Blut & Ehre & Rock’n’Roll

In Flensburg läuft der Prozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Neonazigruppe
»Combat 18 Pinneberg« wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. von andreas speit

Selbstgefällig sitzen die fünf Mitglieder der Neonazigruppe »Combat 18 Pinneberg« auf der Anklagebank. Von der Staatsschutzkammer des Landgerichts Flensburg zeigen sich die Angeklagten wenig beeindruckt. Die Gruppe um den mutmaßlichen Haupttäter, Clemens O., ki chert bei den Zeugenvernehmungen und scherzt in den Verhandlungspausen. Auch die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen im Verhandlungssaal verunsichern die Beschuldigten aus Schleswig-Holstein und Hamburg nicht. »Noch«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Flensburg der Jungle World. Denn bisher hätte die Staatsanwaltschaft längst noch nicht »alle schweren Beweise« vorgetragen.

Seit dem 29. März muss sich die »Kampftruppe« vor dem Landgericht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie räuberischer Erpressung verantworten. »Die Angeklagten haben unter anderem CDs mit volksverhetzenden und gewaltverherrlichenden Texten gegen Ausländer, Flüchtlinge, Juden, Punks und Kommunisten hergestellt«, sagt die Staatanwaltschaft. Die Beschuldigten im Alter von 23 bis 30 Jahren sollen die Taten zwischen 2001 und 2003 verübt haben.

Die ersten Zeugenaussagen vor Gericht konnten die Anklage, derzufolge O. mit Aktivisten aus der »Kameradschaft Pinneberg« die Gruppe »Combat 18 Pinneberg« nach dem Vorbild des bewaffneten Arms des britischen Neonazinetzwerks »Blood & Honour« aufgebaut habe, nicht stärken. Auch dass die Gruppe »im großen Stil« einen illegalen CD-Handel geführt und von rechten CD-Labels Schutzgeld erpresst haben soll, bestätigten die Zeugen nicht, kommen sie doch selbst aus dem neonazistischen Milieu der Angeklagten. So schwächte ein Rechter den Vorwurf der Körperverletzung ab, indem er betonte: »Nein, ich bin nicht so richtig geschlagen worden«, und zu Boden geschlagen worden sei er schon gar nicht. Zur Zufriedenheit der Angeklagten deutete er noch an, keineswegs wegen Geschäften mit Rechtsrock-CDs unter »Druck« gesetzt worden zu sein.

Solche Zeugenaussagen dürften O. dazu bewegt haben, sein früheres Teilgeständnis zurückzuziehen. Bei der Eröffnung der Verhandlung erschien der langjährige Anführer der »Kameradschaft Pinneberg«, die nach Angaben des Verfassungsschutzes etwa 60 Anhänger hat, noch ganz brav und bieder im Anzug. Über seinen Anwalt ließ er erklären, er habe nichts mehr mit der Szene zu tun. Der Verhandlungsverlauf scheint O., der bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist, zu ermutigen, diese Verteidigungsstrategie fallen zu lassen.

»Die Angeklagten fühlen sich recht überlegen«, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Aber in den kommenden Verhandlungstagen, versichert er, würden die Aussagen der Landeskriminalbeamten, die die Ermittlungen führten, die Beschuldigten stark belasten.

Vor über einem Jahr war die Neonazikampftruppe aufgeflogen. Gegen sechs Uhr am Morgen des 28. Oktober 2003 hatten an die 300 Polizisten auf Weisung der Staatsanwaltschaft Kiel etwa 50 Wohnungen und Treffpunkte der Neonazis in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gestürmt. Zehn Personen aus der Szene, von denen einige enge Verbindungen zum kriminellen Rotlicht- und Rockermilieu gehabt haben sollen, wurden besucht. Bei den Razzien stellten die Beamten vier großkalibrige Revolver, eine Pumpgun sowie eine Schrotflinte sicher. »Wir wollten nicht zusehen, bis sie ihre primären Ziele umsetzen«, sagte damals Matthias Hennig, der Pressesprecher des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein.

Über ein Jahr lang hatten die Behörden verdeckt ermittelt. Als Hauptverdächtige nahmen sie unter anderen O. fest, der von Pinneberg nach Neumünster gezogen war, Peter Borchert, der bereits in Neumünster lebte, und Marco H., der in Hamburg wohnte. Aber nur Borchert blieb in Haft. In einem abgetrennten Verfahren hat das Landgericht Kiel ihn bereits am 27. April 2004 wegen Waffendelikten zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. »Es genügte ein Verhandlungstag«, erläuterte ein Sprecher des Landgerichts, »da Borchert geständig war.« Allerdings erwähnte Borchert, der Aktivist des Neumünsteraner Neonazizentrums »Club 88« und ehemalige Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen NPD, weder Verkäufer noch Käufer. Und auch zur Gruppe »Combat 18« schwieg sich der mehrfach wegen Körperverletzung Verurteilte aus.

Nachdem O. von Pinneberg nach Neumünster gezogen war und begonnen hatte, dort in einem Tattoo-Studio zu arbeiten, verlagerten sich auch die Aktivitäten von »Combat 18« dorthin. In dem rechtsextremen Handbuch »Der Weg vorwärts« erklären die militanten Neonazis ihr Konzept: »Wir brauchen eine Organisation wie C 18. (…) C 18 muss als der bewaffnete Arm der Blood & Honour-Bewegung agieren (…) Es gibt viele Wege, Furcht und Terror unter den Feinden zu verbreiten.« Handlungsanleitungen finden sich in der Schrift »Der politische Soldat«: »Jede Zelle sollte eine Geld- und Waffenquelle haben« und »Keine Zelle sollte in den bewaffneten Kampf einsteigen, wenn sie keinen sicheren Ort hat, wo Waffen, Munition (…) usw.« verschwinden könnten.

Bereits Mitte des Jahres 2000 gab es die ersten Hinweise auf Aktivitäten von »Combat 18« in Schleswig-Holstein. Aus dem Umfeld der Pinneberger Kameradschaft tauchten Morddrohungen gegen den Elmshorner IG-Metall-Vorsitzenden Uwe Zabel auf. Bei Farbanschlägen auf das Verlagsgebäude des Pinneberger Tageblatts und den jüdischen Friedhof in Neustadt/Holstein wurde das Kürzel »C 18« geschmiert. Als im September 2000 das Bundesinnenministerium die deutsche Abteilung von »Blood & Honour« verbot, blieb O. noch unbehelligt, obwohl er in dem deutschen Magazin der Gruppe über die Aktivitäten im Norden berichtete.

»Die Schwelle für eine Verurteilung als kriminelle Vereinigung ist hoch«, erläutert der Sprecher der Staatanwaltschaft. Im Mai rechnet er aber mit einer Verurteilung. Keiner der Angeklagten ist derweil in Haft. In abgetrennten Verfahren wird gegen fünf weitere Neonazis im Zusammenhang mit »Combat 18« verhandelt.