Das Orakel von Uni

in die presse

Das hohe Ziel der Naturwissenschaft, die Maschinen zum Sieg zu führen, steht seit Werner von Siemens fest. Was aber mag das Ziel der Geisteswissenschaft sein? Die Zunft der Taxifahrer und Kartenabreißer zu vermehren? Unbefugten die Kunst und das Denken zu verleiden? Die Après-Symposion-Party? Ungefähr. Der Elite der Fakultät, darunter Prof. Mittelstraß und Prof. Langewiesche, ist das zu wenig. Deshalb hat sie jetzt ein »Manifest der Geisteswissenschaft« verfasst.

Zwei Kulturen gebe es, lehrte der kluge C.P. Snow, die naturwissenschaftliche und die geisteswissenschaftliche. Er hätte auch sagen können, zwei Arten von Menschen gebe es, nützliche und nutzlose. Nur wenige Nutzlose besitzen die Größe, sich von ihrem Schicksal nicht kränken zu lassen. Auch die Manifestschreiber besitzen sie nicht: »Die Geisteswissenschaften haben den Ball, den ihnen die Zwei-Kulturen-Konzeption zugespielt hat, aufgefangen und versuchen seither, mit ihm glücklich zu werden.« Da es weder ein Basket- noch ein Tennisball ist, müssen sie Golf spielen und empfinden das als Handicap. Diesen Unglücklichen schmeckt ihre luxuriöse Einsamkeit nicht. In der »zwergenhaften Rolle«, Trost zu spenden, wenn Naturwissenschaft und Technik wieder etwas kaputt gemacht haben, wollen sie nicht länger auftreten. Brauchen sie auch nicht mehr, Rosamunde Pilcher tröstet viel besser. Dass die Nebenrolle bereits besetzt ist, heißt aber nicht, die Hauptrolle wäre noch frei. Die Hauptrolle müsste nach Vorstellung der Manifestler eine Art Orakel von Uni sein, das die »moderne Welt« lehre, sich »in Wissenschaftsform zu begreifen«. Doch die moderne Welt begreift sich stets nur, wenn sie in Trümmern liegt. Dass sie sich selbst begriffe, wenn auf Strukturen fokussiert, von Ebene zu Metaebene aufgestiegen und dort kognitiv prozessiert wird, glauben ganz im Ernst doch nicht einmal die, die das tun.

Den offenkundigen Mangel der Geisteswissenschaft, weder geistvoll noch wissenschaftlich zu sein, teilt sie mit vielen. Sie könnte, wie bisher, einfach gar nichts sein, aber dafür ist sie wohl zu eitel.

stefan ripplinger