»Die US-Nachrichten sind Entertainment«

Danny Schechter

Der Irakkrieg ist auch ein Medienkrieg. Kein Sandsturm hat je mehr internationale Aufmerksamkeit erfahren, niemals waren Reporter so nahe an den Soldaten. Doch die Inszenierung des Kriegs von den US Sendern Fox News oder CNN, aber auch die Berichterstattung der europäischen Sender, lässt viele Zuschauer resignieren.

Danny Schechter, früher Reporter bei CNN und ABC und nun Chefredakteur des medienkritischen Webzines mediachannel.org, ist nicht überzeugt davon, dass die Berichterstattung die Zuschauer auch informiert. Schechter beschreibt das CNN-Feeling so: »The more you see, the less you know.« Mit ihm sprach Martin Schwarz.

So genannte embedded journalists sollen angeblich die große Errungenschaft dieses Krieges sein. Sind sie es wirklich?

Diese »eingebetteten Journalisten« lassen uns den Krieg in der ersten Reihe miterleben. Aber es geht nur um das, was sie sehen. Das ist sehr irreführend, denn die Geschichte dieses Krieges ist komplizierter als das, was uns die embedded journalists berichten.

Vor kurzem berichtete ein CNN-Reporter von einer Luftwaffenbasis in Kuwait und gab dabei vor allem patriotische Nichtigkeiten von sich. »Man sieht hier kein Lächeln auf den Gesichtern des Personals. Das einzige Lächeln, das man hier bemerkt, ist jenes der Piloten, die ihre Missionen erfolgreich abgeschlossen haben.« Was soll eine solche Berichterstattung bewirken?

Das ist eine Entwicklung, für die vor allem der Sender Fox News gesorgt hat. Er konnte im Gegensatz zu den anderen Nachrichtensendern ein relativ großes Publikum anziehen, indem er sehr patriotisch berichtet. Die Konkurrenz, die anderen Nachrichtensender, ziehen nach, um mit Fox News konkurrieren zu können.

Aber wirklich Stimmiges erfahren wir trotz des ganzen Aufwandes und den Hunderten von Korrespondenten eigentlich nicht.

In US-amerikanischen TV-Sendern findet derzeit mehr Meinungsmache als Journalismus statt. Das äußerst sich darin, dass der Krieg und die Gründe für den Konflikt überhaupt nicht hinterfragt werden, dass in den hiesigen Medien nicht diskutiert wird. Die Nachrichten wurden zum Entertainment, und der Krieg ist sehr unterhaltsam.

Hier hat sich eine eigene Kategorie der Kriegsberichterstattung etabliert: das »Militainment«, also eine Mischung aus »Military« und »Entertainment«. Selbst die Berichterstattung über einen Krieg wird wie ein Movie inszeniert. Das Pentagon hat sogar einen Designer aus Hollywood engagiert, um den Newsroom im Hauptquartier der US-Armee in Katar einzurichten. Somit kann der Krieg in die Wohnzimmer als etwas sehr Aufregendes gesendet werden. Die hiesigen Medien erhoffen sich durch einen Krieg höhere Quoten, und die sind vor allem zu machen, wenn man den Krieg als reine Action inszeniert.

Wenn man die europäische und die amerikanische Kriegsberichterstattung vergleicht, so muss man zum Schluss kommen, dass europäische und amerikanische Medien über zwei völlig unterschiedliche Konflikte berichten. Warum wird dieser Konflikt so unterschiedlich interpretiert?

Medien werden in Zeiten der Krise traditionell zu einem verlängerten Arm der jeweiligen Regierung. Man will das Publikum nicht verstören, indem man Kritik an der Haltung der Regierung übt. In Europa ist das anders, weil es dort eine Tradition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt.

Aber gerade diese Tradition muss einem doch zu denken geben, weil der Staat somit noch mehr Kontrolle über die Sender hat.

Ja, aber diese öffentlich-rechtlichen Sender werden ganz gut finanziert, es gibt eine Menge Dokumentationen, es gibt eine größere Sensibilität für die Hintergründe der nackten Nachrichten. In den USA existiert das nicht und die Amerikaner kennen die Welt nicht. Nur 13 Prozent der amerikanischen College-Studenten konnten in einer Umfrage den Irak auf der Weltkarte finden.

Führen Sie die Berichterstattung der US-Medien allein auf Patriotismus zurück?

Momentan wird hier der Fall eines vor einem Jahr entführten und nun völlig unversehrt wieder gefundenen Mädchens sehr groß verhandelt. Eine Boulevardzeitung in New York mutmaßte kürzlich, das Mädchen sei einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Aber keiner fragt, ob wir hier nicht alle einer Gehirnwäsche unterzogen werden.

Unter den Journalisten gibt es eine gewisse Tendenz zur Selbstzensur. Die Chefredakteure, Eigentümer und Herausgeber stecken den Rahmen ab, innerhalb dessen eine Geschichte laufen darf. Ich habe lange bei CNN und ABC gearbeitet und weiß, welche Story man einem Chefredakteur vorlegen kann und welche nicht. Verschärft wird das alles auch dadurch, dass in den USA rund 200 000 Journalisten arbeitslos sind.

Die gleichen Vorwürfe könnte man aber auch europäischen Journalisten machen. Vielleicht produzieren sie kritische Berichte über den Krieg, weil sie wissen, dass die überwältigende Mehrheit der Medienkonsumenten diese Geschichten schätzt und die Herausgeber und Chefredakteure sich nicht gegen die öffentliche Meinung oder ihre Regierung stellen wollen.

Nun, wissen Sie, wenn man wie hier seit Monaten hört, dass der Krieg unvermeidlich ist und das wie ein Dogma ständig wiederholt wird, so ist es nicht überraschend, dass die Menschen diese Meinung schließlich übernehmen. Man hat es in den USA als Kritiker dieses Krieges auch wirklich schwer, in den Medien vorzukommen.

Ich wurde in den letzten Wochen vom deutschen, vom finnischen und vom japanischen Fernsehen interviewt, und es sind auch Artikel von mir in vielen europäischen Zeitungen erschienen. Hier in Amerika wurde ich kein einziges Mal zu irgendeiner Talkshow eingeladen. Irgendwann hab ich das dann auf unserer Website geschrieben, einen Tag später hat CNN immerhin mal angerufen.

Manchmal hat man den Eindruck, als würden amerikanische Medien die Propaganda der Regierung ungeprüft übernehmen. Als sich George W. Bush und Tony Blair im letzten September trafen und bekannt gaben, die Atomenergiebehörde in Wien habe Berichte, wonach der Irak versucht, Nuklearwaffen zu bauen, haben viele US-Medien das sofort übernommen. Aber keiner hat bei der IAEA angerufen, um festzustellen, dass es diese Berichte nicht gibt. Woran liegt’s?

Die Akzeptanz von Anschuldigungen gegenüber dem Irak ist enorm hoch. Aber es gibt keine Recherche, eigentlich ein Armutszeugnis für den Journalismus. Als Colin Powell im Februar seine teilweise gefälschten Beweise gegen den Irak vorlegte, haben alle Medien groß darüber berichtet, aber nur wenige über die Enthüllungen, dass vieles davon einfach nicht wahr ist.

Manche behaupten, Bill Clinton oder ein anderer von den Demokraten gestellter Präsident hätte den Europäern den Krieg vielleicht besser vermitteln können.

Es gibt Menschen, die das glauben. Aber Clinton verfolgte die gleiche Politik gegenüber dem Irak wie Bush. Nur hat er eben keinen richtigen Krieg begonnen.

Wie empfinden Sie die Kritik der europäischen Medien an den amerikanischen Zuständen?

Es gibt in Europa eine gewisse Tendenz, ein wenig arrogant gegenüber den Amerikanern zu sein. Sie gelten als Idioten, die von Cowboys geführt werden. Aber man sollte nicht mit den Fingern auf uns zeigen. Die amerikanische Gesellschaft ist sehr gespalten in der Irakfrage.