Links, zwei, drei

Gründung der Wahlalternative »Arbeit & soziale Gerechtigkeit«

Ein Sonntagvormittag in Berlin. Kameras überall, Blitzlichtgewitter, dichtes Gedränge, ein Dutzend Fernsehkameras und ebenso viele Mikrofone, die auf 14 Personen gerichtet sind. Wo man das Aufeinandertreffen zweier Boygroups vermuten könnte, findet der erste öffentliche Auftritt des neu gegründeten Vereins »Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit« statt, aus dem bereits im Herbst eine neue Linkspartei hervorgehen könnte.

Mit der Vereinsgründung verbünden sich die »Wahlalternative 2006« und die »Initiative Arbeit & soziale Gerechtigkeit«, zwei Gruppierungen, die erst im März dieses Jahres aus Protest gegen den Sozialabbau der rot-grünen Regierung entstanden. Der Großteil ihrer Mitglieder war oder ist noch in der SPD und in einer Gewerkschaft. In »solidarischen Diskussionen« habe man beschlossen, dass es sich gemeinsam viel leichter für einen »Politikwechsel« und den Erhalt des »Erfolgsmodells Sozialstaat« streiten lasse.

Wichtigstes Ziel des neuen Vereins sei die Verhinderung der Agenda 2010 und gegebenenfalls die Schaffung einer »wählbaren Alternative« zur Politik aller Parteien, erklärte der vor kurzem aus der SPD ausgeschlossene Sprecher, der bayrische IG-Metall-Funktionär Thomas Händel. »Von der gegenwärtigen Politik profitieren nur die Großkonzerne«, sagte Händel weiter. Deshalb müsse »die gesamte Ausrichtung der Wirtschaftspolitik geändert«, der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent erhöht und die »Binnennachfrage gestärkt« werden.

Am Sonntag präsentierte der neue Verein seinen 14köpfigen Vorstand und die vier Sprecher der Öffentlichkeit. Die Gründung einer Partei komme frühestens nach der Urabstimmung auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Herbst in Frage. Bis dahin soll die inhaltliche Vorlage für die Konferenz an der Basis debattiert und weitere Mitglieder sollen gewonnen werden.

Die Initiative ist bereits mit 70 Regionalgruppen in allen Bundesländern vertreten. Schwerpunkte sind bislang München, Hamburg und Berlin sowie Nordrhein-Westfalen. Eine Meldung vom Vortag, dass die neue Linkspartei vielleicht schon zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen antreten könnte, dementierte das Vorstandsmitglied Helge Meves. Vor dem Aufbau von Landesverbänden seien solche Nachrichten reine Spekulation.

Auf die hartnäckigen Fragen, wie denn das Verhältnis zur PDS sei, kam immer wieder die gleiche Antwort: Es gebe keins. Doch im Vorstand sitzt neben Mitgliedern von Attac, ehemaligen Grünen oder Sozialdemokraten auch ein PDS-Mitglied, der Hamburger Joachim Bischoff. Die Frage, ob er nun auch wegen der Teilnahme an der Wahlinitiative befürchten müsse, aus seiner Partei ausgeschlossen zu werden, beantwortete Bischoff mit der Gegenfrage, ob sich die PDS das denn leisten könne. Bisher sei er ja nur Vorstandsmitglied in einem Verein. Problematischer sei, dass die PDS es bisher immer noch nicht geschafft habe, das große Wählerpotenzial der Unzufriedenen im Westen zu erreichen.

Das gleiche Problem, nur umgekehrt, könnte sich für die Wahlalternative im Falle der Parteigründung ergeben. Um zur dritten relevanten Partei links von der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden, müsste sie auch im Osten Fuß fassen.

ralf fischer