Prohibition impossible

Ein Verbot der NPD hätte viele Fürsprecher. Nur hat sich der Staat in die Lage gebracht, die Partei nicht ohne weiteres verbieten zu können.
von jan langehein

Was tun gegen rechte Gewalt? Nach jedem spekta­kulären Angriff von Neonazis auf Migranten oder Juden erheben einige Politiker stereotyp die Forderung nach einem Verbot der NPD – auch wenn diese, wie im Fall Mügeln, mit den aktuellen Ereignissen überhaupt nichts zu tun hat. Ebenso stereotyp weisen andere die Forderung zurück. Sie erinnern an das Debakel, das die Bundesregie­rung bei ihrem letzten Versuch erlebte, die NPD vom Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen.

Das Verfahren hatten die Verfassungsrichter im März 2003 eingestellt, nachdem bekannt geworden war, dass die Funktionärsebene der Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt ist. Dass die NPD inzwischen in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit eigenen Fraktionen vertreten ist, dürfte ein Verbot juristisch zusätzlich erschweren.

Der neue Vorschlag für ein weiteres Verbotsverfahren kam nicht etwa von einem Hinterbänkler, der das Thema zu seiner Profilierung nutzen wollte, sondern vom Vorsitzenden der SPD, Kurt Beck. Bereits im Juli hatte auch Peter Struck, der Fraktionsvorsitzende, ein erneutes Verbotsverfahren angeregt. Die Sozialdemokraten wollen sich mit ihrer Initiative stark im Umgang mit den Rechtsextremisten zeigen, ihre Vorschläge und die anschließende öffentliche Debatte aber zeigen eher das Gegenteil: Hilflosigkeit.

Beck kündigte nach der Hetzjagd auf acht Inder in Mügeln an, der Vorstand werde auf dem nächsten Parteitag einen entsprechenden Antrag einbringen. Der Leipziger Volkszeitung sagte er: »Ich halte eine neuerliche Prüfung eines NPD-Verbots mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln für unabdingbar.« Seine Partei wolle »mit ganzer Härte des Gesetzes gegen die braunen Demagogen vorgehen«.

Natürlich ahnt Beck, dass die NPD in ihrem der­zeitigen Zustand kaum zu verbieten ist. Um ein Scheitern wegen der V-Leute diesmal zu verhindern, schlug er deshalb zunächst vor, die Spitzel zumindest für die Dauer des Verfahrens abzuziehen. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein lehnte diese Idee grundsätzlich ab. »Keine Regierung kann es sich leisten, ihre Quellen abzuschalten«, sagte er der Netzeitung. Ob ein Rückzug der V-Leute sinnvoll wäre, darüber kam es auch in der SPD selbst zu Streit. Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, schränkte Becks Vorschlag insofern ein, dass er die V-Leute nur aus den Füh­rungsgremien der NPD abziehen, die Basis der Partei aber weiterhin überwachen lassen will.

Noch einen Schritt weiter ging der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er: »Wir dürfen die Tür für eine Observation der NPD auf keinen Fall zuschlagen.« Das Risiko sei zu groß, eine solche Partei über Jahre hinweg de facto unbe­obach­tet weiterarbeiten zu lassen. Damit wies er den Vorschlag von Beck in verklausulierter Form zurück; offen plädierte er lediglich für eine gute Vorbereitung. Zunächst sei »gründlich zu analysieren, ob ein erneuter Anlauf für ein NPD-Verbot mit Aussicht auf Erfolg möglich wäre, ohne auf die V-Leute verzichten zu müssen«. Dass dies wohl kaum möglich ist, weiß auch Körper, hatte das Bundesverfassungsgericht 2003 doch festgehalten, der NPD mangele es wegen der V-Leute an der nötigen »Staatsferne« für ein Verbot.

Grüne und FDP lehnen ein weiteres Verbotsverfahren gegen die NPD ab, weil sie das Risiko, dabei scheitern zu können, für zu groß halten. Als einzige Oppositionspartei kann sich »Die Linke« einen erneuten Versuch vorstellen. Auch CDU und CSU sind sich diesmal einig, auf ein derartiges Ex­periment lieber verzichten zu wollen. Das war nicht immer so: Im Jahr 2000 war es der bayerische Innenminister Günther Beckstein gewesen, der den Anstoß für das erste Verbotsverfahren gegeben hatte. Nach der damaligen Schlappe will es die Union aber nicht noch einmal versuchen: »Eine solche Dummheit kann man einmal begehen, sollte sie aber nicht wiederholen«, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bun­destag, Wolfgang Bosbach, ließ verlauten, ein zwei­tes Scheitern vor dem Verfassungsgericht käme »ja fast schon einem Gütesiegel für die NPD« gleich.

Im Fall der NPD scheint die CDU, anders als üblich, Verfassungsschutz nicht durch Repression betreiben zu wollen, sondern durch Integration – nicht von Migranten, sondern von rechten Jugendlichen. Der Fraktionsvorsitzende der Partei, Volker Kauder, sagte der Bild am Sonntag in einem Interview zu den Verbotsplänen der SPD: »Die fremdenfeindliche Gewalt, die jetzt wieder im sächsischen Mügeln sichtbar geworden ist, muss durch intensive und professionelle Jugendsozialarbeit in den Brennpunkten bekämpft werden.« Dass die CDU auf diesem Gebiet nicht unbedingt über große Erfahrung verfügt, zeigen Kauders konkrete Vorschläge, wie diese Sozial­arbeit zu organisieren sei: »Die Rotary Clubs, die Lions Clubs und andere gesellschaftliche Kräfte sollen Spenden für intensive Jugendsozialarbeit sammeln und sich an den Projekten beteiligen.«

Anders als seine Parteifreunde äußerte sich auch Peter Michael Diestel (CDU), der letzte Innenminister DDR: Ein Verbotsverfahren gegen die NPD sei deshalb bedenklich, weil die Partei ja durch Wahlen in mehreren Bundesländern demokratisch legitimiert sei – ein Argument, das man sonst von Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hört, wenn sie die Anerkennung der Hamas-Regie­rung in den palästinensischen Gebieten fordert. Der mecklenburgische CDU-Politiker Ulrich Born hielt Diestel entgegen: »Auch die NSDAP war durch Wahlen legitimiert. Diestel sollte sich fragen, was er da redet.«

Diese Posse zeigt beispielhaft, wie es derzeit um den Kampf gegen die NPD in der Bundespolitik bestellt ist: Den Beteiligten scheinen die Ideen ausgegangen zu sein, was sie gegen die Partei unternehmen könnten, die wie keine andere in Deutschland das Fortleben der nazistischen Ideo­logie fördert und aus dem gescheiterten ersten Verbotsverfahren gestärkt hervorging. Die NPD zu verbieten, scheint nur schwer möglich zu sein – eine Lage, in die sich der Staat selbst gebracht hat, als er seine V-Leute in der Führungsetage beim ersten Antrag schlicht vergessen zu haben scheint.

Außerdem hat gerade das Beispiel Mügeln gezeigt, das deutsche Rassisten nicht unbedingt eine Partei brauchen, wenn sie sich zusammenschließen und auf Menschenjagd gehen. Die Basisinitiativen im Kampf gegen Rechts zu unterstützen, kann ein Verbot der NPD ohnehin nicht ersetzen. Solche Unterstützung ist unerlässlich – und der Antifa ist in dieser Beziehung mehr zu vertrauen als dem Rotary Club.