Ein Gespräch mit Wesley J. Smith über Menschen und Karotten, Veganismus und Tierrechtsterroristen

»Der Mensch wird als Feind des Planeten betrachtet«

In den USA fehlt Wesley J. Smith in kaum einer Talkshow oder Radiosendung, die sich mit Biotechnologie, Sterbehilfe oder der Tierrechtsbewegung befasst. Er ist ­einer der bekanntesten Kritiker dieser Bereiche und sieht sowohl in Umweltschützern als auch im Veganismus eine Bedrohung für den Wert des menschlichen Lebens. Smith ist Senior Fellow am Discovery Institute, Berater des Center for Bioethics and Culture und Anwalt der International Task Force on Euthanasia and Assisted Suicide. Er schreibt für alle großen amerikanischen Zeitungen und hat mehrere Bücher verfasst.

Warum ist der Veganismus gerade in linken Szenen wie der Antiglobalisierungsbewegung so stark verbreitet?
Nun, ob das ein linkes Phänomen ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist der Veganismus ein Wider­spruch in sich selbst. Er ist ein Beweis dafür, dass der Mensch eine Ausnahmeerscheinung ist, denn die Veganer verweigern aus ethischen Prinzi­pien fleischliche Kost. Keine andere Spezies auf diesem Planeten würde jedoch auf die Idee kommen, so etwas zu machen. Ironischerweise wird dieser Beweis gerade von den Leuten erbracht, die leugnen, dass der Mensch eine Ausnahme- spezies ist. Der Veganismus ist außerdem mit dem Klosterleben verwandt, wo sich die Insassen Armut und Keuschheit geschworen haben. Das ist eine durch­aus bewundernswerte Leistung, so­lange sie nicht von allen anderen Menschen erwartet wird.
Sie haben mal den Witz gemacht, dass Menschen und Karotten durchaus vergleichbar seien, da sie beide aus Kohlenstoffmolekülen bestehen. Im April hat die Schweizer Ethikkommission den Vorschlag gemacht, dass Pflan­zen aufgrund einer spezifischen Würde respek­tiert werden müssen und dieser Schutz in der Verfassung festgeschrieben werden soll. Aus einem Witz wurde bizarrer Ernst?
Ja, das ist wirklich unglaublich. Aber wenn man sich anschaut, wie sehr die Sorge um den Planeten die Sorge um die hungernden Menschen in den Entwicklungsländern abgelöst hat, dann ist diese groteske Entwicklung kaum noch verwun­derlich. Der Mensch wird mittlerweile aus ver­meint­lich bioethischer Sicht als Feind des Planeten betrachtet. Und wenn das menschliche Leben derart degradiert wird und das oberste Ziel der Gesellschaften die Rettung des Planeten ist, werden dafür auch irgendwann Menschenleben geopfert werden. Insbesondere die ärmsten Re­gionen der Welt könnten das Opfer dieses Denkens werden.
Ist die Bioethik also ein ähnlich funktionieren­des Etikett wie der Bio-Aufkleber im Supermarktregal?
Die Biotehtik hat sicherlich einen anderen Ursprung. Aber es ist tatsächlich so, dass bestimmte Zweige der bioethischen Forschung nur als Vorwand dafür dienen, um die großen biotechnologischen und pharmazeutischen Unternehmen mit philosophischen Grundlagen zu beliefern, mit denen diese Firmen dann wiederum ihre ethisch fragwürdige Forschung legitimieren können.
Wie kamen Sie als Anwalt dazu, sich mit Bio­ethik zu beschäftigen?
Als ich noch als Anwalt tätig war, habe ich zu­sam­men mit Ralph Nader, dem ehemaligen Politiker der Green Party und derzeitigen, unabhän­gigen Präsidentschaftskandidaten, Bücher verfasst. Während wir an unserem letzten Buch arbeiteten, hat sich eine Freundin von mir umgebracht, nachdem sie das Hemlock Quarterly gelesen hatte, eine Publikation der Hemlock Society, die Hilfe zum Selbstmord anbietet. Diese Organisation erklärt den Leuten, welche Drogen sie nehmen müssen, um sich umzubringen, und wie man eine Plastiktüte benutzt, um sicherzugehen, dass man auch wirklich stirbt. Getreu der Anleitung hat sich meine Freundin Frances umgebracht. Ich war wütend und schrieb einen Text für das Wochenmagazin Newsweek und dachte ­eigentlich, dass mein Engagement in dieser Sache damit beendet sei. Aber ich habe derart viele hate mails wegen meines Textes erhalten, dass ich mich fragte, was in diesem Land los ist. Dann entschloss ich mich dazu, die Leute zu unterstützen, die gegen die Legalisierung der Sterbehilfe protestieren. Deshalb schrieb ich dann Bücher über Euthanasie, Bioethik und Biotechnologie. Derzeit arbeite ich an einem Buch über die Tierrechtsbewegung.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Euthanasie und der Tierrechtsbewegung?
Der Tierrechtsbewegung geht es nicht darum, net­ter zu den Tieren zu sein. Diese Bewegung propagiert eine Ideologie, die explizit und implizit menschenfeindlich ist. Die Tierrechtler kämpfen dafür, dass Tiere den gleichen moralischen Status wie das menschliche Leben erhalten. Wer allerdings behauptet, dass Menschen nicht die einzigen Geschöpfe sind, für die bestimmte Rechte gelten, der wird dazu übergehen, andere Krite­rien der Unterscheidung anzuwenden und den Wert der Geschöpfe neu zu definieren. Peter Singer, einer der wichtigsten Vordenker der Tierrechts­bewegung, schlägt vor, »Persönlichkeit« als größ­ten Wert aller Kreaturen zu bestimmen und ei­nige Menschen, wie solche mit fortgeschrittener Demenz und behinderte Kinder, aus dieser Gemeinschaft auszuschließen. Mit dieser Theorie können Menschen ohne moralische Bedenken ermordet oder als Versuchsobjekte benutzt, mit anderen Worten: wie Tiere behandelt werden. In einer solchen gesellschaftlichen Vorstellung spielen die universellen Menschenrechte keine Rolle mehr.
Menschenrechte sollen also auch für Tiere gelten?
Genau. Das ist der Punkt von Peter Singer und seinem Great Ape Project, das für den Menschenaffen Menschenrechte wie das Recht auf Leben, den Schutz der individuellen Freiheit und das Verbot von Folter fordert. In Ländern wie Neuseeland ist dies bereits in die Verfassung aufgenommen worden. In Spanien wurde vergangenen Monat ein parlamentarischer Beschluss gefasst, dass die Menschenaffen in die »Gemeinschaft der Gleichen« aufgenommen werden sollen. Wenn der Mensch nur eine von vielen Spezies ist, die alle gleichwertig sind, und allen natürlichen Kreaturen Rechte zugesprochen werden, dann ist das Konzept der Rechte billig geworden, so wie die Währung durch die Inflation billiger wird.
Sie bezeichnen Organisationen wie die Animal Liberation Front (ALF) als terroristische Organisationen.
Die Aktivisten der ALF sind unzweifelhaft Terroristen. Sie haben Tierforscher terrorisiert, indem sie Bomben unter deren Autos platzierten oder die Familien der Forscher mit Gewalt bedrohten. Die People for the Ethical Treatment of Animals (PETA), die größte und weltweit geschätzte Tierrechtsorganisation, haben diese Taten nie kritisiert. Seit 2002 zählt das FBI allerdings den Tierrechts- und Ökoterror, insbesondere seitens der ALF, zu der schlimmsten Bedrohung innerhalb der USA.
Ist die Gleichsetzung der Tierrechtsbewegung mit Terroristen nicht ähnlich krude wie die Gleichsetzung von Karotten, Embryonen und Menschen?
Terror ist eine Taktik, die nicht auf ein Motiv, ein Gebiet, eine Nationalität oder eine Kultur beschränkt ist. Terror ist definiert als Gewaltanwen­dung oder Einschüchterungstaktik, um politische oder andere Ziele zu erreichen. Auch wenn die Tierrechtsterroristen keine Menschen töten, wobei es derartige Versuche schon gab, sind ihre Gewaltanwendung und ihre Einschüchterungsmaßnahmen Terror. Es ist ja offensichtlich, dass das Level, auf dem die Tierrechtsterroristen agieren, ein völlig anderes ist als das, auf dem al-Qaida operiert. Und es wäre falsch, al-Qaida mit der ALF gleichzusetzen, aber trotzdem gibt es ein ver­bindendes Element. Es ist der Utopismus, der Jihadisten und Tierrechtsterroristen verbindet. Wenn wir uns die Geschichte des Westens anschauen, könnte man den Utopismus als eine der Grundlagen betrachten, die für die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschheit verantwortlich sind. Mit Utopismus meine ich die Idee, dass einem jedes Mittel Recht ist, um das Ziel, eine perfekte Welt zu schaffen, zu erreichen.
Für die Utopie einer religionsfreien Gesellschaft treten derzeit in den USA evolutions­theo­re­ti­sche Religionskritiker, wie beispielsweise Ri­chard Dawkins, ein. Welche Nähe hat Daw­kins zu der Ideologie der Tierrechtsbewegung?
Dawkins scheint zu glauben, dass er den Glauben an eine göttliche Macht unterminieren kann, indem er ethische Prinzipien wie die Annahme, dass der Mensch einzigartig ist, attackiert. Das jedenfalls scheint mir der Grund zu sein, warum Dawkins Peter Singers Great Ape Project unterstützt. Die Besonderheit des Menschen ist eben eine Ansicht, die sich aus der religiösen Tradi­tion entwickelt hat, aber gleichzeitig die fundamentale Voraussetzung der westlichen Zivilisa­tion ist. Man braucht keinem religiösen Glauben anzuhängen, um die Menschenrechte zu verteidigen. Trotzdem meinen einige der so genannten Neuen Atheisten, dass die jüdisch-christliche Ethik synonym für religiöse Überzeugung steht. Diese Religionskritiker bezeichnen sich als Freidenker, das sind sie aber nicht.
Ihr Blog heißt »Secondhand Smoke«. Sind Sie passionierter Passivraucher?
Ich habe nichts gegen das Rauchen, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nie geraucht, außer hin und wieder eine Zigarre. Nur leider keine kubanischen, weil mein Land ein Embargo gegen Kuba verhängt hat. Aber »second­hand smoke« hat nichts mit Rauchen zu tun, sondern damit, dass ich in dem Blog nur heiße Luft produziere und Feinstaub ausstoße.