https://jungle.world/artikel/2006/47/safari-nach-kyoto
Alle Regierungen wollen die Emissionen reduzieren. Aber nur, wenn die anderen es auch tun. Auf der Klimakonferenz in Nairobi wurden deshalb nur Zeitpläne verabschiedet. von ferdinand muggenthaler
Klimalobbyisten müssen geduldige Menschen sein. Als am Freitag in Nairobi die UN-Klimakonferenz zu Ende ging, hatten sich die Vertreter von 189 Staaten vor allem auf Zeitpläne geeinigt. So ist es schwer zu erkennen, ob die Konferenz das viele Kohlendioxid wert war, das die 6 000 Teilnehmer für An- und Abreise in die Luft geblasen haben. Die Einschätzungen reichten von »solider Grundlage, um den Klimawandel noch abzubremsen«, über »Fortschrittchen« bis hin zu »heiße Luft in Nairobi«.
Zwei Schwerpunkte sollte der Gipfel haben. Erstens die Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel. Vor allem Aktivisten aus Afrika, dem Kontinent, den der Klimawandel am härtesten trifft, hatten auf schnelle Hilfe gehofft. Für sie hatte die Konferenz nur einen schwachen Trost parat: Geeinigt haben sich die Klimadiplomaten auf die Kriterien eines Anpassungsfonds, der Projekte in den Entwicklungsländern fördern soll. Bisher sind ganze zwei Millionen Euro in dem Fonds, und bis 2012 sollen es etwa 600 Millionen werden. Eine lächerliche Summe, wenn man bedenkt, dass allein Hamburg 500 Millionen Euro für die Erhöhung der Deiche ausgibt. Entsprechend fiel das Urteil der kenianischen NGO Practical Action aus: »Das hätte ein Afrika-Gipfel werden sollen. Aber es war ein Safari-Gipfel.«
Langsam ging es auch bei dem zweiten Schwerpunkt voran, der Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls, das im Jahr 2012 ausläuft. In Nairobi haben Deutschland und andere Industrieländer versucht, verbindliche Reduktionsziele auch für Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien auf die Tagesordnung zu setzen. Darauf wollten sich diese nicht einlassen. Heraus kam ein Kompromiss. Wie wirksam das Kyoto-Protokoll gegen den Klimawandel ist, wird zwar in den kommenden zwei Jahren überprüft, aber die Überprüfung soll nicht zu neuen Verpflichtungen für die Entwicklungsländer führen. Dabei scheint völlig klar, wie die Bewertung ausfallen muss: Die derzeitigen Ziele sind völlig unzureichend, trotzdem halten die meisten Industriestaaten schon heute die Vorgaben nicht ein, und wenn Chinas und Indiens Menge an Emissionen im gleichen Tempo weiter steigt, ist das ein sicherer Weg in die Katastrophe.
Gabriela von Goerne, die für Greenpeace die Konferenz in Nairobi beobachtet hat, ist trotzdem vorsichtig optimistisch. Auch wenn sich beispielsweise die chinesischen Unterhändler in Nairobi nicht völkerrechtlich binden wollten, stecke das Land viele Mittel in erneuerbare Energien und in Energieeffizienzprojekte. In Nairobi präsentierten die chinesischen Delegierten den Plan, bis 2010 das Wirtschaftswachstum vom Anstieg der Emissionen zu entkoppeln. Deshalb sei es »fast unhöflich«, wenn westliche Staaten auf China deuten, sagt Goerne. »Es hindert die EU niemand daran zu handeln.« Wenn die europäischen Staaten vorlegen, dann werde sich auch auf der UN-Ebene wieder etwas bewegen.
Greenpeace hofft dabei, wie andere Umweltorganisationen, auf die deutsche Regierung, die im kommenden Jahr den Vorsitz in der EU führt und den G8-Gipfel organisiert. Dabei ist auch in Deutschland der Druck auf die Energieunternehmen bisher bescheiden. Emissionszertifikate, also Verschmutzungsrechte, werden an die Unternehmen verschenkt, und die Kohle, bei deren Verbrennung besonders viel Kohlendioxid entsteht, wird bevorzugt.
Doch geduldige NGO-Vertreter sehen Anzeichen für neuen Elan in der Klimapolitik. Deutschland hat Energieeffizienz auf die Tagesordnung des G8-Gipfels gesetzt, und in den USA will sich die neue Parlamentsmehrheit für weniger Emissionen einsetzen. Makabrerweise ist es auch ein Hoffnungszeichen, dass der Klimawandel zum Thema der Sicherheitspolitik geworden ist: Die Regierungen treibt die Angst vor Klimaflüchtlingen, stockender Energieversorgung und unkontrollierbaren Elendsregionen um.