »Schild und Schwert«, das am Geburtstag Adolf Hitlers stattfinden soll. Der Veranstalter, der NPD-Funk­tionär Thorsten Heise, hat dafür das Gelände des Ostritzer Hotels »Neißeblick« gewählt. Es befindet sich unmittelbar an der polnischen Grenze. Hans-Peter Fischer, der Eigentümer des Hotels, pflegte dem MDR zufolge in den achtziger Jahren Verbindungen zur neonazistischen Wiking-Jugend und zur NPD und war 1999 Vorsitzender eines hessischen Kreisverbands der Republikaner.

In der Wiking-Jugend sammelte auch der 48jährige Heise seine ersten politischen Erfahrungen. Seit über 20 Jahren verdient er am Geschäft mit dem Rechtsrock, sein Versandhandel inklusive eigenem Musiklabel gehört inzwischen zu den führenden in diesem Bereich. Zu einem ähnlichen Festival im thüringischen Themar, das er im vergangenen Jahr veranstaltete, reisten 6 000 Neonazis an.

Auch in Ostritz lässt das Programm für die Klientel nicht zu wünschen ­übrig. Auftreten sollen einschlägige Bands aus dem in Deutschland ver­botenen Netzwerk »Blood & Honour«, das als wichtiges Unterstützungsumfeld für den NSU gilt. Im nahegelegenen Wrocław wurde ein für dasselbe Wochenende geplantes Festival der polnischen Sektion von »Blood & Honour« abgesagt, um die Anreise nach Ostritz zu ermöglichen. Eine offene Frage bleibt, wie sich die Ansichten der angekündigten Rechtsrockgrößen mit einer Teilnahme polnischer Nazis am Festival vereinbaren lassen. Michael Regener sang in der mittlerweile verbotenen Band Landser: »Wenn ich das seh’, werd’ ich echt sauer / Polackenlümmel schreien ›White Power‹ / Oh, wie ich dieses Scheißvolk hasse / Seit wann gehören Polacken zur arischen Rasse?« In Ostritz zählt er mit seiner derzeitigen Band Lunikoff-Verschwörung zu den Headlinern.

 

»In Ostritz treffen sich nicht irgendwelche Rechtsextremen«, sagt Sascha Elser vom Bündnis »Rechts rockt nicht« im Gespräch mit der Jungle World. »Die Leute, die dort zusammenkommen, sind mit ihren Verbindungen zur Terrorgruppe ›Combat 18‹ und ihren Aufrufen zu bewaffnetem Widerstand diejenigen, die die Taten des NSU nicht nur unterstützten, sondern heutzutage noch feiern.« Das Festival in Ostritz führe das Verbot von Blood & Honour ad absurdum, so Elser. Das Bündnis »Rechts rockt nicht«, ein Zusammenschluss von antifaschistischen Initiativen, habe sich gefunden, um einerseits auf den enormen milieuverbindenden Stellenwert der rechtsextremen Musik hinzuweisen und andererseits Widerstand gegen die Veranstaltung zu leisten.

2017 fanden allein in Sachsen mindestens 46 Nazikonzerte statt. Da in den vergangenen Jahren die Zahl neonazistischer Großdemonstrationen ­zurückgegangen ist, nehmen Großveranstaltungen wie in Ostritz mittlerweile eine bedeutende Rolle ein. Tagsüber soll es den Besucherinnen und Besuchern dort möglich sein, an zahlreichen Ständen neue Musik und Devotionalien zu kaufen sowie sich tätowieren zu lassen; zudem soll eine Kampfsportveranstaltung stattfinden. Bevor am Abend die Konzerte losgehen sollen, stehen Reden von bekannten NPD-Größen wie Udo Voigt, Uwe Meenen und Heise selbst auf dem Programm, der Landesvorsitzender der NPD in Thüringen und stellvertretender Bundesvorsitzender ist.

Zur Kundgebung von »Rechts rockt nicht« können Interessierte mit Bussen aus unterschiedlichen Städten anreisen. »Uns ist es wichtig, Nazis überall die Party zu versauen«, sagt Anne Kämmerer von der Grünen Jugend Sachsen, die eine Busanreise aus Leipzig mitorganisiert. Es sei ein bekanntes Phänomen, dass sich Neonazis für Großveranstaltungen dieser Art Orte suchten, in denen sie möglichst ungestört blieben. »Es wird uns letztlich nichts bringen, uns in unserer gemütlichen Großstadtblase einzurichten und die Engagierten in ländlicheren Gebieten in ihrem Kampf gegen Rassismus allein zu lassen«, so Kämmerer. Der sächsische Landtagsabgeordnete Mirko Schultze (»Die Linke«), der für das Bündnis »Rechts rockt nicht« die Kundgebung in Ostritz angemeldet hat, freut sich über die Unterstützung. Ihm zufolge ist beim Protest gegen Neo­nazis »eine klar solidarische, antirassistische und antifaschistische Haltung« nötig. Den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer kritisiert er für ­seine »Doppelzüngigkeit«.

Während Kretschmer einerseits dazu aufrufe, ein »Zeichen gegen Rechtsextremismus« zu setzen, habe er in den vergangenen Wochen den von ihm veran­stalteten »Bürgerdialog« verteidigt, zu dem auch der ehemalige Bautzener NPD-Kreisvorsitzende Marco Wruck eingeladen war. Die Dresdner Musiker der Banda Communale sagten daraufhin ihre Teilnahme beim Ostritzer »Friedensfest« ab und wollen nun bei der antifaschistischen Veranstaltung von »Rechts rockt nicht« auftreten.

Die Polizeidirektion Görlitz bereitet sich derweil gemeinsam mit der Bundespolizei und polnischen Behörden auf einen Großeinsatz vor. In Themar zeigten mehrere Hundert Konzertbesucher im vergangenen Jahr unter anderem den Hitlergruß, die Polizei schritt nicht ein. Für das Festival in Ostritz behält sie sich Schritte vor. Wenn es erforderlich sei, dann werde die Polizei auch angemeldete Veranstaltungen betreten und eingreifen, sagte der zuständige Polizeisprecher Thomas Knaup der Jungle World.

Es dürfte nicht der einzige Einsatz der Polizei in dem Ort bleiben. Dem Bündnis »Rechts rockt nicht« zufolge ist bereits eine weitere rechtsextreme Veranstaltung in Ostritz für den November angekündigt.