»Dr. House« und »Monk«

Normal ist das nicht

Von Ivo Bozic

Serie über Serien. Ivo Bozic hat ein Herz für wahnsinnige Genies wie Dr. House und Monk

Niemand mag Krankenhäuser. Niemand mag Polizisten. Doch die po­pu­lärsten Serien sind Krankenhaus- und Krimiserien. Wohin man schaltet, Ärzte und Polizisten, Polizisten und Ärzte. Ersatzweise Pathologen und Privatdetektive. Wie kom­mt es dazu? Wieso schauen sich Menschen, denen schon beim Geruch eines Krankenhausflurs ganz schummrig wird, eine Klinikserie nach der anderen an? Wie passen die peinigende Angst vor dem Tod und der nicht enden wollende Voyeuris­mus bei Autopsien zusammen? Wieso versammeln sich autonome Streetfighter sonntag­abends in ihrer WG zum »Tatort«-Gucken vor der Glotze?
Vermutlich möchten sie alle einfach jene Men­­schen, denen sie sich normalerweise hilflos aus­geliefert fühlen, auch mal als ganz normale Zeitgenossen sehen oder sich gar in ihre Rolle hineinversetzen, um das beklemmende Ohnmachtsgefühl ihnen gegenüber in den Griff zu bekommen. Fernsehkommissare müssen immer kräftig menscheln, uns ähnlich sein und neben den kriminalistischen auch ganz alltägliche Probleme haben, und all diese Ärzte beobachtet der Fernsehzuschauer ja nicht nur geban­nt beim Operieren, sondern auch beim Tratschen und Einparken. Siehe, das sind auch nur Menschen! Das möchten wir bitteschön regelmäßig bestätigt bekommen. Sonst würden wir uns ja gar nicht mehr aus dem Haus trauen.
Extrem menschlich geht es in den beiden diens­­tags bei RTL laufenden Serien »Dr. House« und »Monk« zu – allerdings auch menschlich extrem. Wer Angst vor Ärzten und Krankenhäusern hat, dem ist »Dr. House« nicht wirklich ans Herz zu legen. Der verbitterte, humpelnde, bis auf die Knochen zynische, schmerzkranke und tabletten­abhängige Diagnostiker Gregory House (Hugh Laurie) benutzt seine Patienten, die er grundsätzlich nicht ausstehen kann, als Versuchskaninchen und zuweilen zur Befriedigung seines misanthropischen Sadismus. Nur seiner wahnsinnigen Genialität und seiner scho­n­ungslosen, oft illegalen Experimentierfreudigkeit ist es zu danken, dass die Thera­pien schluss­endlich, nach­dem sie anfangs fehlgeschlagen sind, dann meis­tens doch noch irgendwie funk­tionieren. Oft ist auch eine Portion Zufall dabei. Gesundheit als Glücksspiel, als russisches Roulette. So voll von Hass auf die Welt House auch ist – eigentlich ist er natürlich trotz­dem ein sehr sympathischer Kerl, den wir – min­des­tens – aus unserem Unterbewusstsein schon kennen.
Das gilt auch für Adrian Monk (Tony Shalhoub); ebenfalls ein Fall für den Psychologen. Der durch und durch zwangsgestörte ehemalige Kriminalbeamte hilft als »freier Berater« der Polizei, begleitet immer von einer »Assistentin«, einer Art Einzelfallhelferin. Die Fälle löst Monk dank seiner genialen Inselbegabung, die ihn Details wahrnehmen lässt, die so beiläufig wie offensichtlich sind, von »normalen« Menschen jedoch übersehen werden. Wer die Welt da draußen für einen Dschungel hält, ist bei »Monk« gut aufgehoben (Titelsong: »It’s a Jungle out there«). Wer meint, eine gute kriminalistische Ausbildung oder eine sorgfältige Ob­duk­ti­on könne zur Aufklärung eines Mordes beitragen, wird hingegen eines Besseren belehrt. Im Unterschied zu üblichen Krimis, bei denen man bis zum Schluss mit­raten kann, wer denn der Täter ist, werden bei »Monk« der Mord und der Täter gleich am Anfang jeder Folge gezeigt. Rätseln darf der Zuschau­er nur, auf welch bizarre Weise Monk schließlich seine Eingebung haben wird. Sollte man früh­zeitig darauf kommen, so ist man nicht wie beim »Tatort« stolz auf die eigene kriminalistische Fähigkeit, sondern auf einen Moment der eigenen »krankhaften« Realitätswahrnehmung. Die Serie hat daher eine emanzipatorische Botschaft: Sie dekonstruiert den Begriff der Krankheit sowie die Psychologisierung von Menschen.
Das gilt auch für »Dr. House«. Monk und Dr. House zeigen beide, dass der Mensch weder gut noch »normal« oder »gesund« sein muss, damit sich die Erde weiterdreht. Ja, mehr noch: Ohne kaputte Typen, ohne zynische Arsch­löcher und neurotische Freaks wäre die Welt ein sehr viel ärme­rer Ort.