Roll over Rover

Der britische Autohersteller MG Rover steht vor dem Ende. Übernahmegespräche
mit einem chinesischen Hersteller sind gescheitert. von elke wittich

Nicht nur die Arbeiter und Angestellten des britischen Autoherstellers MG Rover müssen geahnt haben, dass die Chancen auf eine Rettung des Unternehmens minimal waren. Immer wieder wurde in der vergangenen Woche die Webseite des Fahrzeugsbauers durch den großen Ansturm von Menschen lahm gelegt, die sich informieren wollten. Zusätzlich sahen einige wohl eine unverhoffte Chance im drohenden Konkurs. »Kommen Sie nach Neuseeland«, bot die Einwanderungsbehörde des Landes den Rover-Mitarbeitern an, dort würden qualifizierte Arbeitskräfte händeringend gesucht.

Gemeldet haben werden sich allerdings nur wenige Auswanderungswillige. Die Rover-Beschäftigten sind schließlich an schlechte Nachrichten gewöhnt. Schon sehr lange. Unter dem Dach des Unternehmenskonsortiums British Leyland waren Anfang der sechziger Jahre weltberühmte Automarken wie Austin, Morris, Triumph und Rover zusammengefasst worden. Ende der sechziger Jahre sollte diese Ära jedoch enden. Die Absatzzahlen waren kontinuierlich gesunken, die Qualität der unter veralteten Bedingungen produzierten Fahrzeuge war derart jämmerlich, dass der Ausdruck »Britisch Elend« bald zum Synonym für ausgewiesene Schrottautos wurde.

Im Jahr 1975 wurde Leyland verstaatlicht, »und das Unternehmen zu einem riesigen schwarzen Loch, in dem immer mehr öffentliche Gelder verschwanden«, wie der Finanzexperte der Times, Steven Downes, schrieb. Zwischen 1975 und 1984 betrug die Summe 5,1 Milliarden Euro.

Unter der Regierung Margaret Thatchers wurde Leyland Mitte der achtziger Jahre privatisiert und in seine Einzelteile zerlegt. Rover ging an die Rüstungsfirma British Aerospace, die mit ihrer neuen automobilen Sparte jedoch nicht glücklich werden sollte. Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern wie dem japanischen Konzern Honda brachten stets das gleiche Resultat. Niemand wollte Geld in dieses Unternehmen pumpen, denn trotz des renommierten Namens sanken die Absatzzahlen weiterhin dramatisch.

BMW übernahm schließlich Ende der neunziger Jahre den angeschlagenen Hersteller und geriet deshalb selbst in finanzielle Probleme. 1999 verzeichneten die Bayerischen Motorenwerke Verluste in Milliardenhöhe – ein Jahr später endete ihr Engagement bei Rover. Der deutsche Hersteller hatte währenddessen auch den Mini übernommen. Die kleinen, energiesparenden Flitzer galten als Geschäftszweig der Zukunft.

BMW verkaufte Rover für den symbolischen Preis von zehn Pfund an die Phoenix-Gruppe, einen Zusammenschluss von vier britischen Geschäftsleuten. Diese schafften es zwar, die Verluste des Autobauers zu reduzieren, die Absatzzahlen aber blieben niedrig. Erreichten Rover und die angeschlossene finanziell bis heute erfolgreiche Sportwagenmarke MG im Jahr 1993 in Großbritannien noch einen Marktanteil von zwölf Prozent – fast 220 000 Fahrzeuge wurden damals verkauft –, betrug er 2004 nur noch drei Prozent oder 76 000 verkaufte Neuwagen.

Die letzte Hoffnung für Rover war die Shanghai Automotive Industrial Corporation (SAIC), der erfolgreichste Autohersteller Chinas, der das Unternehmen ursprünglich komplett übernehmen wollte. Der Staatsbetrieb plante, in China und Birmingham pro Jahr eine Million Fahrzeuge für den Weltmarkt zu produzieren. Die Voraussetzungen waren für den seit Jahrzehnten notorisch defizitären Hersteller jedoch ungewöhnlich hart. Ein Sprecher von SAIC bestätigte, die Hauptforderung habe gelautet, der Hersteller MG Rover solle nachweisen, »dass er zwei Jahre nach der Vertragsunterzeichnung aus den roten Zahlen heraus sein werde. Diesen Nachweis hat er aber nicht erbringen können, und deshalb konnten wir keinen Vertrag aushandeln.«

Anfang April informierte SAIC die britische Industrieministerin Patricia Hewitt erwartungsgemäß darüber, dass wegen der bei einer Übernahme entstehenden »ungewöhnlich hohen finanziellen Verluste« die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen worden sind. »Wir haben wirklich getan, was wir tun konnten«, kommentierte Hewitt den Anfang vom Ende von Rover und wies gleichzeitig Forderungen nach einem Überbrückungskredit in Höhe von 147 Millionen Euro zurück.

Zwei Wochen vor den Wahlen in Großbritannien war dies ein sicheres Zeichen dafür, dass Rover selbst in den Augen der Regierung nicht mehr rettungswürdig erscheint. Britische Zeitungen zitierten zudem eine anonyme Quelle aus dem Finanzministerium mit den für Rover vernichtenden Worten: »Die finanzielle Situation von MG Rover ist schlimmer, als die SAIC oder wir gedacht haben. Selbst bei einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen stünde ein Fragezeichen hinter der Zahlungsfähigkeit.«

Sofort begannen die Insolvenzverwalter von Pricewaterhouse Coopers ihre Arbeit. Sie kündigten also an, was sie zuvor schon angesichts der katastrophalen Unternehmensbilanzen als einzig verbleibende Option ausgemacht hatten. »Es gibt keine realistische Aussicht, ausreichend finanzielle Mittel aufzutreiben, um die Belegschaft halten zu können«, erklärte der Sanierer Ian Powell. Die Zerschlagung von MG Rover wird 5 000 Arbeiter im Werk Birmingham die Jobs kosten, weitere 18 000 sind bei den bisherigen Zulieferfirmen akut bedroht.

Auch die Zukunft der Rover-Händler ist ungewiss, denn die Insolvenzverwalter strichen zuerst das Garantieprogramm für Neuwagen. Mehr als 150 000 Kunden können nun nicht mehr damit rechnen, dass fehlerhafte Teile kostenlos repariert werden, denn der Hersteller schob die Gewährleistung kurzerhand auf die Händler ab. Diese sehen nun ihrerseits nicht ein, warum sie für vom Werk verursachte Schäden aufkommen sollen, zumal Rover jedem einzelnen seiner Niederlassungsbesitzer bereits rund 100 000 Pfund an Verkaufsprovisionen schuldet.

In Birmingham weigert man sich aber, die Hoffnung aufzugeben. Nachdem die China Business News am Donnerstag vergangener Woche berichtet hatte, dass Shanghai Automotive vielleicht doch noch einmal Gespräche aufnehmen und eventuell ein Joint Venture gründen möchte, wurde zusätzlich bekannt, dass die Muttergesellschaft Phoenix Holding Aktiva im Wert von 72 Millionen Euro, darunter ein mittelenglisches Schloss, veräußern und Rover zur Verfügung stellen wird. Die Insolvenzverwalter erklärten jedoch bereits, dass »die Gelder dann aber sehr schnell fließen müssten«, da es zwar einige Interessenten gebe, aber niemand bereit sei, finanzielle Mittel für den laufenden Betrieb bereitzustellen.

Zu befürchten ist jedoch, dass selbst eine erneute Rettung von Rover nicht die langfristige Krise des Autoherstellers beenden würde. Steve Cropley, der Chefredakteur des britischen Magazins Autocar, seufzte bereits: »Ich bin es einfach nur leid, den ständigen Überlebenskampf von Rover zu beobachten.«

Eine unabhängige Kommission soll nun die Geschäftstätigkeiten aller Tochtergesellschaften von Rover überprüfen. Explizit soll es auch um das Geschäftsgebaren der Phoenix Group gehen. Deren Tochterunternehmen Techtronic wies einen Gewinn von elf Millionen Pfund aus, die vor allem aus Zinszahlungen von Rover an BMW bestand – der fragliche Kredit war jedoch ausdrücklich ablösefrei gestellt worden.