Folgen Sie den roten Punkten!

raucherecke

Um Sechse in der Akademie, hat mir Joachim Rohloff in einem verschwörerischen Hörbrief gesteckt, Hanseatenweg, am besten über Adelshausen und Udelshausen, Ärgste, Urgste, Ächze, Uffze oder so ähnlich (und diese Orte muss es wohl alle geben, denn um Fingerabdrücke zu vermeiden, hat er den Brief aus Verkehrsdurchsagen des Deutschlandfunk gesampelt). Und vor allem: »Folgen Sie nicht den gelben Pfeilen! Folgen Sie den roten Punkten!«

Papperlapapp, denke ich überheblich, Akademie der Künste, den Weg finde ich im Schlaf. Ich steige in die S-Bahn und werde prompt in die falsche Richtung gependelt. Zeuthen? Wildau? Wo in aller Welt bin ich? Es ist fünf vorbei, als ich in in die nächste U-Bahn, Gegenrichtung, springe. Grenzallee? Lipschitzallee? Wutzkyallee! Und es geht hart auf sechs zu, als ich endlich in die Akademie taumele. Aber was soll ich hier? Und wo zum Teufel sind die roten Punkte? Der Saal füllt sich bis zum letzten Sitz mit Leuten, die wohl auch alle von Rohloff herbeordert sind. Bestimmt 500. So viele Leute kennt der? Ich bin beeindruckt. Aber was passiert denn jetzt?

Das Licht wird gedimmt, eine Moderatorin, eine gewisse Ina Kleine-Wiskott, stapft über einen Laubteppich aus Tonbändern auf die Bühne. »Plopp!« sagt sie. »Plopp-Wettbewerb«. Wir, das heißt Rohloffs 500 Bekannte, sollen heute das beste Stück der freien Hörspielszene wählen. Aus 180 Werken hat sie zehn ausgesucht. Die 170 andern wurden von der Spule gerollt und als Bodenbelag missbraucht. Nun spielt sie ein Stück nach dem andern ab. In einem besonders lustigen, »Wenn etwas fehlt«, von ein paar Jungs, die alle Spitznamen wie Kalle und Knuffi tragen, lockt ein Computer nichts ahnende WG-Typen in tödliche Hinterhalte. In einem andern, von Robert Schön, fragt Bambi seine Mama: »Was ist da so vieles?« – »So vieles?« – »Ja, da oben.« »Ach so«, sagt Bambis Mama, »das ist der Himmel.« Genialer Dialog, leider geklaut.

Bei Rohloffs Hörbrief lacht der ganze Saal. Na klar, den kennen sie schon. Adelshausen, Udelshausen und dann den Pendelverkehr über die Wutzkyallee. Kleine Pause, schließlich werden wir wieder reingerufen und erfahren das zu Erwartende: Rohloffs 500 Bekannte haben seinen Hörbrief zum besten Plopper gewählt. Unglück im Glück: Er hat einen gigantischen Scheck, locker ein Meter mal ein Meter, vom Hörverlag gewonnen. Armer Kerl, denke ich, den löst ihm doch keine Bank ein. Und dann sehe ich ihn: den roten Punkt! Auf Rohloffs Jackett! Tatsächlich, ein roter Punkt. Ich folge ihm, und es wird dann noch ein sehr netter Abend.

stefan ripplinger