Toleranz per Gesetz

Diskussion über das Antidiskriminierungsgesetz

von burkhard schröder

Die deutschen Unternehmen, so hieß es in der vorigen Woche, lehnen es ab zu diskriminieren. Wer hätte das gedacht? Aber ein Antidiskriminierungsgesetz, das es unter Strafe stellt, jemanden wegen seiner Herkunft, seiner Weltanschauung oder seines sexuellen Geschmacks zu mobben oder zu benachteiligen, wollen sie offenbar nicht.

Sie protestieren gegen ein von der Bundesregierung geplantes Gesetz, das nur die Vorgaben der Europäischen Union realisieren will. Der Bundesrat hat den ersten Gesetzentwurf Mitte Februar abgelehnt.

Der viel beschworene »Kampf gegen Rechts« richtet sich, falls er überhaupt jemals ein klar definiertes Ziel hatte, gegen diejenigen inländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die rassistische und antisemitische Vorurteile haben. Diesen könnte man, falls es ein Antidiskriminierungsgesetz gäbe, auch als Privatmensch mit juristischen und finanziellen Sanktionen drohen. Wer einen Sorben oder Deutschtürken für einen Ausländer hält, weil dieser die deutsche Sprache nicht so gut wie ein Oberbayer spricht, müsste zahlen. Das verbessert die Opferperspektive. Und Otto Schily müsste nicht immer alles verbieten, was sich rechts von der CDU politisch regt. Das regelt das Zivilrecht viel besser.

Nun protestieren die Unternehmer und erfahren Unterstützung von der Opposition, aber auch aus den Reihen der Bundesregierung selbst. Das Gesetz führe zu mehr Bürokratie, beeinträchtige die Vertragsfreiheit in der Wirtschaft und gefährde Arbeitsplätze. Die Unternehmen haben selbstverständlich gemerkt, wozu ein Antidiskriminierungsgesetz führen kann: zu einer Selbstethnisierung der Lohnabhängigen. Wem es gelingt, Teil einer Randgruppe zu werden – völkisch, sexuell, religiös –, kann, falls das Gesetz verabschiedet wird, auf Schadensersatz klagen, wenn nachgewiesen wird, dass sie oder er benachteiligt wird.

Neonazis könnten vor Gericht ziehen, wenn sie wegen ihrer »Weltanschauung« den Arbeitsplatz verlieren; Afrodeutsche, wenn die gemeinen deutschen Mitmenschen ihnen bei der Suche nach einem Job zuvorkommen; Juden und Zeugen Jehovas, wenn ein Kapitalist lieber jemanden einstellt, der gern auch am Samstag arbeitet; Ostfriesen und Ossis, wenn sie wegen ihrer Herkunft gehänselt werden; Soldaten, wenn sie als Mörder bezeichnet werden. Der gewöhnliche heterosexuelle weiße Mann hätte nur eine Chance auf Schadensersatz, wenn ihm eine Frau wegen ihres Geschlechts vorgezogen wird.

Karl Marx wäre sicherlich auch gegen ein Antidiskriminierungsgesetz gewesen – aus Zynismus. Denn der Kapitalismus sieht per definitionem vor, dass das Kapital über die Ware Arbeitskraft uneingeschränkt verfügen darf. Kämen der Staat oder der Gesetzgeber auf die Idee, den Unternehmen vorzuschreiben, welche Sorte von Arbeitskräften sie zu beschäftigen haben, wäre das ein Eingriff in den Kauf und Verkauf der Ware Arbeitskraft. Diese aber regelt die Marktwirtschaft ganz allein, deswegen heißt sie ja »freie«.

Ein Antidiskriminierungsgesetz verbreitet daher Illusionen über das Verhältnis zwischen Kapitalisten und Arbeitern und ist vergleichbar mit der ebenso abwegigen Idee eines »gerechten« Lohns. Also grober Unfug und Opium für das naive und gutmeinende Volk und die Lichterkettenträger.