Wir wollen Franz

Aus dem Innenleben der SPD

von horst pankow

Dem Inschenör ist bekanntlich nichts zu schwör. Auf der Website wir-wollen-franz.de findet sich u. a. der folgende Dreizeiler: »Andreas, Rothmund / Ingeneur / Ich will Münte, als Spd Chef und Fize Kanzler.« Was zunächst wie ein Projekt zur endgültigen Emanzipation von den Zumutungen deutscher Grammatik und Orthographie erscheint, erweist sich als eine von dem Bocholter SPD-Mann Klaus Mertens gestartete Initiative zur Stärkung Franz Münteferings. In wenigen Tagen haben Tausende wackerer Sozialdemokraten sich an die Tastaturen begeben und via Internet ihren »Münte« unterstützt.

Zum Teil mit der somnambulen Sicherheit einer écriture automatique. So schrieb »Schumann, Daniel / Juso im UB Minden-Lübbecke und Mitglied im OV-Haddenhausen«, außerdem passionierter Interpunktionsfeind, Folgendes: »Wir brauchen einen Menschen der die Partei weiterführt Wir brauchen einen Mann der die Sozialdemokratie mit seinem Handeln prägte Wir brauchen einen Menschen dessen Name schon Sozialdemokratisch klingt Wir brauchen einen Mann der die Partei in schwierigen Momenten zusammenhält Wir brauchen einen Mann mit einer Idee Deutschland voranzubringen Wir brauchen Franz Müntefering der er erfüllt alle diese Kriterien Franz als du vor einigen Monaten in Minden gewesen bist wusste ich der kann die Partei durch schwierige Zeiten führen Also bitte tue uns den Gefallen und bleibe unser Vorsitzender denn niemand ist so gut wie du Ich wüsste noch tausend Gründe mehr aber die kann man hier nicht alle aufzählen …«

Schade. Aber es geht ja auch kürzer, wie der folgende Dreizeiler zeigt: »Ersin Yilmaz / Student / SPD ohne Franz ist wie Kuba ohne Fidel«. Verdammt gut auf den Punkt gebracht. Als »Gegenkaiser« ließ sich schon der alte August Bebel nicht ohne Stolz titulieren. Und auch im enttäuschten Gerede über »sozialdemokratische Parteibonzen« schwang stets die Genugtuung darüber mit, was ein einfacher Deutscher mit Fleiß und Anpassung alles erreichen kann.

Das Rezept deutsch-sozialdemokratischer Karriereplanung ist simpel, aber effektiv: Den anderen immer eine Nasenlänge voraus zu sein in Sachen Zuverlässigkeit für Staat und Kapital, und dabei das richtige Gespür für spezifisch deutsche Befindlichkeiten aufzubringen. Letztgenanntes überrascht oft auch noch abgeklärteste Beobachter. Der Versuch, von der Differenz von Wahlversprechen und praktischen Resultaten mit nationalistischer und antiamerikanischer Rhetorik abzulenken, war voraussehbar, doch Münteferings Entscheidung für die »Heuschreckenschwärme« aus dem Fundus der NS-Propaganda verblüffte dann doch.

Dass mit Hartz IV die Kampagne gegen die Ärmsten nicht zu Ende sein würde, wusste wohl jeder, denn schließlich lädt deren Status der faktischen Wehrlosigkeit zu staatlicher Selbstbedienung geradezu ein. Dass allerdings bereits in der Ankündigung der erwartbaren »Nachbesserungen« die ökonomisch Überflüssigen als »Abzocker« und »Parasiten« denunziert wurden, verschlug manchem die Sprache.

Den auf wir-wollen-franz.de – die Seite soll noch bis zum Karlsruher Parteitag der SPD im Netz bleiben – zu Wort kommenden gewöhnlichen Parteitrottel zeichnet die sozialdemokratische Tugend der unbedingten Loyalität aus. Ihn stört es nicht, wenn Müntefering nach der verlorenen Wahl eines Günstlings wie ein Operettendiktator schmollt und seine Konkurrenten knieend um Gnade flehen lässt. Wahrscheinlich will und braucht er so etwas sogar – und mehr davon.